AboAbonnieren

Alarm in der BinnenwirtschaftZu niedrige Brücken bremsen Containerschiffe in NRW aus

Lesezeit 3 Minuten
Ein Binnenschiff, mit Containern beladen, fährt in Köln vor dem Dom und den Kranhäusern über den Rhein.

Der Rhein gehört zu den wichtigsten Wasserstraßen in Europa.

Der Gütertransport über Wasserstraßen wird immer weniger lukrativ, weil Container nicht hoch genug gestapelt werden können. Lässt Schwarz-Grün in NRW die Branche im Stich?

Der Rhein gehört zu den wichtigsten Wasserstraßen in Europa. Mehr als 400 Güterschiffe passieren Köln durchschnittlich am Tag, jedes von ihnen kann die Last von etwa 150 Lkw transportieren. Ohne intakte Wasserstraßen würde sich das Stauchaos auf den Straßen in NRW also deutlich potenzieren. Und das ist gar nicht so abwegig, denn der Zustand des Wasserstraßennetzes ist besorgniserregend. „Die Politik spricht viel davon, den Güterverkehr vom Lkw auf Wasserstraßen zu verlagern. Dabei handelt es sich meist nur um Lippenbekenntnisse“, sagt Christoph Kösters, Hauptgeschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL). Baumaßnahmen, die nur der Güterlogistik nutzen würden, seien „teuer und unpopulär“.

Vom und zum Rhein werden Güter oft über Wasserstecken wie den Rhein-Herne-Kanal und den Dortmund-Ems-Kanal transportiert. „Viele Schleusen sind noch aus der Kaiserzeit, ein Ausfall könnte massive Probleme in der Transportwirtschaft auslösen“, warnt Kösters. Der Unfall an der Moselschleuse werfe ein Schlaglicht auf die Auswirkungen, die eine Wasserstraßensperrung auch in NRW haben könnte.

50 Schleusen müssen ersetzt werden

Schifffahrtsexperten warnen schon lange davor, dass der schlechte Zustand vieler Wasserstraßen eine tickende Zeitbombe ist. Ein Verkehrsinfrastrukturbericht der Bundesregierung konstatiert, dass allein auf den Bundeswasserstraßen 235 Bauwerke zu ersetzen seien, davon 50 Schleusen. Laut dem Bericht sind 85 Prozent der Schleusen in einem nicht mehr ausreichendem oder gerade noch ausreichendem Zustand. Logistikexperte Kösters wirft der Politik vor, die Binnenschifffahrt bei der Verkehrsplanung „stiefmütterlich“ zu behandeln. „An einigen Standorten wird aber lieber ,Büro oder Wohnen am Wasser‘ bevorzugt, statt zusätzliche Hafen- und Liegeplätze auszuweisen oder bestehende Standorte zu sichern.“ Nötig wären zum Beispiel Investitionen in Brückenerhöhungen, damit Containerschiffe zumindest zweilagig fahren können.

Niedrige Brücken blockieren nicht nur den Güterverkehr, sondern führen immer wieder zu schweren Unfällen. Auf dem Dortmund-Ems-Kanal weisen 80 Brücken eine Durchfahrtshöhe von weniger als 5,25 Meter auf, die für einen reibungslosen Transportablauf erforderlich sind. Unerwartete Wasserstandschwankungen können hier zur Gefahr werden, zumal sich auch die Größe der Schiffe verändert hat.

Die schwarz-grüne Landesregierung hat jetzt eine Anfrage der FDP zur Leistungsfähigkeit des Wasserstraßennetzes in NRW beantwortet. Darin schreibt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne): In den kommenden Jahren bilde „der Ersatz von 19 Brücken einen Schwerpunkt der Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen“.

Ein Tropfen auf den heißen Stein

Dies sei ein Tropfen auf den heißen Stein, findet Christof Rasche, Landtagsvizepräsident und Verkehrsexperte der Liberalen. „Die Leistungsbilanz der Landesregierung ist ein Desaster“, kritisiert der FDP-Politiker. Viele beschlossene Maßnahmen seien „trotz großspuriger Ankündigungen“ kaum vorangekommen. „Die Landespolitik darf den Schienenverkehr nicht als einzige Alternative zur Straße verklären“, so Rasche. Auch die Wasserstraßen spielten eine unverzichtbare Rolle im Rohstoff- und Warentransport. „Schwarz-Grün muss noch entschlossener handeln, um eine tragfähige Zukunft unseres Wirtschaftsverkehrs, und damit auch der Binnenschifffahrt, zu sichern“, verlangt er. Laut dem Statistischen Bundesamt hat die Binnenschifffahrt in Deutschland im Jahr 2023 5,9 Prozent weniger Güter befördert als im Vorjahr.

Binnenschiffe werden von Flussanliegern immer wieder wegen der hohen Emissionen kritisiert. Viele Schiffsdiesel sind hochbetagt und gelten als CO₂-Schleudern. Tatsächlich weisen Binnenschiffe den geringsten Energieverbrauch unter den Verkehrsträgern auf. Im Schnitt verbrauchen sie 67 Prozent weniger Energie als Lastwagen und sind damit insgesamt um ein Vielfaches umweltfreundlicher als ein Straßentransporter. In Deutschland gibt es 2200 Binnenschiffe, rund die Hälfte davon sind Motorschiffe. 680 davon sind für trockene Ladung ausgelegt, 400 Stück speziell für flüssige und gasförmige Güter. Hinzu kommen rund 270 Schubboote, 110 Schlepper sowie 680 unmotorisierte Schubleichter.