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Cannabis-Legalisierung60.000 Altfälle stellen Justiz in NRW vor komplizierte Aufgabe

Lesezeit 2 Minuten

Wenn Cannabis legalisiert wird, müssen Staatsanwaltschaften wie die in Köln etliche Altfälle durchforsten.

Problematisch wird es vor allem dann, wenn Urteile auf mehreren Straftaten fußen. Ein neues Urteil müsste gesprochen werden.

Ab 1. April ist Besitz und Anbau von Cannabis legal. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sein Gesetzesprojekt als enorme Entlastung für Justiz und Polizei anpreist, befürchten Landesminister jeglicher parteilicher Couleur genau das Gegenteil. Insbesondere die Amnestie für Altfälle, in denen Verurteilte bis zu 50 Gramm Marihuana besessen hatten, stößt bei Landesjustizministern von CDU und SPD auf Widerstand. Auch der NRW-Ressortchef Benjamin Limbach (Grüne) äußerte im Bundesrat am Freitag erhebliche Kritik.

Staatsanwälte durchforsten alte Strafakten

Schließlich durchforsten seine Staatsanwälte im ganzen Land alte Strafakten. Dabei klären die Ankläger, ob bereits verhängte Haft- oder Geldstrafen wegen Cannabis-Delikten, die nach dem neuen Gesetz in Zukunft nicht mehr strafbar sind, erlassen werden müssen. Das hat auch zur Folge, dass Verurteilungen aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden. Laut einem Bericht des NRW-Justizministers müssen die Staatsanwälte allein an Rhein und Ruhr 60.000 Fälle überprüfen.

Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, warnte vor einer massiven Belastung des Justizwesens. Demnach fallen bundesweit mindestens 210.0000 Verfahren an, die durchleuchtet werden müssen. Gesundheitsminister Lauterbach spricht von gerade einmal 7500 Fällen.

Kölner Fall zeigt komplexes Problem auf

Ein Kölner Fall, der gerade im Justizzentrum wieder aufgerollt wird, zeigt ein weiteres Problem: Häufig sind die Täter wegen mehrerer Delikte verurteilt worden. Daraus hat das Gericht eine Gesamtstrafe gebildet. In Köln wurde ein Täter wegen Diebstahls, Betrugs, Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und unerlaubten Besitzes von drei bis vier Gramm Cannabis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung das Gericht zur Bewährung ausgesetzt hat.

Im Einzelnen kassierte der Angeklagte für den Diebstahl vier Monate, der Betrug machte drei Monate aus, die Körperverletzung und der Widerstand gegen einen Polizisten brachten weitere sieben Monate ein. Der Cannabisbesitz führte zu einem Monat Gefängnis. Die Delikte dürfen nicht einfach zu 15 Monaten addiert werden, sondern das Gericht muss aus den einzelnen Strafen eine (niedrigere) Gesamtfreiheitsstrafe bilden. Nach dem neuen Gesetz wandert der Fall nun zurück ans Amtsgericht, das nach Abzug des Cannabis-Verstoßes ein neues Urteil sprechen muss. „Das ist ein irrer Aufwand für nichts und wieder nichts“, schimpft ein Staatsanwalt. „Dafür bleiben zigtausende aktuelle Ermittlungsverfahren liegen.“

Nächstes Beispiel: In einem anderen NRW-Justizbezirk wurde ein Drogendealer zu drei Jahren Haft verurteilt. Mehmet S. (Name geändert) hatte Kokain verkauft. Dazu kam der Besitz von Cannabis und Heroin. Die 40 Gramm Cannabis, die sich bei ihm zu Hause fanden, wären nach der Lesart des neuen Gesetzes als Besitz nicht mehr zu ahnden. Also muss das Gericht wieder ran, um auch in dieser Causa einen anderen Schuldspruch abzufassen.