AboAbonnieren

Kommentar zu Corona-LeugnernDummheit allein verletzt noch kein Gesetz

Lesezeit 4 Minuten
Corona-Demo am Dom

Erneut soll es bei vielen Demonstrationen um die Beschränkungen aufgrund des Coronavirus gehen.

  1. Die Aufmärsche der Aluhut-Träger und rechtslastigen Verschwörungstheoretiker sind so bizarr, dass sie jeden Satiriker ratlos machen müssten.
  2. Es ist offensichtlich für manche Menschen leichter, sich in eine Welt zu flüchten, die es nicht gibt, als diese auszuhalten, in der wir gerade leben müssen.
  3. Ein Kommentar.

Der Trainer Ewald Lienen hat in seiner Zeit beim 1. FC Köln einmal mit großem Nachdruck gesagt: „Ein Fußball-Profi muss jeden Tag immer alles richtig machen.“ Seitdem hat der über den Fußball hinaus geschätzte Moralist viele weitere Sätze geäußert, aber keinen, der von Weisheit weiter entfernt war als dieser.

Kaum etwas verbindet die Bewohner unseres Planeten mehr miteinander als die Unfähigkeit, immer alles richtig zu machen. Fehler und Verirrungen sind etwas zutiefst Menschliches. Wenn unser gemeinsames Überleben davon abhinge, dass sie aus unserem Handeln verschwinden, hätten wir keine Chance.

Es wird also auch nicht passieren, dass das öffentliche Leben frei von Vorgängen ist, die uns als falsch erscheinen. Allein deshalb, weil jeder ein anderes Empfinden dafür hat, was falsch ist. Deshalb sind wir dazu verurteilt, mit dem zu leben, was wir für die Dummheit der anderen halten. Für mich und alle Menschen, die mir persönlich nahe stehen, spiegelt sie sich derzeit beispielhaft in den Aufmärschen der Aluhut-Träger und rechtslastigen Verschwörungstheoretiker, deren Thesen so bizarr sind, dass sie jeden Satiriker ratlos machen müssten. Nur die Besten können daraus noch Humor schlagen, wie der unvergleichliche Österreicher Josef Hader, der in seinem letzten Facebook-Video mit gespielter Empörung erklärte: „Nahezu alle 100 Jahre wird die Bevölkerung komplett ausgetauscht. Vollkommen andere Leute! Und wir schauen da zu!“

Wir dürfen nicht vergessen, dass Dummheit, oder sagen wir Irrationalität, eine menschliche Konstante ist, die sich seit dem Auftreten des Homo sapiens vor 190 000 Jahren nicht sehr verändert haben dürfte. Sie hat die Menschheit durch ihre gesamte Entwicklungsgeschichte begleitet, was in einer Krisenzeit wie dieser vielleicht kein Trost ist, denn diese Geschichte war turbulent und von Katastrophen gekennzeichnet. Aber es wird nichts helfen, sich das, was man für dumm oder schlecht hält, wegzuwünschen. Die einzige Chance ist, richtig darauf zu reagieren und sich auch hier vor Ansteckung zu schützen.

Wir müssen in der Überzahl bleiben

Vor allem müssen wir deutlich in der Überzahl bleiben. Hierfür sehe ich beim Gang durch das tägliche Leben viel versprechende Indizien. Beim Bäcker, beim Metzger, beim Discounter, im Supermarkt, an der Straßenbahnhaltestelle, im Hausflur, am Arbeitsplatz halten die Menschen Distanz und bilden mit einer Geduld Schlangen, die man in Deutschland nicht für möglich gehalten hätte. Ich beobachte nur ganz wenige Ausnahmen. Niemand wagt es hier, mich zum Abnehmen der Maske aufzufordern oder mir extrem nahe zu kommen. Natürlich entstehen an einem schönen Frühlingstag Ansammlungen in der Öffentlichkeit. Das ist es eben, was wir Menschen an einem schönen Frühlingstag tun wollen: andere Menschen treffen. Aber ich denke, viel besser, als wir es jetzt machen, können wir es im Alltag nicht machen.

„Stadt mit K“ – Der Newsletter

Alles, was Sie heute in Köln wissen müssen

Die Corona-Krise hat unser Leben in den vergangenen Wochen bestimmt, nun kehrt langsam aber sicher ein Stück Normalität in unser Leben ein. Mit unserem Newsletter „Stadt mit K“ wollen wir mit Ihnen gemeinsam aus der Krise gehen. Mit Ausgeh-Tipps, Verlosungen und natürlich dem Überblick über die aktuelle Nachrichtenlage in Köln – in nicht mal fünf Minuten Lesezeit. Bis 7 Uhr liefern wir Ihnen von Montag bis Freitag alle Infos für den Tag und erzählen Ihnen außerdem, was in Köln wichtig ist und was über den Tag wichtig wird. Als Newsletter-Abonnent erhalten Sie außerdem regelmäßig exklusive Infos und Geschichten. Alles komplett kostenlos und mit nur einem Link bestellbar. Hier geht's zur Anmeldung.

Selbstverständlich gibt es eine wirksame Maßnahme, die Dummheit von den Straßen und Plätzen wieder verschwinden zu lassen. Wir haben sie während des Shutdowns wochenlang erlebt. So schön es für manche gewesen sein mag, ein Familienleben geschenkt zu bekommen, das im harten Alltag dieser streng ökonomisierten Welt für die meisten unrealistisch ist, so sehr liegt es auf der Hand, dass der Kampf gegen das Virus so nicht gewonnen werden kann. Das Virus wartet einfach, bis wir wieder herauskommen, ganz gleich, ob wir einen Monat zuhause waren oder fünf. Wir werden uns ihm, wie es gerade geschieht, vorsichtig stellen müssen und schauen, was passiert.

Das ist ein Leben ohne Garantien, Gewissheiten und Gebrauchsanweisungen. Viele Dinge, die unser altes Leben ausgemacht haben, sind immer noch unmöglich; und andere, die unser Leben jetzt ausmachen, werden permanent in Frage gestellt. Jedem Einzelnen ist bewusst gemacht worden, welche Verantwortung er trägt. Er kann durch das Auslösen einer Infektionskette mit Schuld daran sein, dass es schief geht.

Anstrengendes Leben

Das ist alles sehr viel auf einmal. Dieses Leben ist anstrengend und bedrohlich, es erfordert mehr Kraft von uns als alles, was wir zuvor da draußen kennengelernt hatten. Es bringt uns einerseits auf komische Gedanken und macht uns andererseits empfindsamer für die komischen Gedanken anderer.

Und hier sehe ich schon die Erklärung. Es ist offensichtlich für manche Menschen leichter, sich in eine Welt zu flüchten, die es nicht gibt, als diese auszuhalten, in der wir jetzt leben müssen. Wir können das Dummheit nennen. Aber so lange dadurch kein Gesetz verletzt wird, ist sie ein Grundrecht.