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Digitalisierung hängt Senioren in NRW ab„Ich habe Angst, den Anschluss zu verlieren“

Lesezeit 12 Minuten
Hildburg Marre versucht mit ihrem Computer zurecht zu kommen. Senioren fühlen sich von der Digitalisierung abgeschnitten.

Hildburg Marre versucht, mit ihrem Computer zurecht zu kommen. Manchmal gibt der Sohn ihres Nachbarn ihr Nachhilfe. Seit der nach Süddeutschland zog, geht das aber nur noch selten.

Viele Ältere fühlen sich durch die Digitalisierung von der Welt abgeschnitten. Besuche bei Menschen über 70, die nicht zurückgelassen werden wollen.

Den letzten Stadtfahrplan aus Papier hat sie vor vier Jahren im Schreibwarenladen mitgenommen. Er ist mehr als zweihundert Seiten dick. Auf Seite 70 ist vermerkt: Wer in Bergisch Gladbach an der Haltestelle Schildgen Kirche in die 434 einsteigt, der gelangt nach 18 Stationen und 26 Minuten an den Wiener Platz in Köln. Wenn die Abfahrtszeiten sich ändern, will Hildburg Marre sie mit Bleistift klein an den Rand notieren. Bislang zeichnet sich der Takt der 434 glücklicherweise durch Stabilität aus.

Marre verwahrt das Büchlein an einem sicheren Ort. Dort, wo auch alle anderen Unterlagen aus Papier abgelegt sind: Widerspruchsmodalitäten eines Elektronikvertriebs, die Leistungsbeschreibung von Aldi Talk, „Das große Smartphonelexikon“, oder „Wegweiser durch die digitale Welt“ zum Beispiel. Wer sie fragt, ob sie das alles liest, der erntet ein entschuldigendes Lächeln: „Manchmal fange ich an. Aber meistens verstehe ich das nicht.“

Hildburg Marre versucht mit ihrem Computer zurecht zu kommen. Senioren fühlen sich von der Digitalisierung abgeschnitten.

Hildburg Marre hat immer versucht, mit Entwicklungen Schritt zu halten. Manchmal erscheinen ihr mittlerweile die Hürden aber sehr hoch. Aus gesundheitlichen Gründen fällt es ihr manchmal auch schwer, Internetkurse außer Haus zu besuchen.

Hildburg Marre, 75 Jahre alt, wohnhaft in Bergisch Gladbach Schildgen, alleinstehend und vielseitig interessiert, fühlt sich durch die Digitalisierung abgehängt. „Ich war immer offen für Entwicklungen, aber jetzt habe ich Angst, den Anschluss zu verlieren.“ Als Sozialarbeiterin im Jugendamt wird sie zum Ende ihrer Dienstzeit noch auf den Computer umgestellt. „Ich hätte das nicht machen müssen, aber ich war ja immer aufgeschlossen. Ich wollte im Beruf immer am Ball bleiben, habe Zusatzausbildungen gemacht, war eine der ersten, die mit der Spieltherapie gearbeitet hat.“

Marre töpfert, fotografiert, gärtnert, malt. In ihrem Bücherregal stehen handtellerbreit Abhandlungen über das Häkeln, „Spinnen & Färben“, Van Gogh, „Die großen Dichter“, ein ganzer Meter Kulturgeschichte. Hinter ihrem Arbeitsplatz mit dem Computer warten ein Trimmdichrad sowie ein Klavier. Wenn ihr eine Idee interessant erscheint, lässt sie die neugierig in ihr Leben. Probiert aus, übt, meistert. 2010 geht sie in Rente, kauft sich kurz darauf einen eigenen Computer. Ein Fachmann unterstützt sie beim Einrichten, auch den Anschluss ans Wlan erwirkt sie. Allerdings hat die große, kabellose Freiheit einen Haken: Sie beschränkt sich auf Marres Kellerraum. „Schon dafür musste vom Nachbarhaus durchgebohrt werden. Bis nach oben in meine Wohnung schafft es das Wlan nicht. Fragen Sie mich nicht, warum.“

Die Digitalisierung rauscht nicht wie der Fortschritt, sondern wie eine Katastrophe heran

