Die Igel-Population in NRW geht aufgrund des Klimawandels dramatisch zurück. NRW-Umweltminister Krischer fordert Gartenbesitzer auf, Laubhaufen anzulegen.
Aufruf zur Igelrettung in NRWDie Stacheltiere sind oft zu dünn, um den Winterschlaf zu überstehen
Das Jungtier ist völlig unterernährt, wiegt nur 168 Gramm. Gerade ist der kleine Igel bei Axel Vey abgegeben worden. Der Naturfreund organisiert den Verein „Kleine Wildtiere in Not“, der auch putzigen Stacheltieren hilft. „In diesem Jahr haben wir uns um bereits mehr als 390 Igel gekümmert“, sagt Vey im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Not der nachtaktiven Wanderer werde von Jahr zu Jahr größer: „Weil sie keine Nahrung mehr finden, haben viele Tiere keine Chance, den Winter zu überleben“, so der Tierschützer.
Wenn die Tage kürzer werden, bereiten sich die Igel auf den Winterschlaf vor. Jetzt ist die Zeit, in der sie sich einen sicheren Unterschlupf suchen. NRW-Umweltminister Oliver Krischer appelliert an die Bevölkerung, die Einzelgänger zu unterstützen. „Igel brauchen natürliche Gärten als Lebensraum“, erläutert der Politiker der Grünen. „Wer den Igeln helfen will, sollte eine Kompostecke einrichten, Zweige aufschichten oder einen Laubhaufen anlegen, damit sie in Ruhe Winterschlaf halten können“, sagt Krischer auf Anfrage unserer Zeitung. Je natürlicher und wilder ein Garten ist, desto besser sei dies für die Igel.
Der Klimawandel hat Igeln die Hauptnahrung knapp werden lassen
Wie viele Igel es in NRW gibt, weiß niemand ganz genau. Klar ist aber, dass ihre Zahl deutlich zurückgeht. In Bayern tauchen sie schon auf der Vorwarnliste der gefährdeten Tiere auf. Dabei hat er außer dem seltenen Uhu keine natürlichen Feinde. Der Klimawandel macht ihm schwer zu schaffen, weil ihm seine Hauptnahrung genommen wird. Um Insekten und Käferlarven zu finden, sind viele Igel mittlerweile auch tagsüber auf Nahrungssuche.
Die meisten Tiere starben bislang im Straßenverkehr. Zur tödlichen Gefahr werden jetzt aber immer häufiger auch Mähroboter. Die meisten selbstfahrenden Rasenmäher stoppen nicht, wenn sie auf Kleintiere treffen. „Auch Blindschleichen, Kröten und Eidechsen werden von diesen Geräten regelrecht geschreddert“, sagt Igel-Schützer Axel Vey. Die Stadt Köln hat per Allgemeinverfügung den Betrieb von Mährobotern ab Oktober 2024 während der Dämmerung und in der Nachtzeit verboten. „Aber auch tagsüber werden vor allem jetzt in dieser Jahreszeit die kleinen Igel von diesen Geräten verletzt oder getötet“, warnt Vey.
Auch der Einsatz von Laubsaugern und Laubbläsern macht den Igeln das Überleben schwer. Sie töten unendlich viele Insekten und zerstören die Rückzugsorte von vielen Tieren. Naturschützer empfehlen, das Laub in den Gärten lieber liegen lassen. Das bietet den Stacheltieren eine Rückzugsmöglich und hilft ihnen bei der Nahrungssuche.
Milch kann für Igel tödlich sein
Der Verein „Kleine Wilde in Not“ bittet Gartenbesitzer, Pools, Sickerlöcher und Kellerschächte abzusichern oder Ausstieghilfen anzubringen, falls das das nicht möglich ist. Sollte ein hungriger Igel auf der Terrasse auftauchen, kann man ihm Katzenfutter, möglichst mit hohem Fleischanteil, anbieten. Dass Milch gut für Igel sei, ist ein weitverbreiteter Irrglaube. „Igel vertragen keine Milch - sie bekommen davon Durchfall, der zum Tod führen kann“, warnt Tierschützer Vey.
Der Winterschaf der Igel dauerte früher oft bis in den April. Noch in den 80er Jahren hatten die Igel kein Problem, sich ein ausreichendes Fettpolster für die Auszeit anzufressen. Wer 600 Gramm auf die Wage brachte, kam gut durch die kalte Jahreszeit. Heute hat sich die Lage dramatisch verändern. „Selbst junge Igel kommen zu dieser Jahreszeit schon unterernährt und dehydriert in die Pflegestellen, wenn sie denn gefunden werden“, sagt Axel Vey. In diesem Jahr mussten bereits 31 Tiere einschläfert werden. 52 Igel starben durch den Verzehr von Rattengift oder Schneckenkorn.
Wer zu dieser Zeit einen unterernährten Igel draußen herumlaufen sieht oder in einem Kellerschacht findet, sollte eine Igel-Pflegestation kontaktieren. Für den Transport sollte ein Karton mit einem Handtuch ausgelegt und mit einer 35 Grad warmen Wärmflasche ausgestattet werden. Kot-Reste sollte man in einem gereinigten Altglas sichern. Das hilft den Igel-Rettern dabei, Parasiten oder Krankheiten schneller bestimmen zu können. Ist der Igel wieder gesund und hat er das nötige Gewicht, kann er am Fundort wieder ausgewildert werden.
Der Verein „Kleine Wilde in Not“ besteht aus rund 50 privaten Pflegestationen, die sich ehrenamtlich für die Wildtierpflege einsetzen, und gehört dem Naturschutzbund NABU im Rhein-Sieg-Kreis an. Die Tierschützer unterhalten eine Hotline, bei der Igel in Not gemeldet werden können. „Im Herbst gehen jetzt zum Teil mehrfach am Tag Notrufe ein“, berichtet Axel Vey. Die Hotline ist unter 01575/8484508 zu erreichen.