Florian Beer ist pädagogischer Mitarbeiter bei Sabra. Er und seine Kollegen beraten Schulen in NRW im Umgang mit Antisemitismus.
Antisemitismus in NRW„Die Solidarität der Schüler bedeutet mir sehr viel und macht mir Hoffnung“
Herr Beer, wie hat sich Ihre Arbeit nach dem Hamas-Terror verändert?
Florian Beer: Seit dem Terrorangriff gibt es eine merklich gestiegene Anzahl von Anfragen bei uns, aber auch bei anderen Beratungsstellen im Land. Antisemitismus gibt es leider in allen Bereichen der Gesellschaft. Der konsequente Umgang damit ist deshalb eine Herausforderung, der sich auch die Schulen stellen müssen.
Gibt es ein Ereignis an Ihrer Schule, das Sie in den vergangenen Wochen in diesem Zusammenhang besonders berührt hat?
Ich habe in meinem Unterricht angesprochen, wie sehr mich die aktuelle Situation ganz persönlich belastet und sehr viel Solidarität von meinen Schülerinnen und Schülern erfahren. Das bedeutet mir sehr viel und macht Hoffnung.
Zu welchen antisemitischen Vorfälle kam es in den vergangenen Wochen an den Schulen?
Wir beraten sowohl bei konkreten Vorfällen als auch bei der Prävention. Auch in der zweiten Woche nach den Ferien beobachten wir in Nordrhein-Westfalen zum Glück keine schwerwiegenden Vorfälle wie etwa in Berlin. Trotzdem sind wir sehr wachsam. Leider müssen wir feststellen, dass jüdische Eltern ebenso wie jüdische Schülerinnen und Schüler in größter Sorge sind. Auch deshalb ist es gut, dass Schulministerin Feller angekündigt hat, die weitere Entwicklung in den Schulen aufmerksam zu verfolgen.
Wie kann man den Hass verhindern? Welche konkreten Erfahrungen haben Sie da?
Es ist wichtig, darüber aufzuklären, wie Antisemitismus „funktioniert“. Ein Muster ist zum Beispiel die Täter-Opfer-Umkehr, wonach Israel sich den Angriff der Hamas selbst zuzuschreiben habe. Fakten allein reichen hier nicht aus. Nötig ist auch etwas, das ich Bildung der Gefühle nennen möchte. Es geht darum, Widersprüche auszuhalten und nicht anfällig zu sein für vermeintlich einfache Antworten. Und selbstverständlich geht es um Empathie für die Betroffenen. Da ist es hilfreich, über konkrete Schicksale zu reden, über einzelne Menschen. Das ist für Schülerinnen und Schüler sehr greifbar.
Was halten Sie von der Aussage aus rechten Kreisen, dass eine falsche Einwanderungspolitik uns antisemitische Moslems eingebracht hat?
Rechtspopulisten und Rechtsextreme versuchen, die aktuelle Situation für ihre Zwecke zu missbrauchen. Lassen Sie mich aber sehr deutlich werden: Antisemitismus lässt sich nicht mit Rassismus bekämpfen! Antisemitismus gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft und er war auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft nach 1945 nie verschwunden. Nicht ohne Grund standen jüdische Gemeinden auch vor den aktuellen Ereignissen unter Polizeischutz.