Wie ihr geht es vielen Seniorinnen und Senioren. Während zum Beispiel in Schulen zuweilen immer noch Kreidetafeln hängen und man Digital Natives viel zu lange dazu zwang, in analogen Overhead-Projektor-Strukturen zu verharren, stehen am anderen Ende der Jahrgänge Menschen, denen der Fortschritt viel zu schnell geht. Die Digitalisierung ist mit einer Geschwindigkeit in ihr Leben gerauscht, dass sie sich weniger wie eine segensreiche Erleichterung denn eher wie eine Naturkatastrophe anfühlte. Das eigene Leben auf das Entwicklungstempo der Computer und Smartphones hoch zu beschleunigen erschien jedenfalls vielen wie ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst wer im Beruf noch mit den ersten digitalen Harmlosigkeiten wie E-Mails zu tun bekam, stieg spätestens bei Apps und Paypal aus. Wer keinen Internetanschluss besitzt oder schlecht damit umgehen kann, dem bleibt ein ganzer Teil der Welt verschlossen.

Immerhin sechs Prozent der Deutschen im Alter von 16 bis 74 Jahren waren nach Zahlen des Statistischen Landesamts noch nie im Netz, das sind 3,8 Millionen Menschen. Unter den Über-70-Jährigen in NRW gab gar jeder Dritte an, das Internet sei für ihn ein völlig unbekanntes Konstrukt. Der achte Altersbericht des Bundes spricht von einer „digitalen Spaltung der Gesellschaft“. Lediglich 39 Prozent der 79- bis 84-Jährigen hatten demnach 2017 einen Internetzugang, in der Gruppe der 43- bis 48-Jährigen herrschte dagegen mit 97 Prozent quasi eine Komplettabdeckung.

Das Gesundheitsministerium NRW sieht eine Verbesserung der Lage und schreibt auf Anfrage dieser Zeitung, immerhin sei nach den Ergebnissen des Deutschen Alterssurveys (DEAS) in der Gruppe der über 75-Jährigen der Anteil der Internetnutzer gegenüber 2017 von 45,1 auf 52,1 Prozent angestiegen. Erwin Knebel, der in Mettmann ehrenamtlich Seniorinnen und Senioren den Weg ins Internet weist, sorgt sich dagegen um die Hälfte derer, die immer noch keinerlei Netzerfahrung haben und sagt: „Das tangiert ja sogar die Menschenrechte.“

Dabei wären viele Senioren interessiert: Podcast, QR-Code – „Wie komme ich denn da dran?“

Das Rätsel mit dem Netzanschluss begleitet Hildburg Marre seit vielen Jahren. Sie hat sich schon mehrere Geräte angeschafft. Ein Tablet, ein Smartphone. Sie hat Kurse besucht, um die Bedienung derselben zu erlernen. „Aber dort waren alle schon im Internet. Ich weiß gar nicht, wie ich die Dinger da angebunden kriege. Solange ich diesen Schritt nicht hinbekomme, nützen mir auch alle weiteren nicht.“

Viele Errungenschaften der Digitalisierung bleiben Marre deshalb verwehrt. Eine Tür, an der sie sich immer wieder den Kopf stößt. Obwohl sie durchaus gerne die Geheimnisse dahinter erkunden würde. Podcast zum Beispiel. „Wie komme ich denn da dran?“, fragt sie und betrachtet ihr Smartphone. Wiegt es vorsichtig in ihren Händen, schaltet es ab. „Wir können es ja wieder anschalten, wenn wir es brauchen“, sagt sie. „Oder diese QR-Codes, die es bei Gewinnspielen oft gibt. Wie mache ich das?“

Beim Lebensmittelhändler habe sie zuletzt angerufen und gefragt, ob sie sich ihre Einkäufe auch liefern lassen könne. „Das geht ja heute, das wäre super für mich.“ Sie erntet aber wieder einen Rückschlag. Denn: Bestellen, das sei grundsätzlich nur über das Internet möglich. Und gerade mit Geld will Marre im Netz keinesfalls hantieren.

Die Wege, die sie beschreiten kann, werden immer schmaler. Früher sei eine Bestellung auf Rechnung noch oft möglich gewesen. Heute passiere es häufig, dass zusätzlich noch Bestätigungscodes eingegeben werden müssten. Marre ist das suspekt. „Dann breche ich ab.“ Zuletzt hat sie auf diese Weise keinen Teddybären für das Baby aus der Nachbarschaft bestellen können. Zu heikel sei ihr das vorgekommen.

