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KremlpropagandasenderDas Ende von RT Deutschland? Was die EU-Sanktionen für russische Staatsmedien bedeuten

Lesezeit 7 Minuten
Das Logo des staatlichen russischen TV-Senders Russia Today (RT)

Russland, Moskau: Das Logo des staatlichen russischen TV-Senders Russia Today (RT) ist im Fenster des Firmenbüros zu sehen.

Der deutsche Ableger des russischen Staatssenders RT hat bekannt gegeben, dass die deutsche Firma seine journalistische Arbeit einstellt.

Die deutsche Firma hinter dem hiesigen Ableger des russischen Staatssenders RT (vormals: Russia Today) hat bekannt gegeben, ihre journalistische Tätigkeit zu beenden. Das Ende des Kremlmediums RT DE bedeutet das jedoch nicht. „RT DE Productions gibt mit Bedauern die Entscheidung bekannt, die journalistischen Aktivitäten des Unternehmens in Deutschland einzustellen“, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Statement auf der Website von RT DE.

Als in Deutschland ansässige Produktionsfirma sei die RT DE Productions GmbH „einem immensen Druck von Regierungen, Medien, Unternehmen und anderen ausgesetzt“. Mit dem im Dezember 2022 in Kraft getretenen neunten EU-Sanktionspaket gegen Russland sei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens „praktisch die Luft ab(ge)dreht“ worden.

Das sind die Hintergründe

In den vergangenen Wochen war bekannt geworden, dass der französische Ableger des Kremlsenders RT offenbar vor dem Aus steht. Schon seit März 2022 gilt in der gesamten EU ein Sendeverbot für RT und Sputnik, ein weiteres russisches Staatsmedium. Doch das Wirtschafts- und Finanzministerium in Paris ließ im Januar auch noch das Konto von RT France einfrieren. Die Chefin des Senders kündigte daraufhin an, dass die Arbeit eingestellt werden müsse. Dadurch drohten mehr als 120 Menschen in Frankreich arbeitslos zu werden.

Das Konto sei nicht auf Initiative des französischen Staates eingefroren worden, teilte das zuständige Ministerium der Nachrichtenagentur AFP mit, sondern in Anwendung der jüngsten EU-Sanktionen gegen Russland.

Der folgenreiche Schritt gegen RT France warf auch Fragen für zwei russische Staatsmedien in Deutschland auf: Denn die in Berlin ansässige staatliche russische Medienagentur Ruptly und die RT DE Productions GmbH sind Tochterunternehmen desselben sanktionierten Staatsmedienunternehmens wie RT France, der „Autonomen Non-Profit-Organisation“ (ANO) TV-Novosti.

Warum Frankreich das Konto von RT France eingefroren hat

TV-Novosti und sein Generaldirektor Alexei Nikolow wurden im Dezember im Rahmen des neunten Sanktionspakets neu auf die Russland-Sanktionsliste der EU aufgenommen. Nach Ansicht der EU-Kommission und der Mitgliedsstaaten hat TV-Novosti durch RT und andere dem Staatsunternehmen untergeordnete Medien Propaganda und Desinformation im Sinne des Kremls verbreitet und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt.

Seit der Veröffentlichung der entsprechenden Verordnung im Amtsblatt der EU am 16. Dezember gelten alle Vermögenswerte von TV-Novosti in der Europäischen Union rechtlich als eingefroren. In der Praxis müssen die Mitgliedsstaaten dazu jedoch im Einzelfall tätig werden und das Einfrieren von Bankkonten veranlassen.

Das hat das französische Wirtschafts- und Finanzministerium etwa einen Monat nach dem Inkrafttreten der neuen Sanktionen getan. In Deutschland wurden solche Schritte bislang jedoch nicht eingeleitet. Dabei gelten hierzulande eigentlich dieselben Regeln wie in Frankreich. „Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“ heißt es dazu im EU-Amtsblatt.

