Nach Razzien in Düsseldorf, Neuss und anderen NRW-Städten gibt es erheblichen Erklärungsbedarf auch in der landespolitischen Debatte.
KorruptionsverdachtSanierung der NRW-Staatskanzlei: Waren Betrug und Bestechung im Spiel?
Beträge im hohen einstelligen Millionenbereich soll ein mutmaßlicher Korruptionszirkel im Zuge der Sanierung der Staatskanzlei in Düsseldorf abgezweigt haben. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Justizkreisen erfuhr, könnte sich diese Schadensumme nach der großangelegten Razzia am Dienstagmorgen noch erhöhen.
Mehr als 200 Beamte vollstreckten 40 Durchsuchungsbeschlüsse in der Landeshauptstadt, Neuss, Mönchengladbach, Erkrath, Wegberg und Münster. Zu den 57 Objekten zählten auch Büros von Mitarbeitern des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) sowie Handwerksfirmen und ein Architektenbüro in Düsseldorf. In dem Büro war am Dienstag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.
Verdacht: Ausschreibung manipuliert
Zu den sieben Beschuldigten zählen Mitarbeiter des BLB und eines Architekturbüros sowie Firmenbetreiber. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal sowie Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) NRW hegen den Verdacht, dass die Tatverdächtigen die Ausschreibung für die Auftragsvergabe für die Installation der Beleuchtungsanlagen manipuliert haben. Jene Betriebe, die den Zuschlag erhielten, sollen mithilfe der BLB-Bediensteten und dem Architekturbüro in zahlreichen Fällen überhöhte Nachtragsrechnungen gestellt haben, die weit über das ursprünglich veranschlagte Lampenbudget hinaus gingen. Der mutmaßliche Korruptionszirkel soll zu Lasten des BLB gehandelt haben.
Das Verfahren geht auf eine Strafanzeige aus dem vergangenen Oktober zurück. Der Tippgeber wies laut den Ermittlern auf das mutmaßlich kriminelle Abrechnungssystem hin. Demnach sollen Summen gezahlt worden sein, die völlig überhöht waren. Die Nachforschungen des LKA sowie der BLB-Innenrevision erhärteten den Tatverdacht. Die strafrechtlichen Vorwürfe wiegen laut einem Behördensprecher schwer: Bestechung, Bestechlichkeit, wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, Untreue und Betrug. Mitarbeiter aus der Staatskanzlei sind nicht von den Ermittlungen betroffen.
Elisabeth Müller-Witt kritisiert mangelnde Transparenz bei Kosten
Bei der Landtagsopposition steht das Umbauprojekt Staatskanzlei seit Jahren in der Kritik. 2017 hatte der damalige Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den kostspieligen Umzug seines Regierungssitzes aus dem Düsseldorfer Stadttor, einem 80 Meter hohen Glaspalast, in das denkmalgeschützte Landeshaus am Horionplatz initiiert. Im Jahr darauf begannen die Umbau- und Sanierungsarbeiten. Seinerzeit betonte die Leiterin der Zentralabteilung der Staatskanzlei, dass „ein Gebäude ohne Protz“ entstehen werde, schlicht und günstig.
Offenbar trat das Gegenteil ein. Allein die neuen Fenster verschlangen Millionen, die Kosten für ein Sicherheitskonzept zum Schutz der Beschäftigten bis zum Regierungschef stiegen stetig.
Nach der Razzia wirft Elisabeth Müller-Witt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, der Landesregierung schlechtes Haushalten vor: „Nach der Kostenexplosion jetzt Korruptionsvorwürfe. Die Luxussanierung der NRW-Staatskanzlei des Ministerpräsidenten Hendrik Wüst kostet die Bürgerinnen und Bürger bereits mehr als 50 Millionen Euro – ein Fass ohne Boden.“ Müller-Witt sieht bei der Staatskanzlei mangelnde Transparenz in der Kostenfrage: „Da wurde gemauert, was das Zeug hält.“ Die SPD-Opposition fordert den Ministerpräsidenten Wüst und seinen Staatskanzlei-Chef, Nathanael Liminski (beide CDU) dazu auf, schnell für Klarheit zu sorgen. Zu lange habe die Staatskanzlei versucht, der Opposition „ein X für ein U vorzumachen“.
Henning Höne: „Dass ausgerechnet bei der Sanierung der Staatskanzlei Millionenbeträge veruntreut worden sein könnten, wirft ein kritisches Licht auf Management und politische Aufsicht“
Besorgt zeigt sich auch die FDP-Landtagsfraktion NRW angesichts der Korruptionsvorwürfe. „Das mögliche Ausmaß dieses Skandals gefährdet die Integrität staatlicher Institutionen. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe“, sagt der liberale Fraktionschef Henning Höne. Er sieht die schwarz-grüne Landesregierung in der Verantwortung, ihrer Kontrollfunktion über den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) gerecht zu werden. „Dass ausgerechnet bei der Sanierung der Staatskanzlei Millionenbeträge veruntreut worden sein könnten, wirft ein kritisches Licht auf Management und politische Aufsicht“, so Höne.
Die FDP-Landtagsfraktion NRW fordert die Offenlegung aller relevanten Informationen und eine Erklärung, warum bestehende Kontrollmechanismen versagt haben. Zudem verlangen die Liberalen eine Überprüfung der Strukturen des BLB NRW und klare Konsequenzen bei nachgewiesenen Verfehlungen. „Korruption hat in Nordrhein-Westfalen keinen Platz – weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst“, so Höne.
Staatskanzlei: Vorwürfe lückenlos aufklären
Eine Sprecherin der Staatskanzlei erklärte in einer Stellungnahme: „Die im Raum stehenden Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden.“ Selbstverständlich werde die Staatskanzlei wie auch die gesamte Landesregierung alles tun, um aktiv hierzu beizutragen. Ferner wies die Sprecherin daraufhin, dass es weder Durchsuchungsmaßnahmen in der Staatskanzlei gegeben habe, noch dass Mitarbeiter beschuldigt würden.
Bereits in der Vergangenheit geriet der BLB in negative Schlagzeilen. So hatte das Landgericht Düsseldorf den ehemaligen Chef des größten nordrhein-westfälischen Landesbetriebs, Ferdinand Tiggemann, im Februar 2017 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Im Jahr darauf wies der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten als unbegründet zurück.
Laut dem Düsseldorfer Schuldspruch hatte der einstige BLB-Geschäftsführer Informationen über anstehende Bauprojekte illegalerweise an einen Immobilienhändler weitergegeben. Der als unseriös geltende Makler habe die Erkenntnisse genutzt, um Grundstücke überteuert an den BLB zu veräußern. Dabei ging es auch um ein altes Speichergebäude in Duisburg. Auf dem Areal sollte das Landesarchiv entstehen. Durch die windigen Geschäfte entstand dem Steuerzahler laut Gericht ein Schaden von sechs Millionen Euro.