Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegt ein Bericht vor, der den Austausch von Textnachrichten zwischen Innen- und Flüchtlingsministerium nachzeichnet.
Nach Attentat in SolingenWarum lief die Kommunikation zwischen den Ministerien so schlecht?

Der Fronhof in Soligen vier Wochen nach dem Attentat während der 650-Jahr-Feier.
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Seit Wochen versucht der parlamentarische Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag die Kommunikationsstränge der Landesregierung nach dem islamistischen Attentat in Solingen mit drei Toten am Abend des 23. August 2024 aufzuklären. Die bisherigen Nachforschungen legten bereits Kommunikationspannen zwischen dem Innen- und dem Flüchtlingsministerium nahe. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegt inzwischen ein zweiseitiger Bericht über Kommunikationsinhalte zwischen dem Staatssekretär aus dem Flüchtlingsressort, Lorenz Bahr-Hedemann, und seiner Amtskollegin aus dem Innenministerium, Daniela Lesmeister, vor. Demnach wusste eine Hand nicht, was die andere tat. Folgt man den Gesprächsinhalten vom Tag nach dem Anschlag, so ließ Lesmeister ihren Kollegen im Dunklen über die Erkenntnisse zum seinerzeit noch gesuchten Tatverdächtigen Issa Al H..
Um weitere Aufklärung wurde gebeten
Gegen 16.45 Uhr soll Bahr-Hedemann seine Kollegin laut Bericht um weitere Aufklärung zu einem vermeintlichen 15-jährigen Vertrauten des Tatverdächtigen gebeten haben, da man über keine Meldung bezüglich des wichtigen Ereignisses verfüge: Er schrieb demnach auch: „und sag mir bitte vorab, ob es eine Landeseinrichtung war ?“ Damit wollte der Staatssekretär wissen, in welcher Flüchtlingsunterkunft der junge Mann gelebt hatte. „Melde mich gleich“, soll Lesmeisters Antwort gewesen sein.
Das Gegenteil war wohl der Fall. Vor allem über die Medien und Recherchen von Ministerialen erfuhr die Spitze um Ministerin Paul weitere Details zum Täter und dem Sachverhalt. Um 22.48 Uhr soll Flüchtlingsstaatssekretär Bahr-Hedemann dann einen neuen Notruf an Lesmeister abgeschickt haben: „Liebe Daniela, es tut mit leid, dass ich Dich noch einmal behelligen muss. Leider habe ich keine neuen Infos von Euch erhalten, weder über Dich noch über das Landeskriminalamt oder über unser Haus. Das ist problematisch.“
Demnach fehlten dem Flüchtlingsministerium nach dem Attentat wichtige Informationen, während die Staatssekretärin aus dem Innenministerium Informationen zurückhielt. „Der Presse kann ich entnehmen“, so Bahr-Hedemann, „dass ihr mit Unterstützung durch ein Spezialeinsatzkommando in eine Flüchtlingsunterkunft gegangen seid, um den Täter zu verhaften. Bitte haltet uns doch auf dem Laufenden, denn es ist doch klar, dass wir zu dem Tatverdächtigen, zu dessen Geflüchteten-Geschichte, Aufenthaltsstatus etc. befragt werden.“ So eine Passage aus dem vorliegenden Bericht.
Inzwischen hatten die Terrorfahnder den gesuchten Issa Al H. gefasst. Allerdings versäumte Innenstaatssekretärin Lesmeister, ihren Kollegen zu unterrichten. Um kurz vor 13 Uhr am 25. August meldete sich der Flüchtlingsstaatsekretär bei Lesmeister wohl erneut: „Liebe Daniela, ich bin erschreckt, über welche Informationen die Presse verfügt.“ Dabei hob er vor allen Dingen auf das Abschiebeversagen des Landes ab, die den IS-Attentäter nicht nach dem Dublin-Abkommen gen Bulgarien außer Landes bringen konnten. „Und natürlich ist es, dass nicht nur bei Euch, sondern eben erwartungsgemäß auch bei uns reihenweise Presseanfragen eingehen“, ließ Bahr-Hedemann seine Kollegin wissen. Schließlich drückte Innenstaatssekretärin Lesmeister ihrem Amtskollegen ihr Mitgefühl aus. Das Problem mit den Presseanfragen habe man immer wieder, ließ sie wissen.
In der Folge gab es beim Flüchtlingsministerium große Probleme, die Medienanfragen zu beantworten. Paul benötigte zwei Tage, um erste Antworten zum Abschiebefall des Solinger Attentäters zu liefern.
Im Rückblick erklärte Lesmeister auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass sie die Nachricht von ihrem Amtskollegen an jenem Abend nicht wahrgenommen habe. Erst Ende Oktober 2024 wurde sie durch eine kleine Anfrage auf die entgangene Nachricht aufmerksam. Daraufhin hatte Lesmeister ihren Kollegen aus dem Flüchtlingsministerium gebeten, ihr den besagten Post vom Abend des 24. August nachträglich nochmals zuzusenden. Wie sich jetzt herausstellt, musste ihr Amtskollege später feststellen, dass es keine Sendebestätigung gegeben habe. Die nächste Sitzung des U-Ausschusses findet am 2.5. statt; als Zeugin soll Bundesinnenministerin Faeser aussagen.