Deutsche Behörden schätzen die rechtliche Lage offenbar anders ein

Dennoch herrscht im Bundesfinanzministerium und bei den deutschen Behörden offenbar eine andere rechtliche Einschätzung vor als in Frankreich.

Zwar gebe es für bestimmte russische TV-Sender EU-weite Sendeverbote, teilte das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) mit. Eine Listung dieser Sender, die zu einem Einfrieren der Vermögenswerte führen könnte, habe die EU bislang jedoch nicht beschlossen. „Durch das neunte EU-Sanktionspaket wurden inzwischen auch russische Medienorganisationen, die in Verbindung zur russischen Staatsführung gebracht werden, gelistet. Welche Auswirkungen dies möglicherweise auf zugehörige TV-Sender in einzelnen EU-Mitgliedstaaten hat, hat jeder EU-Mitgliedsstaat in eigener Verantwortung zu überprüfen“, sagte ein Ministeriumssprecher weiter. „Die mit der Sanktionsdurchsetzung befassten Stellen in Deutschland werten auch die Neulistungen im Rahmen der Sanktionspakete aus“, erklärte er.

Die deutschen Tochterfirmen

Bei den beiden deutschen Unternehmen, die von den im Dezember beschlossenen Sanktionen betroffen sein könnten, handelt es sich um die Ruptly GmbH und die RT DE Productions GmbH in Berlin. Ruptly ist ein direktes Tochterunternehmen des sanktionierten Staatsmedienunternehmens TV-Novosti. TV-Novosti ist die hundertprozentige Gesellschafterin der GmbH. Aus Unterlagen im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg geht hervor, dass die Ruptly-Geschäftsführerin Dinara Toktosunova als solche „nicht für sich selbst im eigenen Namen, sondern als bevollmächtigte Vertreterin der TV-Novosti mit Sitz in Moskau“ handelt. Die RT DE Productions GmbH ist wiederum eine hundertprozentige Tochterfirma von Ruptly und wird ebenfalls von Dinara Toktosunova als Geschäftsführerin geleitet.

Obwohl es sich bei beiden Firmen um Tochterunternehmen von TV-Novosti handelt, ist ihr Vermögen nach EU-Recht nicht automatisch eingefroren. „Die EU-Verordnung sieht vor, dass Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden, die im Eigentum oder Besitz von sanktionierten Entitäten stehen oder von ihnen kontrolliert werden“, sagte Kilian Wegner dem RND. Wegner ist Sanktionsexperte und Juniorprofessor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

Komplizierte Rechtslage

„Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von RT DE und Ruptly sind daher nur dann eingefroren, wenn sie im Eigentum oder im Besitz von TV-Novosti stehen oder von TV-Novosti kontrolliert werden“, erklärte Wegner. Vereinfacht gesagt: Nur wenn das sanktionierte Mutterunternehmen Kontrolle über die Gelder seiner Tochterunternehmen hat, seien diese auch eingefroren. Ob eine solche Kontrolle besteht, lasse sich von außen nicht abschließend beurteilen.

In einem FAQ der Bundesbank zur Bedeutung der EU-Sanktionen heißt es, der bloße Umstand, dass die gelistete Person oder Organisation über ihre Eigentümerstellung Einfluss auf die Leitung des nicht gelisteten Unternehmens nehmen könne, genüge nicht, „um unterstellen zu können, dass alle seine Vermögenswerte kontrolliert werden (und eingefroren sind)“.

Der ebenfalls auf Sanktionsrecht spezialisierte Rechtsanwalt und Juraprofessor Viktor Winkler erklärte auf RND-Anfrage, das Eigentum der Gesellschaften, an denen TV-Novosti Anteil hält, sei nur dann automatisch eingefroren, wenn TV-Novosti direkter Eigentümer dieser Assets sei. „Ist ANO TV-Novosti dies nicht, so sind diese Assets nur dann eingefroren, wenn ANO TV-Novosti wie ein Eigentümer über diese Assets verfügen kann“, sagte Winkler. Das sei unter anderem eine Frage der gesellschaftsrechtlichen, internen Governance. „Bei einer hundertprozentigen Beteiligung ist davon auszugehen, dass eine solche Kontrolle vorliegt, dies kann aber entkräftet werden, auch wenn dies in der Praxis regelmäßig nicht gelingt“, so Winkler.

