Die Ampel in Berlin will das Staatsangehörigkeitsrecht reformieren. Die SPD befürchtet, dass NRW den Vorstoß ausbremst, wenn den Kommunen die nötige Infrastruktur zur Bewältigung der Anträge nicht zur Verfügung gestellt wird.
1,5 Millionen Migranten können Anträge stellenNRW steht vor einer Einbürgerungswelle
In NRW leben etwa 5,6 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte – das sind rund 30,1 Prozent der Gesamtbevölkerung des Bundeslandes. Viele von ihnen leben schon seit Jahrzehnten in NRW, kamen mit den ersten Abkommen zur Anwerbung von Arbeitskräften ins Land. Damals gab es keine Integrationsmaßnahmen oder Sprachkurse. Der Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft blieb ihnen verwehrt.
Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts will die Ampel-Koalition das jetzt ändern. „Ich rechne damit, dass dann rund 1,5 Millionen Menschen in NRW zugangsberechtigt sein werden“, schätzt Volkan Baran, Integrationsexperte der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. „Die Landesregierung muss den Kommunen dabei helfen, sich auf die große Nachfrage vorzubereiten“, fordert der gelernte Bergmechaniker aus Lünen.
Entscheidend für die erste Generation der Arbeitsmigranten ist eine Erleichterung beim Sprachtest
Nach den bisherigen Plänen der Bundesregierung soll die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in diesem Herbst verabschiedet werden. Der Schritt sei ein wichtiges Zeichen von Dankbarkeit und Respekt an die erste Generation der Arbeitsmigranten, sagt Baran. „Die Menschen kamen nach Deutschland und arbeiteten hier meist in körperlich anstrengenden Berufen, wie im Bergbau, der Stahlindustrie oder auf dem Bau unter zumeist sehr schwierigen Bedingungen. Obwohl sie wesentlich zum frühen wirtschaftlichen Erfolg in der Nachkriegszeit beitrugen, wird ihre Rolle dabei oft übersehen.“
Die Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts sieht vor, dass die Aufenthaltsdauer bis zur Möglichkeit der Einbürgerung von acht auf fünf Jahren verkürzt wird. Bei „besonderen Integrationsleistungen“ ist eine weitere Verkürzung der Frist möglich.
Entscheidend für die erste Generation der Arbeitsmigranten ist eine Erleichterung beim Sprachtest. So soll es bei Menschen ab 67 Jahren künftig ausreichen, wenn sie sich mündlich im Alltag verständigen können. Formelle Sprach- und Wissenstests, die oftmals eine hohe Hürde darstellen, entfallen für diese Altersklasse. Bisherige Staatsangehörigkeiten sollen grundsätzlich kein Hindernis mehr für eine Einbürgerung sein.
Von der Reform sollen auch Deutsche im Ausland profizieren. Sie sollen künftig in anderen Staaten Staatbürgerschaften erwerben können, ohne den deutschen Pass abgeben zu müssen. In Deutschland geborene Kinder sollen automatisch Deutsche werden, sofern ein Elternteil seit fünf Jahren einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus besitzt.
NRW soll Kampagne starten und behördliche Verfahren beschleunigen
Die SPD fordert die Landesregierung jetzt auf, eine Kampagne für die Einbürgerung zu starten. Eine Expertenanhörung soll Optionen aufzeigen, wie der Einbürgerungsprozess operativ unterstützt und beschleunigt werden kann. „Die Behörden müssen sowohl technisch als auch personell angemessen ausgestattet werden, um die voraussichtlichen Mehranträge bearbeiten und abschließen zu können“, heißt es in einem Antrag der Landtagsfraktion.
Nach Aussage der Opposition müssen Migranten in NRW oft bis zu 18 Monate warten, bis ihr Antrag auf Einbürgerung bearbeitet wird. Die Landesregierung habe bislang ein klares Bekenntnis zu dem Reform-Plänen vermissen lassen, heißt es. Vor allem bei der CDU gibt es Ressentiments.
Gregor Golland, Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, sieht die geplanten Änderungen kritisch. „Die Einbürgerung ist Ergebnis, nicht Beginn, gelungener Integration“, sagte der Unions-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger. „Wir freuen uns, wenn Menschen nach erfolgreicher Integration Deutsche werden möchten.“ Dies sei aber bereits heute möglich, so Golland.
In Kommunen wie Bielefeld liegt der Anteil von Menschen mit Einwanderungsgeschichte bei über 40 Prozent. In Düsseldorf beträgt ihr Anteil 40,8, in Wuppertal 42,6 Prozent. Den höchsten Anteil weist Hagen auf – dort haben 43,3 Prozent der Bürger eine Migrationsgeschichte.