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Kommentar zur FlüchtlingsdebatteDer Bürger ist kein dummes Kind

Lesezeit 3 Minuten
Festnahme in Karlsruhe

Beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Baden-Württemberg) wird ein Terrorverdächtiger dem Ermittlungsrichter am BGH vorgeführt.

  1. Die Festnahme terrorverdächtiger Asylbewerber befeuert die Debatte um die Flüchtlingspolitik.

Die Mitglieder der Terrororganisation IS kamen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, im November 2015, nach Deutschland. Sie sind Syrer, sie sind jung, sie sind Flüchtlinge, sie lebten unabhängig voneinander in drei Asylbewerberunterkünften. Man kann sich darüber mokieren, wie reflexhaft Innenminister und Generalbundesanwaltschaft betonen, man dürfe jetzt nicht alle Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen. Als ob das so wäre.

Einen solchen pauschalen Verdacht hat auch nach der Kölner Silvesternacht kaum jemand geäußert. Jetzt, während der Terror immer stärker in unser Bewusstsein rückt, ist das Vokabular ebenfalls erstaunlich gemäßigt. Sicher nicht bei denen, die für ihre Parolen keine Fakten brauchen. Aber bei der überwiegenden Mehrheit der Menschen ganz gewiss.

Gut acht Monate liegen zwischen der Silvesternacht und den jüngsten Festnahmen. Der Umgang mit dieser norddeutschen IS-Schläferzelle – Terroristen also, die im Anschlagsfall „geweckt“ werden – zeigt, um wie viel nüchterner das Klima geworden ist. Das beizubehalten und dieses Thema nicht Leuten wie Frauke Petry zu überlassen, muss Ziel aller Politik bleiben.

Situation mit Klarheit begegnen

Es gilt, diesem gewaltigen Zustrom an Menschen mit der nüchternen Klarheit zu begegnen, die eine solche Ausnahmesituation erforderlich macht. Das mindert den humanitären Impuls der vielen Millionen von Helfern nicht, der unseren Respekt verdient. Aber diese Klarheit ist notwendig, um auch Gefahren zu erkennen.

Als an deutschen Grenzen Ausnahmezustand herrschte und Menschen unkontrolliert ins Land kamen, waren auch Verbrecher und Terroristen darunter. Je mehr wir um die Umstände wissen, umso klarer die Fakten auf den Tisch gelegt werden und allenfalls aus ermittlungstaktischen Gründen Informationen zeitweise zurückgehalten werden – desto weniger kann der Eindruck entstehen, Behörden, Institutionen und Medien vertuschten etwas.

Doch hat man auch heute noch viel zu oft den Eindruck, all die öffentlichen Ermahnungen, Parolen und Aufforderungen richteten sich an ein großes, dummes Kind – den Bürger, dem man ständig sagen müsse, wie er dies zu sehen habe und was er auf keinen Fall denken dürfe. Die Klarheit in der Ansprache ist indes auch zentral für jeden Impuls zur Hilfe. Ärzte, die beim Anblick eines Kranken vor lauter Mitgefühl in Tränen ausbrechen, meidet man zu Recht. Den Wunsch zu helfen muss stets professionelle Distanz begleiten.

Es sind Erklärungen nötig

Schwer wird es immer dann, wenn man Themen aus der öffentlichen Debatte ausklammert und sie denjenigen mit den einfachen Lösungen überlässt. Natürlich muss man nicht darüber streiten, dass das Grundrecht auf Asyl nicht stumpf an eine Zahl gekoppelt sein kann. Wer diese Tatsache den Bürgern aber gleichsam achselzuckend präsentiert, darf sich nicht wundern, wenn diese damit wenig anfangen können.

Denn das ist die Haltung aus einem juristischen Universitätsseminar, und sie hat mit dem Pragmatismus, den diese Gesellschaft täglich von uns einfordert, nichts zu tun. Um welchen Preis gilt denn dann dieses Grundrecht? Um den der Selbstaufgabe eben dieser Gesellschaft, die es garantiert? Was ist, wenn sie dadurch überfordert ist – mental, ideell oder materiell?

Hier sind Erklärungen nötig. Es ist Unfug, ein Grundrecht an eine willkürlich gegriffene Zahl von 200 000 Flüchtlingen im Jahr zu koppeln. Genauso falsch ist es, so zu tun, als bestünden Rechte fernab jeder Wirklichkeit. Viele Menschen haben nur ein Problem mit der Politik: Sie fürchten, dass die Mehrzahl der politischen Akteure sich weit von ihrem Alltag entfernt hat und sie sich ihnen in ihren Fragen und Nöten nicht mitteilen können. Manche Stimme für die AfD ist eher der wütende Ruf nach Gehör als Zustimmung in der Sache.