Nach dem „Aufstand für den Frieden“, den auch Rechtsextremisten besuchten, droht der Streit innerhalb der Linken zu eskalieren.
„Unfassbare Relativierung des Faschismus“Linken-Spitze streitet nach Wagenknechts „Querfront“-Kundgebung
Bei den Linken verschärft sich der offene Streit um Sahra Wagenknecht und die Kundgebung der Linken-Politikerin, die sie zusammen mit der Publizistin Alice Schwarzer am Samstag in Berlin abgehalten hat. Die Vize-Parteivorsitzende der Linken, Katina Schubert, hat den Auftritt von Wagenknecht bei der Kundgebung „Aufstand für den Frieden“ nun scharf kritisiert.
„Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt: Wer einen Aufruf startet, der querfronttauglich ist, erntet Querfront“, sagte Schubert der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagsausgabe). Bei der Demonstration vor dem Brandenburger Tor waren auch zahlreiche Teilnehmer aus dem rechten und rechtsextremen Milieu anwesend. Schubert, die auch Landesvorsitzende der Linken in Berlin ist, kritisierte Wagenknecht aber auch für die mangelnde Solidarität mit der Ukraine und die Verharmlosung des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Scharfe Kritik an Sahra Wagenknecht: „Gleichsetzungen von Baerbock mit Hitler wurden nicht zurückgewiesen“
„Die Täter-Opfer-Umkehr zog sich durch die Reden, soweit ich sie verfolgt habe“, sagte Schubert. Wagenknecht hatte bei ihrer Rede am Samstag für den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine sowie für die Aufnahme von Friedensverhandlungen mit Russland geworben. Sie kritisierte die Nato, die USA sowie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne): „Von all den grünen Panzernarren fühlen wir uns nicht vertreten.“
Parteivize Schubert sagte: „Gleichsetzungen von Baerbock mit Hitler, wie sie unter den Teilnehmenden zu sehen waren, wurden nicht von der Bühne zurückgewiesen. In meinen Augen eine unfassbare Relativierung des Faschismus.“ Diese Demonstration habe nichts mit linker Politik, gar mit linker Friedenspolitik zu tun gehabt.
Wagenknecht-Kundgebung in Berlin: „Es gibt an dieser Querfront nichts schön zu reden“
Auch Jan Köstering, Mitglied im Landesvorstand der NRW-Linken, äußerte auf Twitter scharfe Kritik an der Kundgebung und der Teilnahme von Parteikolleginnen. „Es gibt an dieser organisierten Querfront nichts schön zu reden“, schrieb Köstering. „Wer Seite an Seite mit Rechtsextremisten, Antisemiten und Holocaust-Leugnern demonstriert, hat nicht in der Linken zu suchen.“
Tatsächlich waren prominente Rechtsextreme wie der Publizist Jürgen Elsässer oder der Holocaust-Leugner Nicolai Nerling bei der Kundgebung gesichtet worden. Auch Politiker der AfD zeigten sich rund um die Veranstaltung in Berlin.
Linken-Fraktionsvorsitzende hält Wagenknecht-Kundgebung für „wichtiges Zeichen“
Amira Mohamed Ali, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, sprach dagegen von einer „friedlichen Demonstration mit überwältigender Teilnehmerzahl“. Sie sei „ein wichtiges Zeichen“ gewesen, „dass sehr viele Menschen wollen, dass wir aus der Kriegs- und Aufrüstungslogik ausbrechen und es stattdessen konsequente diplomatische Initiativen braucht“, sagte Mohamed Ali der „Süddeutschen“.
Ihre Eindrücke würden sich mit den Angaben der Veranstalter decken, dass „mindestens 50.000 Menschen“ vor Ort waren. Die Berliner Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf 13.000. Mehrere Journalisten, die die Kundgebung in Berlin verfolgt hatten, schlossen sich jedoch eher der Schätzung der Polizei an.
Kritik an der Kundgebung gibt es unterdessen nicht nur innerhalb der Linken: Ebenso wie andere Politiker der Ampel-Koalition hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorab scharfe Kritik an den Forderungen von Schwarzer und Wagenknecht geübt. Sie wollten etwas als Frieden verkaufen, das ein „imperialistischer Diktator“ Europa aufzwinge, sagte der Vizekanzler am Freitagabend in der ARD.
Scharfe Kritik von der Ampel für Sahra Wagenknecht
Wenn sich das durchsetze, wäre das nach seinen Worten eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die nächsten Länder zu überfallen. „Das ist kein Frieden, das ist eine Chimäre, die da aufgebaut wird, das ist eine politische Irreführung der Bevölkerung.“
Zahlreiche weitere prominente Politiker auch von SPD und Linken hatten sich von dem Demo-Aufruf abgegrenzt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten deutlich gemacht, dass sie die Überzeugung im „Manifest für Frieden“ nicht teilten. Im Internet erklärten bis Sonntagmittag hingegen mehr als 670 000 Menschen ihre Zustimmung zum „Manifest“. (mit dpa)