Manchmal hilft der Sohn des Nachbarn. Aber der kommt nur selten zu Besuch

Mit Hilfe eines Ehrenamtlers bei einer Begegnungsstätte der Caritas hat sie es vor kurzem immerhin mit dem Smartphone ins Internet geschafft. Von einer Prepaidkarte werden jeden Monat neun Euro für Datenvolumen abgebucht. Weitergebracht hat Marre das eher nicht. „Whatsapp und ein paar andere Sachen hat er mir gezeigt, aber ich habe es nicht behalten.“ Da sie eine rechts-links-Schwäche hat, bräuchte sie Einzelbetreuung. Weil sie manchmal aus gesundheitlichen Gründen nicht Autofahren kann, wäre dafür eigentlich ein Hausbesuch jede Woche nötig. Früher habe ihr der Sohn des Nachbarn beispielsweise die Sache mit der Übertragung der Fotos auf den Rechner erklärt. Aber der komme auch kaum noch. Er arbeite mittlerweile in Süddeutschland. Marre ist betrübt. Sie fühlt sich zurückgelassen.

Und in der Tat ist es mittlerweile gar nicht mehr so einfach, ein analoges Leben zu führen. Bankfilialen schließen, Arztpraxen sind telefonisch nur noch schwer zu erreichen, Tickets für die Bahn oder das Theater ohne digitale Bezahlmöglichkeit kaum zu bekommen, im Fernsehen oder Museen wird auf digitale Zusatzangebote verwiesen. Wer ins Restaurant geht, der weiß ohne Smartphone manchmal gar nicht mehr, was es zu essen gibt. Statt Speisekarte prangt da nur ein QR-Code auf dem Tisch. Selbst staatliche Dienstleistungen sind oft ohne Internet nur noch sehr umständlich abrufbar. Förderanträge für E-Autos müssen online eingereicht werden, die Abgabe der Grundsteuer in Papierform war nicht vorgesehen, das Deutschlandticket sollte ursprünglich ein rein digitales Angebot sein.

Bei Verwaltungsprozessen dürfe nicht-elektronische Kommunikation nicht abgelehnt werden

Das Gesundheitsministerium gibt auf Anfrage an, man sei generell bemüht „den Prozess der Digitalisierung partizipativ so zu gestalten, dass Risiken minimiert werden“. Was Verwaltungsprozesse betreffe, dürfe „nicht-elektronische Kommunikation nicht mit dem Hinweis auf einen elektronischen Zugangskanal abgelehnt werden“. Zudem sei es nach Kenntnis des Ministeriums „weiterhin gängige Praxis in den Arztpraxen, dass Termine telefonisch vereinbart werden können“. Überhaupt fördere das Land die Digitalkompetenz der älteren Bevölkerung.

Als Beispiel nennt man den „Digital-Check-NRW“ sowie das Projekt „Verbraucher 60+ – ein Angebot für ältere Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen“, das von der Verbraucherinitiative e.V. umgesetzt werde. Hier würden ältere Menschen durch Online-Angebote und Veranstaltungen unter anderem zu den Themen „Sicher online unterwegs“, „Online-Shopping“ und digitalen Gesundheitsinformationen geschult. Aus den Mitteln des Landesförderplans Alter und Pflege würden zudem unter anderem das Forum Seniorenarbeit NRW sowie das Förderprogramm „Miteinander – Digital“ unterstützt. Das Forum Seniorenarbeit sei ein Projekt in Trägerschaft des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), indem insgesamt 20 Pflegeeinrichtungen gefördert würden, gemeinsam mit Ehrenamtlichen Angebote zur digitalen Befähigung und Teilhabe für ältere Menschen umzusetzen.

