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„Da geht nichts mehr“Kölner Tierheim war schon vor den Ferien voll – und kämpft jetzt mit Anfragen

Lesezeit 5 Minuten
Die Katze Elif erholt sich nach einem Beinbruch im Tierheim Köln-Zollstock. Die Tierheimmitarbeiter suchen mittlerweile nach einem neuen Zuhause für sie.

Elif erholt sich nach einem Beinbruch im Tierheim Köln-Zollstock. Die Mitarbeiter suchen jetzt für sie nach einem neuen Zuhause.

Die Kapazitäten der Tierheime in NRW und der Region sind wieder einmal aufgebraucht. Liegt das wirklich an den Sommerferien? Wohl eher nicht.

Dieses Mal sei es kein Sommerferien-Hoch, sagt Petra Gerigk vom Tierheim Köln-Zollstock. Wie denn auch? Die Gehege waren schon vor den Ferien so voll, dass sie kaum weitere Tiere aufnehmen konnten. Während Corona die Tierheime nahezu leer fegte, weil so viele Menschen Tiere adoptierten, füllten sich sie sich umso rapider, als die Pandemie abebbte, so die Leiterin. „Ganz extrem wurde es mit dem Anstieg der Tierarztkosten im November 2022.“

Köner Tierheim: Viele auffällige Hunde

Das Tierheim in Zollstock kämpft derzeit mit Anfragen aus ganz Deutschland. „Wir arbeiten mit der Stadt Köln zusammen, um für Fundtiere oder Sicherstellungen Platz freizuhalten“, sagt Gerigk. Die Gehege für Vögel sind voll, „da geht gar nichts mehr“, Hundeaufnahmen seien „nach wie vor ganz schwierig“, die Aufnahme von neuen Katzen ebenso. „Wir haben eine riesige Schwemme dieses Jahr an Katzenwelpen, die ich mir gar nicht richtig erklären kann“, sagt Gerigk. „Bei den Hunden bekommen wir deutlich mehr verhaltensauffällige Tiere.“

Unter den verhaltensauffälligen Hunden seien besonders viele junge Tiere, sagt Gerigk. Dank ihres Alters könnten die Tierpfleger dieses Verhalten meist schnell korrigieren und die Hunde anschließend an neue Besitzer vermitteln. Bei älteren Hunden sei das schwieriger. „Um die zu korrigieren, brauchen wir mehr Zeit“, sagt Gerigk. „Diese Zeit fehlt den Tierpflegern jetzt, weil die Tierheime immer so voll sind.“

Hilde, Elif und Luna wurden krank ans Tierheim in Zollstock abgegeben

Seit der Erhöhung der Tierarztkosten würden immer mehr Besitzer kranke Tiere abgeben, Tiere wie Hilde: Die schwarze Katze brach sich das Bein, ihre Besitzer brachten sie in eine Klinik. Als die Tierärzte ihnen die Kosten für die Behandlung mitteilten, gaben sie Hilde noch in der Klinik zur Vermittlung frei. „Damit lagen die Kosten natürlich bei uns“, sagt Gerigk. 4500 Euro zahlte das Tierheim für Hildes Genesung, die ursprünglichen Besitzer hätten ihr Tier anschließend zurückhaben wollen, das Tierheim lehnte ab. Mittlerweile hat Hilde ein neues Zuhause gefunden.

Die schwarze Katze Hilde wurde von ihren Vorbesitzern in einer Tierklinik abgegeben - die Kosten für ihre Beinoperation war ihnen zu hoch. Heute lebt sie in einem neuen Zuhause. Hilde ist mit gegibstem Hinterbein und Halsmanschette zu sehen.

Hilde wurde von ihren Vorbesitzern in einer Tierklinik abgegeben – die Kosten für ihre Beinoperation war ihnen zu hoch. Heute lebt sie in einem neuen Zuhause.

Zwei Tiere mit ähnlichen Schicksalen warten noch auf ihr neues Zuhause. Elif zum Beispiel, eine weiße Katze mit grünen Kugelaugen, die als Fundtier mit einem Beinbruch in Zollstock abgegeben wurde. Bis heute halten die Tierheimmitarbeiter ihre angeblichen Finder für ihre Besitzer. Denn kurz vorher fragte ein Anrufer, ob das Tierheim ein Abgabetier mit Beinbruch finanzieren würde. Monatelang war Elif in Zollstock in Boxenruhe, jetzt ist ihr Bein verheilt – sie kann vermittelt werden. Und da ist Luna, eine vier bis fünf Jahre alte Hündin, die mit einem apfelsinengroßen Tumor an Mitarbeiter des Tierheims übergeben wurde. Der Tumor wurde bei einer Not-OP entfernt, jetzt wartet auch Luna auf ein neues Zuhause.

