Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah hat viele Sollbruchstellen. Um sie abzusichern, muss die internationale Gemeinschaft aus bisherigen Fehlern lernen. Gelingt dies, zeigt es den Wert von Diplomatie, kommentiert Daniela Vates.
Nach über einem Jahr KriegDiese Waffenruhe ist zerbrechlich wie dünnwandiges Glas
Endlich. Endlich kommt aus Nahost nicht nur eine neue Katastrophenmeldung, sondern eine positive Nachricht: Israel und die Hisbollah haben sich auf einen Waffenstillstand geeinigt. Nach über einem Jahr Krieg, mit Angriffen auf Israel und Libanon, nach mehreren Tausend Toten und Verletzten, nach der Flucht von Zehntausenden in beiden Ländern, könnte also wenigstens hier das Leid, die Angst ums Überleben enden, zumindest die täglich neu verursachte.
Ein Anfang ist gemacht. Für Feierstimmung allerdings ist es zu früh. Noch handelt es sich nicht um einen stabilen Frieden, sondern nur um ein Innehalten. Und ob das über die vorgesehenen 60 Tage hinweg gelingt, ist offen.
Die Sollbruchstellen sind angelegt
60 Tage sind eine lange Zeit. Und diese Waffenruhe ist so zerbrechlich wie ein dünnwandiges Glas, das in Stücke zerspringt, wenn es zu fest angepackt wird. Hochnervöse Verhandlungspartner wie in diesem Fall sind da nicht die idealen Akteure. Die Sollbruchstellen sind angelegt: Erstens hat Israel verkündet, jederzeit wieder anzugreifen, wenn es für nötig gehalten wird. Wie die Notwendigkeitsschwelle genau definiert wird, ist offen. Wer von welcher Seite auch immer einen Friedensschluss stören will, dürfte relativ leichtes Spiel haben.
Zweitens ist die Überwachung der geplanten Pufferzone zwischen Israel und Libanon alles andere als sicher: Die libanesische Armee, die den robusten Part übernehmen und Missachtungen der Waffenruhe sanktionieren soll, gilt zumindest bislang nicht als besonders gut aufgestellt – an ihrer Durchsetzungsfähigkeit lässt sich zweifeln. Eine ähnliche Vereinbarung zu einer Pufferzone auf Basis einer UN-Resolution aus dem Jahr 2006 wurde faktisch von beiden Seiten unterlaufen. Der dritte Punkt dürfte der gewichtigste sein: Die Hisbollah agierte aus dem Libanon heraus genauso im Auftrag des Iran wie die Hamas aus Gaza. Und das Mullah-Regime in Teheran hat sein Ziel, Israel von der Landkarte zu wischen, nicht aufgegeben.
Es ließe sich also mit einigem Recht pessimistisch sein
Aber es gibt auch Ansätze für Optimismus. Sowohl Iran und Hisbollah als auch Israel verkünden zufrieden, sich durchgesetzt zu haben. Das ist eine gute Ausgangsbasis. Denn warum sollte man jeweils seinen eigenen Erfolg kassieren? Und idealerweise ist die Lektion aus der gescheiterten UN-Resolution von 2006 gelernt. Dafür müsste die libanesische Armee von den internationalen Partnern so ausgestattet werden, dass die Hisbollah nicht mehr der attraktivere Arbeitgeber im Land ist. Die Chance besteht, dass der Libanon über diesen Weg zur Staatlichkeit zurückfindet, mit einer handlungsfähigen Regierung. Es wäre ein großer Gewinn.
Was das Abkommen auf jeden Fall zeigt, ist: Diplomatie ist möglich, es braucht dafür einen oft quälend langen Atem. Und die Anstrengung endet nicht, wenn ein Abkommen erreicht ist – danach ist mindestens genauso viel Kraft für die Umsetzung nötig.