Der Bauernverband stand der Radikalisierung der Proteste hilflos gegenüber. Das muss sich für künftige Proteste dringend ändern.
Kommentar zu BauernprotestenWer den größten Trecker fährt, hat nicht automatisch recht
Vielleicht waren die zerstörten Autos und die Verletzten auf einer Bundesstraße in Brandenburg der letzte Auslöser für den Bauernverband, jetzt kompromissbereit gegenüber der Politik zu sein. Vielleicht ist es nur die Jahreszeit. Im Dunkeln hatten radikalisierte Landwirte Mist auf die Straße gekippt. Der Bauernverband und sogar seine Konkurrenz, die wenig kompromisslos – aber friedlich – demonstrierenden „Freien Bauern“, verurteilten die Aktion.
Bauernverband stand der Radikalisierung hilflos gegenüber
Nach wochenlangen Eskalationen und Grenzüberschreitungen will der Bauernverband nun zeigen, dass nicht derjenige, „der am lautesten schreie, am besten Gehör finde“ – und zeigt Entgegenkommen beim Agrardiesel. Man bestehe nicht mehr auf der vollen Steuerbefreiung, wenn es an anderer Stelle zu realen Entlastungen komme.
Es ist fast wie im alten Volkslied: „Im Märzen der Bauer das Kompromisslein entdeckt.“ Aber das wäre verharmlosend. Der Bauernverband stand in den vergangenen Wochen zunehmend hilflos immer radikaler werdenden Protesten von Gruppen gegenüber, die keiner Organisation angehören und zu keiner Mäßigung mehr anzuhalten waren. Und meistens traf es Politikerinnen und Politiker der Grünen.
Die Bauern sollten die Protestsaison kritisch auswerten
Das hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Biberach erlebt – und jetzt noch einmal deutlich unterschieden zwischen der „ordentlichen Demonstration, organisiert von Bauern im Bauernverband“, und einer „völlig aus dem Ruder gelaufenen“ Kundgebung mit „Querdenkern“ und Rechtsextremen. Ähnlich erfuhr es seine Parteivorsitzende Ricarda Lang in Magdeburg. Den demonstrierenden „Freien Bauern“ versprach sie einen Termin in Berlin, aber extreme Trittbrettfahrer hielten dennoch ihren Konvoi auf.
Es ist eine Chance für die Landwirte aller Verbände, die Protestsaison kritisch auszuwerten und nächstes Mal besser vorbereitet zu sein: darauf, die Wut bei den Landwirten früher aufzufangen, Kaperversuche von Extremisten besser abzuwehren und Ziele klarer zu benennen. Die Landwirte haben das Recht, dass die Politik ihnen zuhört. Aber keiner hat recht, nur weil er den größten Trecker fährt.