KolumneErdogan wird stets der Dreistere sein
Wenn Sie unflätig angepöbelt werden, pöbeln Sie dann zurück? Wahrscheinlich werden Sie als höflicher Mensch versuchen, die Ruhe zu bewahren. Soweit Ihre Emotionen das eben zulassen. In solchen Situationen ist klar: Es gibt keinen guten Umgang mit bösem Spiel. Sie können nur den Schaden möglichst gering halten.
In meinen 40 Berufsjahren habe ich die Erfahrung gemacht: Wenn einer provoziert, versucht man am besten, sich nicht darauf einzulassen und sich stattdessen auf eigene Stärken zu besinnen. Allzu schnell spielt man sonst das Spiel des anderen mit. Und verliert dabei, weil der Schreihals am Ende immer noch lauter schreien kann.
Das Verhalten der türkischen Regierung finde auch ich ungeheuerlich. Nazi-Vergleiche, Rassismus-Keule, Vergeltungsdrohungen von Staatschef Recep Tayyip Erdogan. All das ist unerträglich. Genau wie Minister, die sich in dieses Land schleichen, um „Grußworte“ zu sprechen, „Kulturveranstaltungen“ zu besuchen oder als „Privatleute“ vor Publikum aufzutreten – und die doch nur Wahlkampf machen und innertürkische Konflikte zu uns tragen wollen. Ich will nicht, dass eine große Menge bei uns nach der Todesstrafe ruft wie 2016 in Köln.
Eine verkehrte Welt
Und ich kann kaum glauben, dass die Regierung Erdogan, die jetzt gegen Einreiseverbote protestiert, dieselbe ist, die deutsche Parlamentarier erst vor wenigen Tagen wieder zu unerwünschten Personen in der Türkei erklärt hat. Es ist eine verkehrte Welt.
Dennoch frage ich mich, wie klug es von den Niederländern war, die türkische Familienministerin stundenlang festzuhalten und schließlich außer Landes zu schaffen. Alles vor laufenden Kameras. Türkische Staatsvertreterin, eingekesselt von holländischer Staatsmacht – das ist das Bild, das der Opfer-Propaganda des türkischen Präsidenten noch gefehlt hat. Eher spielt Den Haag – ungewollt – Ankaras Spiel, als dass es einem eigenen Plan folgt. Mit welchem Ende denn auch? Mag Holland sich im Wahlkampf noch so entschlossen gebärden – Erdogan wird stets der Dreistere sein, der Ungehemmtere, Unverschämtere.
Doch mit jeder Wutattacke gräbt der türkische Präsident an anderer Stelle sein politisches Grab. Er schreckt Millionen Touristen ab. Die türkische Lira ist abgestürzt, die hohen Zinsen würgen die Wirtschaft ab. Hätte ich die Türkei als Urlaubsziel im Auge – ich würde es mir schwer überlegen, ob ich meine Ferien in einem Land verbringen möchte, dessen Führung mich quasi zum Nazi erklärt. Und würde ich dann doch reisen, gäben Gastfreundschaft und Wertschätzung den Ausschlag, die ich persönlich von vielen Türken immer wieder erfahren habe. Gottlob haben sie sich nie so benommen wie ihr Präsident.