Mit einer neuen Strategie will sich die Region auf die Folgen von Extremwetter-Ereignissen wie Starkregen, Überflutungen und Hitzeperioden einstellen.
Kohleausstieg allein wird nicht reichenWie sich das Rheinische Revier dem Klimawandel anpassen muss
Der auf das Jahr 2030 vorgezogene Kohleausstieg ist für das Rheinische Revier schon Herausforderung genug. Dabei will es die NRW-Landesregierung nicht belassen und hat die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) damit beauftragt, parallel ein Konzept zu entwickeln, wie sich die Region sich im Prozess des Strukturwandels parallel den neuen klimatischen Bedingungen anpassen kann.
Krischer: Strategie zur Klimaanpassung drängender denn je
„Die Folgen der Klimakrise fordern uns ständig und überall heraus“, sagt NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) bei der Vorstellung des Konzepts am Mittwoch in Neuss. „Wir haben die 1,5 Grad-Schwelle erreicht oder vielleicht schon überschritten. Jedes Zehntel Grad, das wir reduzieren können, ist wichtig.“ Eine Strategie zur Klimaanpassung sei drängender denn je. „Es vergeht keine Woche in NRW, in der nicht irgendwo ein Starkregen droht. Das frühere Extrem ist heute das neue Normal. Mit schlimmen und lebensbedrohlichen Folgen wie bei der Flutkatastrophe im Juli 2021.“
Die Strategie zur Klimaanpassung für das Rheinische Revier liegt jetzt auf dem Tisch. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
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Welches Ziel wird mit der neuen Strategie verfolgt?
Grundsätzlich geht es darum, die Region besser auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Kommunen und Kreise müssen in die Lage versetzt werden, Extremwetter-Ereignisse wie Hochwasser, Starkregen, Sturm und Dürreperioden dauerhaft in ihren Planungen zu berücksichtigen.
Das klingt gut. Aber wie können sie wissen, wie hoch diese Risiken sind? Die Flutkatastrophe in der Eifel und an der Ahr vom Juli 2021 hat doch auch niemand vorhersagen können?
Das stimmt. Deshalb haben die Experten eines Konsortiums aus der Climaticon GmbH, der Klima.Umwelt&Planung GmbH und der Rebel Deutschland GmbH seit Ende 2022 das Rheinische Revier einer detaillierten klimatischen Bestandsaufnahme unterzogen und daraus abgeleitet, welche aktuellen und zukünftigen Klimarisiken für die Bevölkerung, die regionale Wirtschaft und die Sozialstruktur bestehen. Auf dieser Basis haben sie Empfehlungen erarbeitet, was Städte und Regionen tun können, um auf die Folgen von Extremwetterlagen vom Hochwasser bis zur Dürre besser vorbereitet zu sein, was das für die Land- und Forstwirtschaft, für die Wasserwirtschaft sowie für Umwelt-, Natur- und Artenschutz bedeutet.
Können sich diese Risiken für Teilregionen im Rheinischen Revier überhaupt so genau einschätzen lassen?
Ja. Die Studie enthält nicht nur Aussagen zu den klimatischen Auswirkungen, zu Hitzerisiko, Kühlpotenzial, Gefährdung durch Trockenheit, Sturm und Überschwemmungen, sondern auch detaillierte Handlungskarten zur Klimaanpassung für Hitze und Wasser. Weil die Gefährdungslagen regional sehr unterschiedlich ausgeprägt sind, was vor allem mit der Geländestruktur, der Versiegelungs- und Bebauungsdichte zusammenhängt, können die Risiken in der Digitalfassung der Studie für jede einzelne Kommune und jeden Kreis abgerufen werden.
Das ist entscheidend, weil die Betroffenheiten durch die Folgen die Klimawandels kleinräumig sehr unterschiedlich ausfallen können. Das hängt von der Frage der Flächennutzung, der Bevölkerungsdichte oder der Lage sensibler Infrastrukturen ab. Die Handlungskarten mit ihren räumlichen Analysen sollen dazu beitragen, sich zielgerichteter den Folgen des Klimawandels anpassen zu können.
Lässt sich das an einem Beispiel verdeutlichen?
Ja. Das von der Flutkatastrophe besonders betroffene Stolberg bei Aachen, das drei Flutwellen des Vichtbachs zu verkraften hatte, die sich mitten durch die Innenstadt wälzten und Schäden von einer Milliarde Euro anrichteten, hat bereits einen Klimaanpassungsmanager eingestellt. „Die Lösung kann nicht sein, die Hochwassermauern zu erhöhen. Wir müssen entsiegeln, dem Fluss mehr Raum geben, Regenrückhaltebecken in der Fläche bauen, kühle Orte schaffen und zur Schwammstadt werden“, sagt Bürgermeister Patrick Haas (SPD).
Stolberg hat eine eigene Wiederaufbaugesellschaft gegründet. „Wir sehen die Flut auch als einmalige Chance. Das Thema Nachhaltigkeit lässt sich Menschen, die vor dem Nichts standen, zunächst nicht vermitteln.“ Das neue Rathaus wird als Nullenergiehaus an einem hochwassersicheren Ort entstehen und mit Industrieabwärme beheizt werden. Die Baumaterialien sollen nach dem Ende der Nutzungsdauer wiederverwendbar sein. Der neue Altstadtpark wird als Retentionsraum für den Vichtbach geplant. Stolberg macht sich auf den Weg, eine klimarobuste Kommune zu werden.
Ist das im Rheinischen Revier parallel zum Strukturwandel überhaupt zu leisten? Sind die Kommunen damit nicht hoffnungslos überfordert?
Nein, sagen die Fachleute und sprechen von der Anpassungswirtschaft als einem neuen Wirtschaftszweig für beratende und ingenieurtechnische Lösungen mit Bezug auf den Klimawandel. „Der Strukturwandel ist das prägende Merkmal der Region“, sagt Ulrich Eimer von der Climaticon GmbH. „Es gibt viele Chancen. Die liegen in der sich veränderten Arbeitswelt, die nicht nur den Strukturwandel, sondern auch durch die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz geprägt ist.“
Die neue Strategie könne nicht nur die Auswirkungen der Klimakrise mildern und „Verwundbarkeiten reduzieren“, so Umweltminister Krischer. Idealerweise könne man damit Synergieeffekte erzielen. Klimaanpassung sei nicht nur Krisenmanagement, „sondern bringt auch an anderer Stelle etwas. Wir können die Städte lebenswerter machen und etwas für Biodiversität tun.“ Dem Rheinischen Revier biete sie die Chance zu einer neuen Raumentwicklung und könne den Strukturwandel unterstützen.
Den Kommunen eröffne sie Möglichkeiten, durch begrünte Dächer und Fassaden, durch Entsiegelung, durch Speicherung und Versickerung von Regenwasser, mehr Grünflächen und Frischluftschneisen für ein kühleres Umfeld zu sorgen. So könne aus Klimaanpassung ein Stück mehr Klimaschutz werden.