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Kommentar zur Wahl in ThüringenDie AfD muss auf der Sachebene gestellt werden

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Björn Höcke, Spitzenkandidat der AfD Thüringen und Parteichef des Thüringer Landesverbandes, vor einer TV-Pressekonferenz zum Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen.

Köln – Bodo Ramelow ist Deutschlands erster linker Ministerpräsident. Zu seinem Amtsantritt vor fünf Jahren gab es Proteste, zuletzt aber bekam er sogar von CDU-Politikern Applaus. Als klarer Sieger der Thüringen-Wahl hat Ramelow nun erneut den Auftrag, eine Regierung zu bilden – die Frage ist nur, mit welchen Partnern das gelingen soll. Für die Fortsetzung von Rot-Rot-Grün reicht es nicht. Aber auch das von der CDU angestrebte „Simbabwe“-Gegenbündnis mit SPD, Grünen und FDP wird es nicht geben.

Thüringen wird erneut zum Labor für neue politische Konstellationen. Dies ist das erste Signal des Wahlabends. Eine Minderheitsregierung unter Ramelows Führung dürfte wahrscheinlich sein. Dass Linke und CDU aus purer Verzweiflung Koalitionsgespräche aufnehmen, um die starke AfD auszugrenzen, bleibt ausgeschlossen.

Das zweite Signal lautet: Die Menschen in Thüringen sind auf ihrer Suche nach Orientierung völlig konträren Politikansätzen gefolgt. Vermeintlichen Halt suchten sie leider auch bei jenen, die das demokratische System für heruntergewirtschaftet, degeneriert und überflüssig halten. Die AfD hat ihren Wähleranteil mehr als verdoppelt. Björn Höcke, der politische Kopf des rechtsnationalen Flügels der Partei, nimmt diesen Erfolg als Bestätigung für seinen Anspruch, künftig auch bundespolitisch eine wichtigere Rolle in seiner Partei zu spielen.

Wie umgehen mit der AfD?

Umso drängender stellt sich nach der Thüringen-Wahl die Frage: Wie umgehen mit der AfD? CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat Höcke im Wahlkampf öffentlich einen „Nazi“ genannt und damit für Furore gesorgt.

Die scharfe Abgrenzung war in diesem Fall richtig. Denn welche Bezeichnung trifft auf jemanden zu, der wie Höcke einen „Volkstod durch Bevölkerungsaustausch“ beschwört und eine Säuberung Deutschlands von „kulturfremden“ Menschen fordert? Der, um dieses Ziel zu erreichen, von einer Politik der „wohltemperierten Grausamkeiten“ spricht?

Es ist ebenso richtig, dass die demokratischen Parteien klar auf Distanz zur AfD gehen und sie nicht mit einer Zusammenarbeit aufwerten. In einen Wettbewerb der Empörungsrituale darf diese Haltung jedoch nicht führen. Die AfD muss auf der Sachebene gestellt werden und nach ihren Konzepten – die sie in vielen Politikfeldern nicht hat – gefragt werden.

Mit zunehmender Routine setzen rechtsextreme Politiker auf Ressentiments und hasserfüllte Rhetorik. Höckes Sprache offenbart seine Gefährlichkeit. Er und gleichgesinnte Rechtsnationale beförderten zuletzt aber auch ganz gezielt ihre Inszenierung als Opfer des politischen Mainstreams, die eine perfide „Wir gegen den Rest“-Strategie der AfD erst möglich macht.

Deswegen sollte im Umgang mit der AfD in Thüringen und anderswo in der Regel gelten: Weniger reflexhafte Vergleiche, stattdessen Konfrontation und Abgrenzung in der Sache. Die anderen Parteien sollten der AfD nicht den Gefallen tun, sich als Opfer darstellen zu können.