Chaos bei den Republikanern: Ohne konstruktive Politik sind die USA nur noch bedingt handlungsfähig.
Kommentar zu McCarthyRechsextreme zetteln eine Revolte gegen eigenen Frontmann an
Sie waren vollmundig angetreten, um den viel gescholtenen „Washingtoner Sumpf“ trockenzulegen und die angeblich verhängnisvollen Weichenstellungen von Joe Biden zu korrigieren. Doch was die US-Republikaner mit ihrer neugewonnenen Macht im Repräsentantenhaus abliefern, ist mit Chaos nur unzureichend beschrieben: Es ist die Bankrotterklärung einer rechten Populistentruppe, die vor laufenden Kameras ihre Politikunfähigkeit demonstriert.
Man muss 100 Jahre in der amerikanischen Geschichte zurückgehen, um auf ein vergleichbares Debakel zu stoßen: Einer bei den Kongresswahlen siegreichen Partei gelingt es trotz absoluter Mehrheit am ersten Sitzungstag nicht, einen Sprecher des Repräsentantenhauses zu bestimmen und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments herzustellen. Sechs zähe Stunden lang versuchte Fraktionschef Kevin McCarthy in drei Wahlgängen seine Ernennung durchzupeitschen. Doch die Zahl der Gegenstimmen aus den eigenen Reihen nahm nicht etwa ab, sondern zu: Von den 212 republikanischen Abgeordneten rebellieren 20 offen gegen ihren Frontmann.
Neuer Sprecher wird Marionette des rechtsradikalen Flügels sein
Mit weiteren fragwürdigen inhaltlichen und personellen Zugeständnissen wird nun in irgendwelchen Hinterzimmern fieberhaft nach einem Ausweg gesucht. Am Ende wird irgendwann wohl ein republikanischer Sprecher oder eine Sprecherin gewählt werden, denn mit den Demokraten stimmen will niemand in der Trump-Partei. Ob diese Person dann McCarthy oder anders heißt, ist nun völlig offen - aber letztlich auch egal. Schon heute ist klar: Sie wird eine Marionette des rechtsradikalen Flügels der Partei sein.
Die extremsten Hardliner im Trump-Lager nämlich haben diesen Aufstand angezettelt. Er richtet sich nicht etwa gegen einen Moderaten, sondern gegen einen opportunistischen Karrieristen, der sich dem Ex-Präsidenten unterwürfigst angedient hat. Bis heute hat McCarthy weder den Putschversuch vom 6. Januar verurteilt, noch die Lüge von der gefälschten Wahl zurückgewiesen.
Doch das reicht Extremisten wie Lauren Boebert, die mit einem Sturmgewehr vor dem Weihnachtsbaum posiert, oder Matt Gaetz, der sich über vergewaltigte Frauen lustig macht und mit Neo-Nazis kooperiert, nicht. Sie wollen einen Führer, der so fanatisch ist wie sie und demokratische Institutionen und Regeln mindestens so sehr verachtet.
Extremistischen Hardliner haben Republikaner rekapert
Das lässt für die zweijährige Amtszeit dieses Kongresses das Schlimmste befürchten. An konstruktiver Ausschussarbeit, Gesetzesinitiativen oder realen Reformen sind diese Republikaner nicht interessiert. Ihnen geht es alleine um einen destruktiven Kulturkampf, der die Basis immer weiter aufwiegelt. Dank der Demokraten-Mehrheit im Senat sind die realen Veränderungsmöglichkeiten der Chaos-Truppe begrenzt. Umso mehr werden sie auf demagogische Kampagnen und politisches Schmierentheater setzen.
Für die USA, die in diesem Jahr wichtige politische Entscheidungen von der Anhebung des Schuldendeckels, ohne die ein desaströser Zahlungsausfall und eine Weltfinanzkrise drohen, bis zu möglichen weiteren Ukrainehilfen treffen muss, sind das beunruhigende Aussichten. Vernichtend aber ist der Befund für die republikanische Partei, die glaubte, ihre Basis mit ein bisschen Trumpismus bei Laune halten zu können. Tatsächlich wurden moderate Figuren wie Liz Cheney und Adam Kinzinger aus ihrem Kosmos komplett verbannt. Die extremistischen Hardliner aber haben die einstige „Grand Old Party“ eiskalt gekapert.