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Frauen und Mädchen meist Opfer165 Fälle häuslicher Gewalt jeden Tag in NRW – neues Gesetz soll helfen

Lesezeit 3 Minuten
Orangefarbene Frauenschuhe symbolisieren Gewalt gegen Frauen und Mädchen - hier ausgestellt in Köln.

Die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen steigt seit Jahren.

Um 17 Prozent nahmen die Delikte zu. Vor allem innerhalb der Familie kommt es zu Taten gegen Frauen und Mädchen. Die Dunkelziffer ist höher.

In NRW hat die Polizei 2023 pro Tag im Schnitt 165 Fälle häuslicher Gewalt gezählt. Insgesamt 1665 mehr als im Vorjahr, wie aus einem neuen Lagebild des Landeskriminalamts (LKA) hervorgeht. In den allermeisten Fällen wurden Frauen Opfer, seltener auch Männer. Insgesamt gab es 2023 laut LKA 63 Todesopfer durch häusliche Gewalt.

Der Anstieg der Fälle im Vergleich zum Vorjahr lag 2023 laut LKA bei 2,8 Prozent. Im Fünf-Jahres-Vergleich waren es sogar 17,1 Prozent mehr Fälle. Von den 65.482 Opfern waren 71,6 Prozent weiblich. Umgekehrt waren unter den 51.128 identifizierten Tatverdächtigen 75,6 Prozent Männer.

Unter den 63 Todesopfern waren 45 Frauen und 18 Männer. Nimmt man die Opfer aller Delikte als Maßstab, lebte gut die Hälfte mit dem Täter oder der Täterin in einem Haushalt. Opfer wurden aber nicht nur Partner, sondern zum Beispiel auch Kinder. Das LKA erklärt dazu: „Häusliche Gewalt beinhaltet zwei Ausprägungen, die der Partnerschaftsgewalt und die der innerfamiliären Gewalt.“

Kinder sind Opfer von Elterngewalt

Opfer von Partnerschaftsgewalt machen 63,4 Prozent (41.505 Opfer) aller Opfer von häuslicher Gewalt aus. Dem gegenüber stehen 23.977 Opfer (36,6 Prozent) „innerfamiliärer Gewalt“. Dabei wurde, so das Lagebild, am häufigsten das Kind der tatverdächtigen Person Opfer (8431 Mal). In 5798 Fällen attackierten die Tatverdächtigen jeweils Vater oder Mutter, 4404 Mal Bruder oder Schwester.

In Wahrheit sind die Zahlen viel höher. Denn gerade bei Gewalt innerhalb der eigenen Familie wird nach Überzeugung der Ermittler bei weitem nicht jede Tat angezeigt. „Der Phänomenbereich weist daher ein hohes Dunkelfeld auf“, so das LKA. Der Grund seien „durch Kontroll- und Abhängigkeitsverhältnisse geprägte Beziehungen“ sowie „Scham- und Schuldgefühle“.

Der Bundesrat hat im Februar das neue „Gewalthilfegesetz“ abgesegnet, das Betroffenen helfen soll. Bislang können Opfer häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt nämlich nur darauf hoffen, dass ihnen (jenseits der Polizei) geholfen wird – und genügend Kapazitäten, etwa in Frauenhäusern, vorhanden sind.

Was das Gewalthilfegesetz bewirken soll

Das Gewalthilfegesetz verspricht von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern einen kostenfreien Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung. Die Länder werden dazu verpflichtet, ausreichend Schutz- und Beratungsangebote zu schaffen. Sie erhalten dafür vom Bund zwischen 2027 und 2036 2,6 Milliarden Euro.

Seit dem 28. Februar sind Teile des Gesetzes schon in Kraft. Der entscheidende Punkt – nämlich der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung – soll aber erst ab 2032 greifen. So sollen die Länder genug Zeit haben, um ihre Angebote auszubauen. Das Land NRW fördert aktuell 70 Frauenhäuser und fünf Schutzwohnungen für Männer. Insgesamt stehen 700 Gewaltschutzplätze für Frauen, mehr als 740 Kinderplätze und etwa 20 für Männer bereit.

Josefine Paul (Grüne), Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, spricht während einer aktuellen Stunde im Landtag.

„Das Gewalthilfegesetz ist ein historischer Meilenstein für den Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt und ein echter Durchbruch im Gewaltschutz von Frauen“, sagte Ministerin Paul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Das Gewalthilfegesetz ist ein historischer Meilenstein für den Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt und ein echter Durchbruch im Gewaltschutz von Frauen“, sagte Ministerin Paul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wir werden in Nordrhein-Westfalen das Gewalthilfegesetz mit den Kommunen und Trägern gemeinsam umsetzen. Denn wir wissen um die Notwendigkeiten einer weiteren Stärkung der Gewalthilfestruktur“, so Paul. Sie betonte: „Der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist angesichts von beinahe einem vollendeten Femizid jeden Tag auch eine Frage der inneren Sicherheit. Der Staat muss sein Schutzversprechen für Frauen und Mädchen einlösen.“

Auch die Opposition im Landtag erwartet, dass die Regierung bloß nicht bis zum Rechtsanspruch 2032 die Hände in den Schoß legen soll. Susanne Schneider, Sprecherin für Gleichstellung der FDP-Landtagsfraktion sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: Die jüngsten Maßnahmen wie die Aufnahme von fünf weiteren Frauenhäusern in die Landesförderung sowie die Schaffung einer Fachkraftstelle für die Arbeit mit Kindern seien wichtige Schritte.

„Doch angesichts der enormen Dimension des Problems braucht es noch deutlich mehr“, so Schneider. Sie fordert: „Kurzfristig sollte der Fokus auf Maßnahmen liegen, die direkt helfen und schnell Wirkung zeigen, statt zusätzliche bürokratische Hürden zu schaffen.“