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Nach Sanktionen gegen AfD-MitarbeiterGutachten empfiehlt Maßnahmen gegen Extremisten im NRW-Landtag

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Blick auf den Düsseldorfer Landtag. (Archivfoto)

Blick auf den Düsseldorfer Landtag am Rheinufer.

Ein Verbot, extremistische Beschäftigte einzustellen, soll rechtlich kaum möglich sein. Doch die Hausordnung könnte geändert werden.

Ein Rechtsgutachten rät dem nordrhein-westfälischen Landtag dringend, Grundlagen für ein Vorgehen gegen extremistische Fraktions- und Abgeordnetenbeschäftigte zu schaffen. Nach aktueller Lage könne die Verwaltung „nur sehr eingeschränkte Maßnahmen“ ergreifen, so der vom Landtag beauftragte Kölner Rechtswissenschaftler Markus Ogorek in seiner Analyse, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

AfD-Mitarbeiter wegen Angriffs verurteilt

Der Landtag hatte das Gutachten schon im April in Auftrag gegeben, nachdem Medien über zahlreiche rechtsextreme Mitarbeiter bei der AfD im Bundestag berichtet hatten. Im Juni hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ dann einen brisanten Fall im Düsseldorfer Landtag bekannt gemacht: Maximilian H., Mitglied der Kölner Burschenschaft Germania, und Mitarbeiter des Dürener AfD-Abgeordneten Klaus Esser, war 2022 wegen Körperverletzung und antisemitischer Beleidigungen vom Amtsgericht Heidelberg zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

In dem Urteil, das dieser Zeitung vorliegt, ist der Angriff von Maximilian H. auf einen Kommilitonen während einer Feier in einem Heidelberger Verbindungshaus beschrieben: Schon bevor das Opfer bei der Villa ankam, warnte ihn ein Freund in einem Chat, er würde bei seiner Ankunft „gegürtelt“. Der 25-Jährige reagierte mit einem „?“, dann mit „ok“. Mitglieder der gastgebenden Burschenschaft verpassen sich bei kleinen „Verfehlungen“ Gürtelschläge auf den Hintern, ein im Normalfall zwar skurriler, aber nicht strafbarer Vorgang.

ARCHIV - 25.10.2023, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Landtagspräsident Andre Kuper spricht im Plenum des Landtags. (zu dpa: «Landtagspräsident schickt Abgeordnete zu früh in Sommerpause») Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Landtagspräsident André Kuper

Der Freund des späteren Opfers erklärte dem Urteil zufolge seinen Verbindungsbrüdern aus anderen Burschenschaften das Ritual des „Gürtelns“, zeigte den Chat mit dem Opfer. Und er erwähnte: Sein Freund hat jüdische Wurzeln. Als dieser Freund eintraf, wurde er gefragt, ob er Jude sei. Als er dies bejahte, schlugen bis zu sechs Personen mit Gürteln den Mann. Zudem wurde er aus der Gruppe massiv antisemitisch beleidigt, unter anderem fiel die Beschimpfung „Saujude“. Die Attacke endete demnach erst, als der 25-Jährige einem Kölner Verbindungsbruder von Maximilian H. sein Bier über den Kopf schüttete.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Landtag reagierte aber auf die Berichterstattung und erlegte dem Beschäftigten unter anderem ein Betretungsverbot für weite Bereiche des Hauses auf.

In dem 64-seitigen Gutachten taucht dieser Vorgang nur kurz auf. Ogorek, Jura-Professor und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, analysiert viel mehr die allgemeinen Rechtsgrundlagen des Landtags, um auf Extremisten im eigenen Haus zu reagieren. Die Optionen sind demnach dürftig. „Angesichts zahlreicher realer Bedrohungsszenarien besteht Handlungsbedarf“, so Ogorek in seiner Zusammenfassung. Er schlägt unter anderem Änderungen in der Hausordnung vor, um den Zugang zum Landtag oder den Zugriff auf die internen Systeme grundsätzlich zu beschränken – und erst nachträglich zu lockern.

Rechtswissenschaftler rät zu „Verfassungstreueklausel“

Zudem empfiehlt der Professor eine „Verfassungstreueklausel“ in Muster-Arbeitsverträgen, sowie eine häufigere „förmliche Geheimhaltungsverpflichtung“ etwa im Innen- oder Wirtschaftsausschuss. Abgeordneten oder Fraktionen von vorneherein zu verbieten, Beschäftigte mit extremistischen Verbindungen einzustellen, ist laut Ogorek rechtlich übrigens kaum möglich.

Landtagspräsident André Kuper sagte zu dem Gutachten: „Extremisten gehören nicht in Parlamente, denn hier, im Herzen der Demokratie, sind sie besonders gefährlich.“ Der Landtag habe die Sicherheitsvorkehrungen im vergangenen Jahr bereits angepasst. Aber das reiche noch nicht: „Es geht darum, die Handlungsfähigkeit und Wehrhaftigkeit des Landtags zu sichern, wenn Fälle bekannt werden, dass Beschäftigte von Abgeordneten und Fraktionen Organisationen angehören oder diese unterstützen, die als verfassungsfeindlich eingestuft werden.“ (mit dpa)