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Polizei spekuliert über GründeZahl der Anträge auf Kleinen Waffenschein in Köln und Region deutlich gestiegen

Lesezeit 4 Minuten
Ein kleiner Waffenschein liegt zwischen einer Schreckschuss-Pistole «Walther P22», einem Magazin und einer Platzpatrone.

Im Jahr 2023 wurden so viele Kleine Waffenscheine beantragt wie seit 2016 nicht mehr.

In Köln und der Region wurden im vergangenen Jahr deutlich mehr Kleine Waffenscheine beantragt als in den Vorjahren. Die Gründe dafür sind unklar.

Mehr als 4000 Anträge auf einen Kleinen Waffenschein sind im vergangenen Jahr bei den Kreispolizeibehörden in Köln und der Region eingegangen. In vielen Städten und Gemeinden ist es die zweithöchste Zahl seit 2016, so auch in Köln und Leverkusen: 1214 Anträge auf Erteilung eines Kleinen Waffenscheins wurden hier im vergangenen Jahr genehmigt – eine Steigerung um fast 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (989 Genehmigungen).

Woran liegt das? Im Jahr 2016, als in Köln und der Region mehr als 11.000 Kleine Waffenscheine neu beantragt und genehmigt wurden, führten Experten den starken Anstieg unter anderem auf die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln sowie die Angst vor Terroranschlägen nach dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz zurück. Warum nun auch im vergangenen Jahr so viele Neuanträge gestellt wurden, darüber lässt sich bislang jedoch nur mutmaßen.

Lars, der nicht mit seinem Nachnamen genannt werden möchte, besitzt seit 2016 einen Kleinen Waffenschein. Anlass damals seien Sicherheitsbedenken aufgrund allgemein vorherrschender Terrorangst gewesen und der Wunsch, sich gegen potenzielle Tierangriffe verteidigen zu können, sagt er. Der 38-jährige Kölner müsse aufgrund seines Schichtdienstes nachts häufiger mit seinem Hund raus. Um ein spezielles Reizgas bei sich führen zu dürfen, benötigte er den Kleinen Waffenschein. Das Reizgas wolle er zur Tierabwehr nachts im Wald nutzen. Seitdem sei es aber erfreulicherweise zu keinem Zwischenfall gekommen, sagt Lars.

Gründe für Anstieg bei Kleinem Waffenschein? „Reine Spekulation“

Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) hat den Überblick über die Zahlen der Waffenschein-Besitzerinnen und -Besitzer im Land. Hier zeigt sich: Nicht nur in Köln und dem Umland, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen steigt die Zahl der Menschen, die über einen Kleinen Waffenschein verfügen, seit Jahren stetig an. 2023 waren erstmals mehr als 200.000 Personen befugt, Schreckschuss-, Gas- und Signalwaffen zu führen.

Doch bei der Suche nach Ursachen kann das LKA nicht weiterhelfen: Man könne keine Gründe für diese Entwicklung nennen. Alles, was hierzu gesagt werden würde, wäre „reine Spekulation“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion.

„Um den Kleinen Waffenschein zu beantragen, braucht man einen festen Wohnsitz in Deutschland, man muss volljährig und beim Verfassungsschutz unauffällig sein“, erklärt ein Sprecher der Polizei Köln auf Anfrage. Einen Grund, warum man eine Waffe mit sich führen möchte, müsse bei der Antragstellung nicht angegeben werden. Alle drei Jahre werde überprüft, ob neue Erkenntnisse zu dem Besitzer des Scheins vorlägen, die darauf hindeuten würden, dass die Person ungeeignet sei, eine Schreckschuss-, Gas- oder Signalwaffe bei sich zu führen, so der Polizeisprecher.

Der Großteil der Menschen, die einen Kleinen Waffenschein beantragen, erhalten diesen auch. So heißt es von der Kreispolizeibehörde Euskirchen, dass in der Regel 95 Prozent aller gestellten Anträge genehmigt würden. Sofern Zahlen vorliegen, bewegt sich die Ablehnungsquote auch in den Zuständigkeitsbereichen der anderen Kreispolizeibehörden im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich. Abgelehnt werden Anträge nicht nur dann, wenn der Antragsteller ungeeignet zum Führen einer Waffe erscheint, sondern auch, wenn die einzureichenden Unterlagen unvollständig sind.

Kleiner Waffenschein: Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung

Bricht man die Zahl der Waffenschein-Besitzerinnen und Besitzer auf die Gesamtbevölkerung herunter, zeigen sich in den Zuständigkeitsgebieten der Kreispolizeibehörden in Köln und der Region deutliche Unterschiede. Denn nicht überall ist die Dichte derjenigen, die einen Kleinen Waffenschein beantragt haben, gleich hoch.

So verfügen in den städtisch geprägten Gebieten tendenziell weniger Menschen über einen Kleinen Waffenschein als in eher ländlich geprägten Gebieten. Die Quote der Waffenschein-Besitzer je 100.000 Einwohner liegt in Köln und Leverkusen knapp über 1000, während im Rhein-Sieg-Kreis mehr als 1500 Menschen je 100.000 Einwohner Schreckschuss-, Gas- und Signalwaffen führen dürfen.

Auch hier kann die Polizei über die Gründe keine konkreten Angaben machen: „Wir haben kein verlässliches Datenmaterial, aus dem wir Erklärungen dafür ablesen könnten“, erklärt Stefan Birk, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde Rhein-Sieg-Kreis. Wer einen Kleinen Waffenschein beantragt, muss nicht angeben, warum er oder sie eine Schreckschuss-, Gas- oder Signalwaffe führen will.

Birk fügt hinzu: „Wir halten die Entwicklungen natürlich im Auge. Und auch, wenn wir sie mit Sorge betrachten, sind wir gleichzeitig froh über alle, die zur Behörde gehen und ihre Waffen anmelden. Schwierigkeiten haben wir eher mit denen, die diese Waffen illegal mit sich führen."

Kleiner Waffenschein: Online-Formular erleichtert den Antrag

Im Oberbergischen Kreis geht die Kreispolizeibehörde davon aus, dass es insbesondere zwei Erklärungen für den neuerlichen Anstieg gibt: „Zum einen gibt es seit Ende 2021, Anfang 2022 die Möglichkeit, den Kleinen Waffenschein online zu beantragen. Das ist für die Antragstellung nun deutlich bequemer und einfacher“, teilt eine Polizeisprecherin mit.

„Der Online-Antrag wird zudem überall beworben. Als zweiten Grund kann man durchaus die aktuelle Sicherheitslage nennen. Die Krisen auf der Welt, der Ukraine-Krieg, aber auch die regionale Situation motivieren Menschen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“

Zu den regionalen Vorfällen, auf die die Sprecherin sich bezieht, zählt beispielsweise der Messerangriff mit anschließender Schussabgabe in der Gummersbacher Innenstadt im November vergangenen Jahres.