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Kommentar

Kommentar zur Parlamentswahl in Polen
Endlich wieder eine richtig gute Nachricht für die EU

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Lesezeit 3 Minuten
Donald Tusk, ehemaliger polnischer Ministerpräsident und Oppositionsführer, spricht zu Anhängern in der Parteizentrale seiner Partei. Nach der Parlamentswahl in Polen bleiben die Nationalkonservativen laut Prognosen stärkste politische Kraft - jedoch könnten drei Oppositionsparteien die neue Regierung bilden.

Donald Tusk, ehemaliger polnischer Ministerpräsident und Oppositionsführer, könnt mit zwei weiteren Parteien womöglich eine neue Regierung bilden.

Donald Tusk und sein buntes Machtwechselbündnis können die Nationalkonservativen in Polen vermutlich ablösen.

Das Ergebnis der polnischen Parlamentswahl ist eine gute Nachricht für Polen. Es ist eine noch weit bessere für die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland und nicht zuletzt auch für die Europäische Union. Obwohl die seit acht Jahren regierende nationalkonservative PiS-Partei von Jaroslaw Kaczynski vorn liegt, ist es unwahrscheinlich, dass sie an der Macht bleibt. Oppositionsführer und Ex-Premier Donald Tusk jubelt bereits über seinen zweiten Platz. Zusammen mit zwei Partner-Bündnissen kann er höchstwahrscheinlich eine Dreierkoalition schmieden und an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren.

Mit der Lebensrealität der Jungen hat der alte Streit nichts mehr zu tun

Ob aus diesem bunten Bündnis linker, liberaler und konservativer Kräfte eine stabile Regierung entsteht, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. In kontroversen Fragen wie Abtreibung und Atomkraft liegen die möglichen Koalitionäre meilenweit auseinander. Das Berliner Ampelbündnis könnte schon bald wie ein Hort der Stabilität wirken gegen solch eine Post-PiS-Regierung.

Zwar konnte die PiS wahrscheinlich zum dritten Mal in Folge als stimmenstärkste Partei durchs Ziel gehen. Ihre Basis ist stabil, vor allem auf dem Land und bei den Älteren. Doch das war es dann auch schon. Kaczynskis Mannen haben den Staat nach ihrem Willen umgebaut, einen großen Teil der Medien und die staatsnahen Betriebe zu Befehlsempfängern der Regierung gemacht und im Wahlkampf auf altbekannte Art Vorurteile geschürt. Genützt hat es ihnen am Ende nichts.

Denn vor allem die jungen Polinnen und Polen haben die Nase voll von den alten antideutschen und antieuropäischen Vorurteilen. Mit ihrer Lebensrealität hat das alles nichts mehr zu tun. Polen hat in den vergangenen 20 Jahren ein Wirtschaftswunder hingelegt. Die neue Mittelschicht sieht sich selbstverständlich als Europäer und wünscht sich ein Ende der alten Spaltungen in der Innenpolitik.

Polen ist eben nicht Ungarn

Dass nun mit dem 66-jährigen Tusk ein Vertreter dieser alten Politikgeneration zurück an die Macht kommen dürfte, ist für den Übergang vielleicht von Vorteil – wenn er mit all seiner Erfahrung geschickt agiert. Es ist viel zerstört worden an den Fundamenten des Rechtsstaats und der Demokratie. Die Beziehungen zu Berlin und Brüssel haben arg gelitten. Hier muss schnellstmöglich Vertrauen wiederhergestellt werden. Polen ist als Frontstaat der EU und Nato zur Ukraine zu wichtig, um sich eine langwierige Regierungsbildung und Instabilität leisten zu können.

Die wichtigste Nachricht dieses Abends aber ist: Die Polinnen und Polen haben sich selbst die Demokratie zurückgeholt. Jahrelang sind viele von ihnen auf die Straßen gegangen, für Frauenrechte und gegen die Beschneidung der unabhängigen Justiz. Immer wieder war die PiS siegreich. Doch Polen ist eben nicht Ungarn, sondern ein vielfältiges, modernes Land mitten in Europa. Dieser Wahlabend hat das allen gezeigt.