Um Lieferengpässe von Medikamenten zu verhindern, will Gesundheitsminister Karl Lauterbach der Pharmaindustrie höhere Gewinne ermöglichen.
LieferengpässeLauterbach will Pharmaindustrie höhere Gewinne ermöglichen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will der Pharmaindustrie höhere Gewinne ermöglichen in der Hoffnung, künftig Lieferengpässe insbesondere bei Medikamenten für Kinder zu verhindern. Ziel sei es, Lieferketten und Versorgungssicherheit zu stärken, heißt es in einem am Dienstag, 20. Dezember, veröffentlichten Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums.
Die Globalisierung und der starke Kostendruck bei Nachahmerprodukten (Generika) hätten bei einer Vielzahl von Wirkstoffen und Arzneimitteln bereits zu einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten überwiegend in China und Indien geführt, wird in dem Papier argumentiert. Dies berge das Risiko von Lieferkettenunterbrechungen und strategischen Abhängigkeiten. Hier müsse gegengesteuert werden, mahnte das Lauterbach-Ministerium.
Karl Lauterbach will Lieferengpässe von Medikamenten verhindern
Im Einzelnen plant Lauterbach, dass bei Generika-Medikamenten, die für die Versorgung von Kindern essenziell sind, die bisher üblichen Methoden zur Kostensenkung nicht mehr angewendet werden dürfen. Danach darf es keine Preisobergrenze (Festbetrag) mehr geben. Erlaubt wird zunächst eine Preisanhebung um bis zu 50 Prozent.
Zudem wird den gesetzlichen Krankenkassen untersagt, für diese Medikamente Rabattverträge abzuschließen. Bei derartigen Verträgen schreiben die Kassen die Versorgung ihrer Versicherten mit bestimmten Generika aus, um noch günstigere Preise zu erreichen. Die Rabattverträge werden mit dafür verantwortlich gemacht, dass in der Branche ein erheblicher Preisdruck herrscht.
Die Liste der essenziellen Medikamente soll vom Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) erarbeitet werden. Zusätzlich sollen die gesetzlichen Kassen für Kinder die Mehrkosten übernehmen, wenn ein verordnetes Medikament preislich über dem Festbetrag liegt. Normalerweise müssen die Versicherten die Differenz selbst tragen.
Krankenkassen sollen keine Rabattverträge abschließen können
Weitere Änderungen soll es dem Eckpunktepapier zufolge bei den Rabattverträgen für Medikamente im Bereich der Onkologie und für Antibiotika geben. So sollen stets mindestens zwei Hersteller zum Zuge kommen: Neben dem günstigsten Anbieter zum Beispiel aus dem nicht-europäischen Ausland soll immer auch der preiswerteste Hersteller mit einer Wirkstoffproduktion in der EU berücksichtigt werden. Die Höhe der Mehrkosten durch die Maßnahmen nannte das Ministerium nicht.
Die Vorhaben stießen auf ein höchst unterschiedliches Echo. Der Spitzenverband der Krankenkassen sprach von einem „beeindruckenden Weihnachtsgeschenk“ für die Pharmaindustrie. „Wir warnen vor der Annahme, dass internationale Pharmakonzerne ihre globalen Produktionsstandorte alleine deshalb ändern, weil gesetzlich Krankenversicherte künftig über ihre Krankenkassenbeiträge höhere Medikamentenpreise in Deutschland bezahlen müssen“, sagte Verbandschefin Doris Pfeiffer.
Lauterbachs Maßnahmen kommen unterschiedlich an
Sie lobte lediglich die neuen Ausschreibungsbedingungen für Rabattverträge. Darauf hätten die Kassen schon seit langem gedrängt, betonte sie. Erkennbar zurückhaltend regierten die Grünen. Gesundheitsexpertin Paula Piechotta erklärte, nötig seien Anreize für belastbarere, diversifiziertere Lieferketten, aber auch eine viel größere Verbindlichkeit der Hersteller bei der Einhaltung von Lieferverpflichtungen. Das Eckpunktepapier sei dafür eine „erste Grundlage“, sagte sie.
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte zeigte sich vorsichtig: Bundesprecher Jacob Maske sagte dem RND, die Aufhebung der Rabattverträge sei sinnvoll, um die Produktion auch innerhalb Europas attraktiver zu machen „Ob wir in Zukunft dadurch frühzeitig Lieferengpässe erkennen, bleibt abzuwarten.“, fügte aber hinzu.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) begrüßte die Planungen von Lauterbach, forderte aber zugleich kurzfristige Bemühungen, um die Versorgung über die Weihnachtstage zu verbessern. Ungeteilte Zustimmung kam lediglich vom Industrieverband Pro Generika. „Das Bundesgesundheitsministerium hat endlich erkannt, dass das Hauptsache-Billig-Prinzip bei Generika die Versorgung destabilisiert hat und zu Engpässen führt“, erklärte Geschäftsführer Bork Bretthauer.