Die Ampel bekommt die fehlenden 60 Milliarden Euro aus dem Klimafonds bereits am Donnerstag stark zu spüren. Auch NRW drohen Probleme.
Aussitzen geht nichtWie die Union die Ampel nach dem Karlsruher Urteil vor sich hertreibt
Am Tag zwei nach der für die Ampelkoalition verheerenden Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht versucht es FDP-Fraktionschef Christian Dürr mit einer Art Umarmungsstrategie. Er freue sich, dass durch das Urteil nun klargestellt worden sei, wie mit der Schuldenbremse umzugehen sei, sagte er am Donnerstag. Fehler der Ampel mochte er nicht erkennen, schließlich habe die Koalition mit dem Nachtragshaushalt doch nur die Politik der unionsgeführten Vorgängerregierung fortgeführt.
Das stimmt nur so halb – zudem hieß der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Aber es klingt gut, um die Verantwortung weit von sich zu schieben und die Niederlage kleinzureden. Doch schon am Donnerstag ist klar, dass das der Ampel nicht gelingt.
Koalition musste Aussage von Olaf Scholz zu Schlussberatungen zurücknehmen
Noch am Mittwoch hatte Bundeskanzler Scholz erklärt, das Urteil, das ein Loch von 60 Milliarden Euro bei den Klimaschutzausgaben reißt, habe keinerlei Auswirkungen auf die laufenden Schlussberatungen über den Haushalt 2024. Schließlich betreffe die Entscheidung nur den Klima- und Transformationsfonds (KTF), nicht aber den eigentlichen Bundeshaushalt.
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Keine 24 Stunden später musste die Koalition diese Aussage wieder kassieren. Das hat schon damit zu tun, dass der KTF zwar einen eigenen Wirtschaftsplan hat, er aber dennoch Bestandteil des Gesamthaushaltes ist. Außerdem liegt nahe, dass es der Koalition kaum gelingen wird, die fehlenden 60 Milliarden Euro ohne Umschichtungen auch im Kernhaushalt auszugleichen.
Expertenanhörung zu Folgen des Karlsruher Urteils ist geplant
Bei den abschließenden Haushaltsberatungen gar nicht auf das Urteil zu reagieren, schien den Ampelverantwortlichen dann offenbar doch ein wenig zu dreist. Deshalb wurde beschlossen, die sogenannte Bereinigungssitzung, die am Donnerstag begonnen hat, formal noch nicht am Freitag abzuschließen, sondern zunächst nur die Einzelhaushalte zu beraten.
Am kommenden Dienstag soll es per Video eine Expertenanhörung zu den Folgen des Urteils geben. Der formale Abschluss im Haushaltsausschuss ist dann erst für nächsten Donnerstag in einer digitalen Sondersitzung vorgesehen. An der Abschlussabstimmung des Etats im Bundestag am 1. Dezember soll sich aber nichts ändern.
Christian Haase (CDU) beklagt Vorgehen der Ampel als unseriös
Die Union hatte nach dem Verfassungsgerichtsurteil eine komplette Verschiebung der Bereinigungssitzung gefordert. Die Ampel-Koalitionäre lehnten das ab, damit der Haushalt noch in diesem Jahr beschlossen werden kann. Andernfalls hätte Anfang 2024 eine vorläufige Haushaltsführung gedroht, hieß es. Sie basiert auf dem Etat des Vorjahres, wobei neue Ausgabenposten nicht erlaubt sind.
Die Union kündigte als Reaktion an, bei den Etatberatungen keine eigenen Anträge zu stellen. „Wir können angesichts des Urteils nicht business as usal machen, so wie es die Ampel tut“, betonte Unions-Haushälter Christian Haase. Das Vorgehen der Ampel sei unseriös, beklagte er.
CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg spricht von „Riesenproblematik“
Abgesehen von der nach wie vor offenen Frage, wie das 60-Milliarden-Loch gestopft werden kann, droht der Ampel noch weiteres Ungemach. Die Union hat nach dem Klimafonds nämlich auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSV) in den Blick genommen, aus dem bis 2024 unter anderem die Preisbremsen für Strom und Gas bezahlt werden.
Der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg sagt, das Urteil habe eine „Riesenproblematik“ ausgelöst. Auch der „Doppelwumms“ sei ähnlich wie der Klimafonds aufgebaut, sagte er. In diesem Fall nahm der Bund 2022, als die Schuldenbremse wegen des Ukraine-Kriegs noch ausgesetzt war, 200 Milliarden Euro an neuen Schulden auf und schob das Geld in den WSV, wo es nun für die Folgejahre zur Verfügung steht.
Auch die Länder könnten Probleme bekommen: Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Schleswig-Holstein haben ebenfalls milliardenschwere Sondervermögen eingerichtet. Sie sind zwar unterschiedlich begründet und konstruiert, stehen aber alle im Verdacht, dass mit ihnen die Schuldenbremse umgangen werden soll. In Hessen wurde bereits im Herbst 2021 ein zwölf Milliarden Euro schweres Sondervermögen vom Staatsgerichtshof für nichtig erklärt. (rnd)