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Missbrauch in der katholischen KircheDringende Aufarbeitung durch das Land gefordert

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Rörig

Johannes-Wilhelm Rörig ist Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung.

Düsseldorf/Berlin – Vor etwa zwei Jahren haben die Katholische Bischofskonferenz und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung eine eigentlich wegweisende Vereinbarung getroffen. Sämtlichen Bistümern in Deutschland sollten von den jeweiligen Landesregierungen Expertinnen und Experten zur Seite gestellt werden, die als unabhängige Kommission die Kirche dabei begleiten, die richtigen Schlüsse aus der Aufarbeitung des massenweisen sexuellen Missbrauchs an Kindern zu ziehen.

Die Fachleute sollen besondere Anforderungsprofile mitbringen, idealerweise über ausreichend Führungserfahrung in den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit oder in der Justiz verfügen und bereit sein, ein Ehrenamt zu bekleiden. Ganz oben auf der Liste gewünschter Bewerber stehen ehemalige Leiter von Jugendämtern, hochrangige Ex-Ministerialbeamte und Richterinnen und Staatsanwältinnen im Ruhestand. „Es sollten Personen mit Reputation sein“, sagt Antonius Hamers, Leiter der Verbindungsstelle zwischen NRW-Landesregierung und der fünf Bistümer im Land.

Keine Stelle in NRW besetzt

Während in Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg die unabhängigen Kommissionen längst ihre Arbeit aufgenommen haben, ist in NRW noch keine einzige Stelle besetzt. Zwei Expertinnen für jedes der fünf Bistümer – Köln, Aachen, Münster, Essen, Paderborn - muss die Landesregierung finden, also zehn insgesamt. Die Suche gestalte sich schwierig, räumt die Staatskanzlei in Düsseldorf ein. Mehrere angefragte Persönlichkeiten hätten Bedenken geäußert, diese Aufgabe zu übernehmen. Man habe eine zweistellige Zahl von Absagen kassiert, nur drei Personen hätten zugesagt. Die Mitarbeit sei „mit dem Blick in abscheuliche menschliche Abgründe verbunden, die sich ausgerechnet im Schutzraum der Kirche über Jahrzehnte hinweg aufgetan haben“, sagte der Chef der Staatskanzlei Nathanael Liminski dieser Zeitung. Man arbeite aber mit Hochdruck daran, die Stellen so bald wie möglich besetzen zu können.

Aber auch allein die Aussicht, mit einer Kirche zusammenarbeiten zu müssen, die in Sachen Missbrauch seit Jahren mehr mit dem Verdacht der Verschleierung als mit dem Willen zur Aufklärung Schlagzeilen macht, scheint keine verlockende zu sein. „Die Aufgabe, die auf die Experten zukommt, ist natürlich nicht einfach, zumal in der aktuellen Situation der katholischen Kirche“, sagte Hamers. „Wenn man benannt ist, steht man auch mit dem Namen in der Öffentlichkeit für die Arbeit ein. Das macht viele zögerlich.“

Rörig mahnt zur Eile

Die Anfrage der Bistümer an das Land erging allerdings erst im März 2021, also fast ein Jahr nach der Vereinbarung des Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig mit der Bischofskonferenz. Die Kritik, man habe zu viel Zeit tatenlos verstreichen lassen, weist Hamers zurück. Es hätten zuerst Gespräche über den Arbeitsmodus stattfinden müssen, darüber, wen man sucht und wie viele genau. „Es ist ja nicht so, dass wir nichts gemacht hätten“, beteuert der Priester. Hinzu komme, dass mit Köln und Aachen erst zwei der fünf Bistümer überhaupt Gutachten über die Missbrauchsskandale vorgelegt hätten. Diese aber seien wichtige Grundlage für die Arbeit der Kommissionen. Münster soll im Juni folgen, im September Essen und erst Anfang 2023 schließlich auch Paderborn. Aus Sicht des Verbindungsleiters Hamers aber besteht dennoch kein Zweifel: Die Bistümer wollten diese Kommissionen unbedingt, auch die Landesregierung bemühe sich nach Kräften.

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Der Missbrauchsbeauftragte Rörig dagegen mahnt zur Eile. „Für den Start der Aufarbeitung in den Diözesen ist es von höchster Dringlichkeit, dass die Expertinnen und Experten benannt werden und die Kommissionen ihre Arbeit endlich aufnehmen können.“ Dass in NRW noch immer keine Fachleute gefunden werden konnten, habe vermutlich mehrere Gründe. „Durch die Kanzlerkandidatur Laschets und den Wechsel an der Spitze der NRW-Landesregierung ist das Thema in der Priorität wohl nach unten gerutscht“, sagte Rörig dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Ganz sicher aber haben auch die Wirrungen um den Kölner Kardinal Woelki und das ganze Bistum eine negative Strahlkraft entfaltet.“ Dennoch sieht er die Schuld in diesem Fall nicht bei den katholischen Institutionen. „Es wäre schade, wenn wegen dieser Verzögerung schlechtes Licht auf die Kirche fällt. Die Bistümer wollen diese unabhängigen Kommissionen wirklich."

„Die Kommissionen arbeiten frei und unabhängig“

Anders als Hamers betont Rörig, dass die Arbeit der Gremien eben nicht davon abhänge, ob die von den Bistümern in Auftrag gegebenen Gutachten bereits erschienen sind oder nicht. „Die Kommissionen arbeiten frei und unabhängig. Sie können bestehende Gutachten nutzen, aber auch weitere Studien in Auftrag geben.“

Eine Lösung in NRW wird Rörig in seiner Funktion jedenfalls nicht mehr erleben. Am kommenden Montag wird der Missbrauchsbeauftragte sein Amt nach fast zehn Jahren niederlegen und als Ministerialdirigent zurückkehren ins Bundesfamilienministerium. Ein Nachfolger wurde noch nicht benannt.