Diese Einschätzung wird auch in Brüssel geteilt. „Wenn ein gelistetes Unternehmen ein anderes Unternehmen besitzt oder kontrolliert, kann nach Ansicht der EU-Kommission davon ausgegangen werden, dass die Vermögenswerte des Unternehmens von dem gelisteten Unternehmen kontrolliert werden“, sagte ein mit dem Sanktionsregime vertrauter EU-Beamter dem RND.

„Die Finanzsanktionen sollen das System schwächen, das diesen verbrecherischen Krieg betreibt und unterstützt“, sagte der CDU-Bundestagabgeordnete und Finanzpolitiker Matthias Hauer dem RND. „Dazu gehört auch, dass die Sanktionen ihre Wirkung auf die Maschinerie russischer Staatsmedien in Europa entfalten, die kein anderes Ziel verfolgt als gezielt Falschinformationen zu verbreiten.“ Die Bundesregierung müsse endlich dafür sorgen, „dass die Finanzsanktionen die maßgeblichen Unterstützer des Krieges empfindlich treffen.“

Sowohl Ruptly als auch die RT DE Productions GmbH haben ihre Geschäftskonten nach RND-Informationen bei der Volksbank Pirna in Sachsen. Eine RND-Anfrage, ob die Geschäftsbeziehungen zu den beiden Unternehmen in Hinsicht auf das neunte Sanktionspaket überprüft wurden und ob ausgeschlossen werden könne, dass die Konten gegen EU-Sanktionen verstoßen, ließ die Bank unbeantwortet.

RT DE stellt seine Arbeit nicht wirklich ein

Das Statement der RT DE Productions GmbH nennt keine konkreten Maßnahmen, die eine Einstellung der Arbeit in Deutschland notwendig gemacht hätten. Es weckt vielmehr den Verdacht, dass es sich um einen proaktiven Schritt handelt, um möglichen Maßnahmen durch deutsche Behörden zuvorzukommen. Ob der Schritt sichtbare Auswirkungen auf den Veröffentlichungs- und Sendebetrieb im Internet haben wird, der trotz des seit elf Monaten bestehenden EU-weiten Sendeverbots weitergeht, blieb zunächst unklar. Der Sender kündigte aber an: Der Betrieb sowohl des Internet-Fernsehprogramms als auch der Website soll weitergehen.

Das Angebot wird schon seit Längerem offiziell aus Moskau betrieben. Während die RT DE Productions GmbH ursprünglich für die veröffentlichten Inhalte verantwortlich zeichnete, wird im Impressum der Website bereits seit Juni 2021 die russische Mutterfirma TV-Novosti als Verantwortliche angegeben. Auch das Online-Fernsehprogramm wird maßgeblich aus Russland und nicht aus dem RT-DE-Studio im Berliner Stadtteil Adlershof produziert.

Was wird aus Ruptly?

Offen bleibt nun die Zukunft der staatlichen Medienagentur Ruptly. Anders als das vom Sendeverbot betroffene RT ist Ruptly bisher von keinen direkten EU-Sanktionen betroffen. Sollten die Vermögenswerte der TV-Novosti-Tochter nun jedoch im Zuge des neunten Sanktionspakets eingefroren werden, könnte das weitreichende Auswirkungen haben. Ruptly hat zwar seinen Hauptsitz in Deutschland, ist jedoch weltweit aktiv und beliefert zahlreiche internationale Medienkunden mit Videomaterial und Livestreams. Das Unternehmen hat erst Ende des vergangenen Jahres neue Redaktionsräume im Schultheiss-Quartier in Berlin-Moabit bezogen und hat aktuell mehrere offene Stellen in Berlin ausgeschrieben.