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Ärger um GrundsteuerExplodieren in NRW jetzt die Miet-Nebenkosten?

Lesezeit 3 Minuten
Die Nebenkosten von Mietwohnungen in NRW könnten nach der Grundsteuerreform zum Teil erheblich ansteigen.

Die Nebenkosten von Mietwohnungen in NRW könnten nach der Grundsteuerreform zum Teil erheblich ansteigen.

Der Städte- und Gemeindebund NRW prognostiziert zum Teil drastischen Anstieg der Grundsteuer für Innenstadt-Immobilien.

Die Grundsteuererklärungen stellen die Finanzämter in NRW weiterhin auf eine Belastungsprobe. Nach Auskunft von NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) fehlen knapp ein Jahr nach dem Ende der Abgabefrist noch rund 450.000 Erklärungen - 6,8 Prozent der Steuerzahler sind der Abgabepflicht nicht nachgekommen. Landesweit wurden mehr als 1,3 Mio. Einsprüche gegen die Neuberechnung eingereicht. Die Zahlen wurden von der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag abgefragt. Die Antworten der Landesregierung liegen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor.

In NRW mussten rund 6,6 Millionen Bürger die Grundsteuererklärung abgeben. Bei den Finanzbehörden türmen sich die Akten. Denn: Jede zwei Erklärung wurde unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt und muss von den Finanzbeamten nachbearbeitet werden. Viele Steuerzahler waren offenbar mit dem Prozess überfordert: Elf Prozent schreckten vor der digitalen ELSTER-Erklärung zurück und haben die Angaben in Papierform eingereicht.

60.000 Einsprüche in Köln

Gleichzeitig schlagen sich die Finanzämter mit einer hohen Zahl von Einsprüchen herum. Aus den Daten des Finanzministeriums geht hervor, dass die Steuerzahler in den Rheinmetropolen rebellischer sind als die in ländlichen Regionen. Allein in Köln gibt es 60.000 Einsprüche, die Einspruchsquoten liegen bei der Mehrzahl der Kölner Finanzämter bei mehr als 20 Prozent. Inzwischen ist es in Köln zu 20.200 Schätzungen gekommen. Auch in Bonn liegt die Einspruchsquote bei 20 Prozent. Beim Finanzamt Leverkusen gab es 18.000 Einsprüche, in Bergisch Gladbach 26.000.

Nach dem Frust vieler Steuerzahler über das komplizierte Erklärungsverfahren kündigt sich jetzt bereits weiterer Ärger an. Der Städte- und Gemeindebund NRW (StGB) hat nach Prognoserechnungen eine „Unwucht“ bei den Belastungen festgestellt. „Nach den jetzigen Messzahlen läuft es auf eine massive Verschiebung zu Lasten der privaten Eigentümer hin“, warnt StGB-Präsident Christoph Landscheidt. Wohngrundstücke würden deutlich stärker belastet als Gewerbeflächen. Eine zusätzliche Belastung sei „nicht mehr vermittelbar“.

Berechnungen vom Bund der Steuerzahler kommen zu besorgniserregenden Ergebnissen. Für ein Haus in Köln-Longerich (180 Quadratmeter Wohnfläche, letzte Sanierung 2016) soll die Grundsteuer von derzeit 574,64 Euro auf 984,76 Euro im Jahr steigen. Das wäre eine Zunahme von 71 Prozent. Höhere Steuerbelastungen können vom Eigentümer auf die Mieter umgelegt werden. Folge: Nach der Kostenexplosion bei Energie könnten also die Nebenkosten weiter ansteigen.

„Scholz-Modell“ entlastet Gewerbe

Die Landesregierung hatte sich dafür entschieden, bei der Erhebung der Grundsteuer das „Scholz-Modell“ anzuwenden, das sich auf die Wertermittlungen von Wohngebäuden fokussiert. Die FDP hatte das „Scholz-Modell abgelehnt, war mit ihrem Gegenvorschlag für eine einfache Bemessung nach Quadratmetern jedoch auf taube Ohren gestoßen. Jetzt haben die Liberalen einen Antrag eingereicht, der das Ziel hat, die Folgen der Unwucht abzumildern. Dafür sollen die Messbeträge für Wohnimmobilien pauschal ermäßigt werden.

Ralf Witzel ist der finanzpolitische Sprecher der Liberalen im Landtag. Nach allem Ärger über Bürokratielasten, nicht funktionierende Digitalisierung und Ungerechtigkeiten bei der Neuberechnung droht jetzt noch eine stark steigende Steuerbelastung bei Wohnimmobilien, die gleichermaßen alle Wohneigentümer und Mieter trifft“, kritisiert der Politiker aus Essen. Wer durch eigene Arbeit selber für seine Unterkunft sorge, gucke „bald vor allem in den Metropolen in die Röhre“.

104 Kommunen hoben Hebesatz an

Die Grundsteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Mit ihr finanzieren sie Schulen, Kitas, Straßen, Kultur und Sportangebote. Witzel befürchtet, dass die Städte und Gemeinden die Mindereinnahmen bei den Gewerbeflächen dazu nutzen, im „Windschatten des Grundsteuerchaos die Hebesätze zu erhöhen“. CDU und Grüne müssten „endlich einlenken“ und Korrekturen vornehmen, um die Bürger bei den Wohnkosten zu entlasten.

Laut dem Statistischen Landesamt IT.NRW haben bereits rund ein Viertel der Kommunen in NRW den Hebesatz der Grundsteuer B zwischen Juli 2022 und Juni 2023 erhöht. Zum Stichtag 30. Juni 2023 lagen die Hebesätze von 104 Kommunen über dem Wert des Vorjahres. Die höchste Steigerung wurde in der Gemeinde Schermbeck im Kreis Wesel verzeichnet - dort stieg der Hebesatz von 495 auf 750 Prozent.