Hündin Luna wurde vor einigen Wochen mit einem apfelsinengroßen Tumor beim Tierheim in Köln-Dellbrück abgegeben. Nach einer Not-OP sucht das Tierheim jetzt für sie nach einem neuen Zuhause.

Hündin Luna wurde vor einigen Wochen mit einem Tumor beim Tierheim in Köln-Dellbrück abgegeben.

Tierschützer kritisieren unzureichende Finanzierung

Auch am Niederrhein beobachtet der Bund Deutscher Tierfreunde derzeit eine „Flut von ausgesetzten Katzen“. Erst kürzlich seien sechs vernachlässigte Katzenwelpen, abgemagert, krank und voller Flöhe, auf einem Parkplatz in Moers entdeckt worden. „Gerade in diesem Jahr sind ausgesetzte Katzen und Kleintiere wie Kaninchen ein großes Problem für die Tierheime. Sie werden einfach auf Parkplätzen, vor den Toren der Tierheime oder Tierarztpraxen ausgesetzt, oder noch schlimmer, einfach auf einer Wiese oder im Wald allein gelassen.“

Den Tierheimen dort ergeht es ähnlich wie in Köln: „Wir sind voll“, heißt es in Düsseldorf beim Clara Vahrenholz Tierheim. „Wir müssen Tiere ablehnen“, sagte eine Sprecherin des Bochumer Tierheims auf Anfrage. Da man verpflichtet sei, ausgesetzte Fundtiere aufzunehmen, müsse man folglich Hunde- oder Katzenbesitzer abweisen, die ihr Tier für die Urlaubszeit abgeben wollen. Der Bund Deutscher Tierfreunde kritisiert in einer Mitteilung, in der „herzlosen Gesellschaft“ werden „die Kuscheltiere schnell zur Last und dann einfach entsorgt“.

Für die Kostenübernahme schließen viele Kommunen mit Tierheimen nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums Verträge ab. „Einheitliche Sätze gibt es auch wegen unterschiedlicher Kostenstrukturen vor Ort hierbei nicht.“ Eine unzureichende Finanzierung wird aber schon länger kritisiert. Es brauche eine einheitliche Finanzierung der Tierheime, hatte jüngst auch der Landestierschutzbund im WDR verlangt. „Die Landesregierung müsste sich dazu bequemen, mal einheitliche Sätze pro Hund und Tag, pro Katze und Tag, festzulegen – das wäre schon mal extrem hilfreich für uns.“

Wer sich Tiere anschafft, muss mit ihnen durch dick und dünn gehen
Petra Gerigk, Tierheim Köln-Zollstock

Ein verbindlich vorgegebener Satz pro Fundtier wäre „nicht für jedes Tierheim wirtschaftlich sinnvoll“, so das Ministerium. Vom Land gebe es zahlreiche, teils seit Jahren laufende Förderprogramme für Tierheime – etwa für bauliche Maßnahmen. Und: „Um die unkontrollierte Vermehrung von freilaufenden Katzen einzudämmen, gibt es seit mehreren Jahren eine Katzenkastrationsförderung seitens des Landes, die sehr gut angenommen wird.“ Im Rahmen der Corona-Soforthilfen habe man 400.000 Euro im April 2020 als finanzielle Unterstützung für die Futterkosten der Tierheime bereitgestellt. Zudem hätten Finanzhilfen wegen steigender Energiekosten 2023 vielen Tierheimen geholfen. Nach früheren Angaben des Deutschen Tierschutzbund nehmen Tierheime bundesweit jedes Jahr mehrere hunderttausend Tiere auf.

Normalerweise entspannt sich die Situation in den Tierheimen im Spätsommer, wenn die Ferien enden und Urlaubstage aufgebraucht sind. Die Hoffnung darauf haben die Mitarbeiter des Tierheims in Köln-Zollstock in diesem Jahr nicht. „Es ist ja ein deutschlandweites Problem geworden“, sagt Petra Gerigk. Sie wünscht sich ein Eingreifen der Politik, eine größere Verpflichtung der Kommunen, eine Anpassung der Verträge. „Es kann nicht sein, dass die Tierschutzvereine mit den Kosten alleine dastehen.“

Ansonsten könne sie nur „an die Vernunft der Leute appellieren“, sagt Gerigk. „Wer sich Tiere anschafft, übernimmt eine Verantwortung für sie, man muss mit ihnen durch dick und dünn gehen. So, wie sie es auch für uns tun.“ (mit dpa)