Antisemitismus in NRWMann schockiert jüdische Senioren in Bonn mit Aschenbecher-Drohung

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Jörg Rensmann, Projektleiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus NRW, Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend, Familie in Nordrhein-Westfalen und Nicole Pastuhoff, Präsidentin des jüdischen Studierendenverbands (links), stellen im Landtag den Jahresbericht RIAS NRW 2023, vor.

Jörg Rensmann, Projektleiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus NRW, Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend und Familie in Nordrhein-Westfalen und Nicole Pastuhoff, Präsidentin des jüdischen Studierendenverbands (links), haben Jahresbericht RIAS NRW 2023, vorgestellt.

Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in NRW ist dramatisch angestiegen. Nur ein Drittel wurde bei der Polizei angezeigt. 

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hat im vergangenen Jahr insgesamt 664 antisemitische Vorfälle in NRW erfasst, das entspricht einer Steigerung von 152 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (264 Vorfälle). Diese Zahl gab RIAS am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts für 2023 vor Journalisten in Düsseldorf bekannt. Danach gab es in NRW durchschnittlich 13 antisemitische Vorfälle pro Woche.  Im Jahr 2022 waren es noch durchschnittlich fünf Vorfälle pro Woche.

„Judenhass ist Gift für die Gesellschaft“

Bei RIAS können Menschen, die von Antisemitismus betroffen sind, Vorfälle melden, die oft außerhalb des Radars der Sicherheitsbehörden bleiben. NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) sagte, RIAS leiste eine wertvolle Arbeit bei der Aufhellung des antisemitischen Dunkelfelds. „So erhalten wir frühzeitige Warnsignale, die den Antisemitismus in seinen vielfältigen Erscheinungsformen sichtbar und nachvollziehbar machen“, so Paul. Antisemitismus sei „Gift für unsere demokratische Gesellschaft“ und eine „reale Bedrohung für die in unserem Land lebenden Jüdinnen und Juden“.

Insgesamt wurden zwei Fälle von extremer Gewalt, 16 Angriffe, 16 Bedrohungen, 59 gezielte Sachbeschädigungen, zehn Massenzuschriften, 117 Versammlungen, fünf Diskriminierungen sowie 439 Fälle von verletzendem Verhalten registriert.  

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Mit 372 Vorfällen war der israelbezogene Antisemitismus im Jahr 2023 demnach die mit Abstand am häufigsten dokumentierte Erscheinungsform. 82 Prozent dieser Vorfälle ereigneten sich nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober. „Sie äußerten sich vor allem in der Delegitimierung und Dämonisierung Israels oder darin, dass Jüdinnen und Juden in NRW persönlich für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich gemacht wurden“, sagte RIAS-Projektleiter Jörg Rensmann.

In 206 Vorfällen wurden dem Bericht zufolge Narrative des „Post-Schoa-Antisemitismus“ bedient. Dabei wurde der Holocaust geleugnet oder relativiert. In 85 Fällen standen im Zusammenhang mit Verschwörungsmythen, in denen Juden eine vermeintliche „Weltverschwörung“ zugeschrieben wird. Die meisten Vorfälle fanden auf der Straße (201) und in Bildungseinrichtungen (73) statt. In 65 Fällen wurden Juden im Internet angefeindet.

Polizist riet Ehepaar von Anzeige ab, dann nahm Kölner Staatsschutz Ermittlungen auf

Vorfälle im Wohnumfeld seien für die Betroffenen oft besonders beängstigend, sagte Rensmann. So wurde ein älteres Ehepaar in Bonn mehrfach an seiner Wohnungstür bedroht. „Der Mann ist Israeli und die Frau deutsche Jüdin, beide sind vor Ort für ihr Engagement für jüdisches Leben bekannt“, sagte der RIAS-Sprecher. Im Oktober habe ein Mann an ihrer Tür geklingelt und gesagt: „Beim nächsten Mal komme ich mit meinem großen Aschenbecher und da passt die Asche von 500 Güterwagen rein.“ Das Ehepaar wollte den Vorfall bei der Polizei zur Anzeige bringen. „Aber der Polizeibeamte vor Ort riet ihnen von einer Anzeige ab, auch weil er den antisemitischen Inhalt des Satzes nicht erkennen konnte“, so Rensmann. Erst nach der Intervention von RIAS nahm der Kölner Staatsschutz Ermittlungen auf.

Nicole Pastuhoff, Präsidentin des Jüdischen Studierendenverbands NRW, wies darauf hin, dass die Situation auch an den Hochschulen zum Teil bedrohlich sei. Solidaritätsaktionen für Israel und gegen Antisemitismus an Hochschulen würden gezielt von antiisraelischen Aktivistinnen angegriffen, Plakate für die von der Hamas verschleppten Geiseln gezielt entfernt.

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