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Rückkehr nach MonatenDas können wir über mentale Stärke von den ISS-Astronauten lernen

Lesezeit 4 Minuten
Die Nasa-Astronauten Suni Williams und Butch Wilmore warten darauf, das Betriebs- und Checkout-Gebäude zu verlassen, um zur Startrampe im Space Launch Complex 41 zu fahren.

Die ISS-Astronauten Suni Williams und Butch Wilmore waren ungeplant neun Monate im All.

Claudia Stern, Expertin für Raumfahrtmedizin, erklärt, wie Astronauten resilient werden und was Menschen daraus mitnehmen können.

Anstelle einer knappen Woche lebten sie über neun Monate im All: Die ISS-Astronauten Suni Williams und Butch Wilmore machten sich am Dienstagmorgen, 18. März, auf den Rückweg zur Erde und sind sicher gelandet. Claudia Stern, Leiterin der Abteilung Klinische Luft- und Raumfahrtmedizin im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, erläutert im Interview, wie sich Astronauten auf Stresssituationen und Isolation vorbereiten und wie Resilienz trainiert werden kann.

Frau Stern, mehr als neun Monate im All ohne sicheren Rückflug – das muss sehr beklemmend sein. Kann sich ein Mensch auf eine solche Situation vorbereiten?

Ja, das ist möglich. Meist werden für Missionen Personen ausgesucht, die mit solchen Isolationssituationen bereits Erfahrung haben. Zum Beispiel durch militärisches Training. Das ist auch beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hier in Köln so. Die ESA hat beispielsweise eine Reserve-Astronautin, die ein Jahr in der Antarktis verbracht hatte.

„Sind die Astronauten länger im All, kann viel passieren“

Aber nicht jeder bringt solche Erfahrungen mit.

Nein, aber wir bereiten sie vor einer Mission auch darauf vor. Bei dem Training fahren wir zweigleisig. Zum einen erleben Astronauten in ihrem Training kurzfristige Isolationen. Mal müssen sie eine Woche in einer Höhle unter erschwerten Bedingungen leben, mal einige Zeit in einer Forschungsstation unterwasser verbringen. Da kommt man nicht mal eben so wieder raus. Zum anderen weisen wir ihnen Psychologen zu, die sie vor, während und nach der Mission betreuen. Das ist gerade bei Langzeitmissionen wichtig.

Was ist an diesen Situationen so speziell – wie können wir uns die vorstellen?

Sind die Astronauten länger im All, kann viel passieren. Angehörigen auf der Erde kann etwas passieren. Darauf vorzubereiten ist schwierig. Aber auch auf der Station können sich gefährliche Situationen ergeben, wie ein Brand. Natürlich wissen die Astronauten vorher, dass sie mit einer solchen Mission einem Risiko ausgesetzt sind. Das alles können sie mit ihren Psychologen durchsprechen. Sobald die ESA-Astronauten zurück sind, werden sie bei uns in Köln wieder rehabilitiert – körperlich und emotional.

Zu sehen ist Claudia Stern, Leiterin der Abteilung für Luft- und Raumfahrtmedizin.

Claudia Stern ist Expertin für Luft- und Raumfahrtmedizin im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Die ISS-Astronauten hatten sich allerdings auf eine kürzere Mission eingestellt.

Für acht Tage planen, aber neun Monate bleiben – das ist komplizierter. Die Astronauten haben mehr verpasst, als sie dachten. Weihnachten zum Beispiel oder den Hochzeitstag. Videos der Familie und private Anrufe können da helfen. Und was besonders wichtig ist: Astronauten müssen sich entspannen können. Sie haben während ihren Missionen sehr wenig Freizeit, auch die Vorbereitungen auf einen Flug ins All sind von Stress geprägt.

Sport hilft nicht nur Astronauten im Alltag

Erlernen Astronauten bestimmte Entspannungstechniken?

Konkrete Strategien müssen individuell erarbeitet werden. Um Resilienz aufzubauen, müssen sich die Astronauten fragen, welche Dinge ihnen ganz besonders Freude bereiten. Die werden in der Regel auch hoch ins All geschickt. Aber auch autogenes Training kann helfen, oder aber Übungen, um die Muskeln zu entspannen.

Können sich die Menschen auf der Erde etwas von ihnen abgucken?

Was die meisten Astronauten als größte Entspannung empfinden, ist Sport. Es gibt auf den Raumstationen sogenannte Sportphasen, bei denen können sie sich etwa zwei Stunden lang auspowern und den Stress des Tages abbauen. Das hilft auch grundsätzlich im Alltag – laufen, Rad fahren, Muskeln aufbauen. Aber auch, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. All das kann Resilienz aufbauen. Gleichzeitig tut man etwas für den Körper. Und das ist schließlich nicht nur für Astronauten wichtig.

Wie geht es jetzt mit den ISS-Astronauten weiter?

In der Regel werden Astronauten zuerst von ihren betreuenden Fliegerärzten empfangen und betreut, sehr bald stößt die Familie dazu. Bei der NASA oder auch der ESA werden sie dann von den Verantwortlichen und Kollegen begrüßt. Da das Immunsystem nach dem Flug reduziert ist, wird Sorge getragen, dass nur gesunde und im Allgemeinen durchgeimpfte Personen Zugang haben, um sie nicht anzustecken. In Quarantäne müssen sie nicht. Sofort nach der Landung finden erste medizinische Untersuchungen statt, die in den ersten drei Wochen nach der Mission fortgeführt werden.