Erwin Knebel, Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher im Kreis Mettmann“, der ehrenamtlich die Digitalpaten ins Leben gerufen hat, ist das zu wenig. Er vermisst eine staatliche Struktur. Man überlasse es dem Zufall, ob ein ehrenamtliches Angebot in der Nähe existiere oder nicht. „Das darf nicht sein. Wir lagern ja auch nicht das Schulsystem ins Ehrenamt aus.“ Mittlerweile hat sich der Protest gegen die digitale Ausgrenzung paradoxerweise selbst digitalisiert. In Spanien hat ein 78 Jahre alter Arzt Anfang 2022 eine Unterschriftensammlung gegen die zunehmende Digitalisierung im Bankenwesen gesammelt. Auf Twitter startete er eine Kampagne unter dem Schlagwort #SoyMayorNoIdiota – „ich bin alt, aber kein Idiot“.

Franz-Josef Müller, 74, hilft hier Altersgenossen beim Digitalisieren

Nicht überall haben Seniorinnen und Senioren genug Kraft, um ihre Stimme zu erheben – schon gar nicht mit Hashtag. Aber an vielen Orten pilgern sie zumindest tapfer zu ihren Nachhilfekursen. So wie in Sankt Augustin in der Seniorenbegegnungsstätte „Club“. Im Club betreibt die Stadt ein Smart-Café, jeden Donnerstag wird in Partnerarbeit gebüffelt. Einer, der hier ehrenamtlich für die Lehre verantwortlich ist: Franz-Josef Müller. Mit 74 Jahren gehört er in der Disziplin Internet eigentlich selbst eher zur Schülergeneration. Aber Müller ist einer, der von Anfang an vorne dabei war und sich auch mit fortschreitendem Alter nicht abschütteln ließ.

Schon Anfang der 80er Jahre, so sagt er, habe er sich einen Commodore 64 zugelegt und dann alle paar Jahre sein Computerreich ausgebaut. Auch als PC-Helfer war Müller ein Frühstarter. Seit elf Jahren zeigt er den Teilnehmern im Seniorennetzwerk, wo es kostenfreien Virenschutz gibt, wie man risikofrei Updates herunterlädt und wenn es sein muss, streift er auch schon mal den Anorak über und läuft mit in den Elektronikfachmarkt zur Kaufberatung. „Ich weiß ja doch, wo die Fallstricke beim Laptop-Kauf liegen. Welche Tastaturen zu klein, welche Grafikkarten ausreichend sind“, sagt Müller.

Das Smartcafé ist eine Seniorenbegegnungsstätte. Senioren fühlen sich von der Digitalisierung abgeschnitten. Zwei betagte Männer sitzen über ein Smartphone gebeugt gemeinsam am Tisch. Vor ihnen steht zudem ein aufgeklapper Laptop.

Franz-Josef Müller, 74, gibt Wolfgang Lythje, 69, im Smartcafé in Sankt Augustin Nachhilfe im Fach Smartphone.

„Wie sind wir hier nochmal hingekommen?“ Wolfgang Lythje linst über den Rand seiner Brille. Vor ihm liegt sein Smartphone, er will Bilder auswählen, die auf den Laptop übertragen werden sollen. Alle Arbeitsschritte hat er akribisch per Hand auf einem Zettel notiert. Bilder durch längeres Drücken markieren. Im Dateiordner auswählen. Öffnen. Mit USB verbinden. Auf dem Laptop: Explorer öffnen. Umschalttaste. Und so weiter. Müller erklärt geduldig. Seine Stimme ist ruhig. Ein wichtiger Aspekt beim Digital-Kurs mit Senioren. Die Angst vor der Gefahr aus dem Internet ist verbreitet. „Ich lerne hier auch, dass man sehr, sehr vorsichtig sein muss. Keine Werbeangebote runterladen, so wenig Spuren wie möglich hinterlassen. Einmal im Internet, immer im Internet“, sagt Lythje.

Für das Online-Banking fühle er sich noch zu unsicher, außerdem wolle er schon der Fitness wegen zur Bank fahren, wenn eine Überweisung anstehe. Soziale Medien lehnt er ab. Diese Anwendungen trügen mit Schuld daran, dass viele Menschen nicht mehr in der Realität miteinander kommunizierten, selbst dann nicht, wenn sie einander gegenüber säßen. Im Restaurant zum Beispiel. Lythje schüttelt den Kopf. Nein, so weit will er es nicht kommen lassen. „Hier sollte ich jetzt tunlichst nicht draufkommen, oder?“, ruft Lythje und atmet scharf ein, als auf dem Display die Frage nach einer kostenpflichtigen Antiviren-Software auftaucht. Müller beruhigt: „Keine Sorge. Bevor Sie zahlen müssen, kommt da nochmal die Frage, ob Sie sicher sind, diese kaufen zu wollen.“ Wieder ein tiefes Brummen. Lythje atmet aus.

Die Angst spielt eine Rolle: „Man muss sehr vorsichtig sein, dass man sich dabei nichts einfängt.“

Lythje sagt, er sei spät zum Internet gekommen. Den Umgang mit PCs hatte er als Angestellter in der Bundeswehrverwaltung gelernt, privat dauerte es einige Zeit, bis er sich zum Einstieg durchrang. „Ich habe erst selbst versucht, mir Programme runterzuladen, aber ich bin schnell an meine Grenzen gekommen.“ Deshalb besucht er jetzt regelmäßig Franz-Josef Müller und übt. Denn können will er viele Dinge schon. Briefe am Rechner schreiben, ausdrucken, Fotos vom neun Monate alten Enkel geschickt bekommen, sich von Google Maps den kürzesten Weg zeigen lassen. Sein neuster Plan: Eine Kostenaufstellung für den Haushalt. „Dafür brauche ich Office. Am besten eine kostenfreie Version.“ Beim nächsten Mal will er seinen Laptop mitbringen, dann lädt er unter Anleitung von Müller eine kostenfreie Version runter. Denn: „Man muss sehr vorsichtig sein, dass man seinen Laptop nicht mit Schadsoftware infiziert.“

Margot Seidel (Name geändert) hat ihr Smartphone zum Kurs in den Club mitgebracht. Vor ein paar Jahren hat sie es sich zugelegt, weil sie zur Reha reiste und man ihr sagte, sie sei dann dort erreichbar und könne Kinder und Bekannte jederzeit anrufen. „Ich habe dann kein einziges Telefonat geführt. Ich hätte ein Passwort eingeben müssen. Aber das wusste ich ja nicht“, sagt sie. Um ihre Augen zieht sich das Netz der kleinen Fältchen ein wenig enger, wenn sie lächelt. Seidel, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, lächelt häufig. Entschuldigend manchmal, häufiger aber selbstbewusst, herausfordernd.

Die Senioren haben auch Ideen zur digitalen Weiterentwicklung

Mittlerweile ist Seidel, 78, Mutter dreier erwachsener Kinder und Verwaltungsangestellte im Ruhestand, schon weiter. Sie nutzt sogar Whatsapp. Sie zeigt ein „Filmchen von meinem Vögelchen, gucken Sie wie lebendig der da ist“. Mittlerweile sei der Vera leider tot. Aber im Smartphone ist er irgendwie ja trotzdem immer noch mit dabei. Seidel ist ein bisschen abgelenkt. Wie eine Schülerin, die lieber mit der Tischnachbarin über ihr Haustier tuschelt, als der Lehrerin zuzuhören. Aber Angelika Lorenz lässt nicht locker. Gerade versucht die Handyhelferin Seidel beizubringen, wie sie Nummern unter Namen abspeichert. „Das ist doch viel bequemer, dann sehen Sie gleich, wer schreibt.“ Seidel ist einverstanden. Zuletzt hätte sie beinahe die falsche Nummer angetippt. Mit Namen, ja, das wäre übersichtlicher.

Insgesamt empfindet Seidel Whatsapp oft als zu stressig. Viele Nachrichten, am Ende noch über die Gruppe, jeder schreibe viel zu ausführlich. „Da piept das dann dauernd und ich denke: Das könnt ihr mit mir nicht machen.“ Seidel hat aber auch Ideen, die Whatsapp nach vorne bringen könnten. Sie hätte gern ein Familiencluster. Dann könnte sie alle, die zu einer Familie gehören, miteinander verknüpfen. „Gibt es da keinen Ordner?“ Lorenz verneint, gibt es nicht. Seidel findet das suboptimal. „Aber das wäre doch praktisch. Das ist doch die Tochter von der Emmy, dann hätte ich die schön beisammen.“ Konstruktive Kritik, interessante Verbesserungsvorschläge, ähnliche Gedanken hatte man bei Whatsapp wohl auch schon, als man kürzlich das Feature „Communities“ aufsetzte. Vielleicht ist Seidel längst in der digitalen Welt angekommen.