Ein AKP-Politiker kündigte in einer Neusser Moschee die „Vernichtung“ politischer Gegner an. Nun prüft die Staatsanwaltschaft ein Video der Rede, auch das Auswärtige Amt schaltet sich ein.
AKP-Politiker-Rede in Neuss„Wir werden sie aus den Löchern rausziehen und vernichten“
Der Wahlkampfauftritt eines türkischen AKP-Politikers in einer Neusser Moschee ruft den Staatsschutz auf den Plan. Der Abgeordnete Mustafa Açıkgöz hat in seiner Rede die „Vernichtung“ der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Anhänger der Gülen-Bewegung angekündigt. Das Video des Auftritts verbreitete sich auf Twitter, mehrere Menschen erstatteten Anzeige wegen Volksverhetzung. Das Auswärtige Amt bestellte am Dienstag den türkischen Botschafter ein.
„Genau wie wir ihnen kein Lebensrecht in der Türkei geben, werden wir es ihnen auch nicht in Deutschland geben“, sagte Açıkgöz in der Moschee. Die Anhänger der kurdischen PKK nennt der Politiker „gottlose Feinde der Religion“, die Gülen-Bewegung eine „niederträchtige Terrororganisation“, die den muslimischen Glauben „christianisieren“ wolle. „Mit Allahs Erlaubnis werden wir sie überall auf der Welt aus den Löchern, in die sie sich verkrochen haben, rausziehen und vernichten“, schloss Açıkgöz. Der Publizist und Berliner Landesvorsitzende des Vereins „Liberale Vielfalt“, Eren Güvercin, veröffentlichte eine Übersetzung der Rede auf Twitter.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf prüft nun den Inhalt des Videos, teilte sie am Dienstag mit. Das Auswärtige Amt lud den türkischen Botschafter in Berlin zu einem Gespräch ein. „Auftritte wie der eines türkischen Abgeordneten in Neuss dürfen sich nicht wiederholen. Hetze und Hassrede haben in Deutschland nichts verloren“, begründete das Auswärtige Amt. „Dabei haben wir unmissverständlich in Erinnerung gerufen, dass ausländische Wahlkampfveranstaltungen vorher von uns genehmigt werden müssen.“ Wenn sich türkische Vertreter nicht an die Spielregeln halten würden, müsse man Konsequenzen prüfen.
Yunus-Emre-Moschee in Neuss steht den rechtsextremen Grauen Wölfen nahe
Die schnelle Reaktion des Auswärtigen Amtes habe ihn positiv überrascht, sagt Eren Güvercin. „So eine Wahlkampfhetze von AKP-Politikern gefährdet unseren gesellschaftlichen Frieden.“ Die PKK und die Gülen-Bewegung hätten in der Rede nur als Chiffre gedient; Gemeint sei die Vernichtung von jeglichen oppositionellen Gruppen und Erdogan-Kritikern. „Moscheen dürfen nicht Filialen einer antidemokratischen Politik sein, die Minderheiten verfolgt und Andersdenkende als Terroristen labelt. Ich erwarte als deutscher Bürger und deutscher Muslim, dass die Bundesregierung die muslimischen Moscheeverbände konfrontiert, in denen diese Propaganda in jedem Wahlkampf stattfindet.“
Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass AKP-Politiker in deutschen Moscheen Wahlkampf betreiben. Die nächsten Wahlen in Ankara stehen im Frühsommer an und der Sieg ist für die rechtspopulistische AKP längst nicht gewiss. Umso wichtiger sind die Stimmen der 1,4 Millionen wahlberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die in Deutschland leben. „Es geht für Erdogan und die AKP um den Machterhalt. Es ist eine Schicksalswahl, die besonders knapp wird“, sagt Güvercin. Seit September 2022 hätten AKP-Politiker in über 40 DITIB-Gemeinden Wahlkampfauftritte gemacht.
In dem Café der Yunus-Emre-Moschee in Neuss, die Açıkgöz für seinen Auftritt wählte, war ihm der Applaus der Anwesenden gewiss: Die Moschee gehört einem Großverband der rechtsextremen Grauen Wölfe an. Die Organisation wird in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet, als Feindbilder gelten neben Kurden und Alewiten auch Juden. Hassreden wie die von Açıkgöz fallen bei den Grauen Wölfen auf fruchtbaren Boden, so Güvercin. „Wir dürfen uns nicht wundern, wenn dann ein Anhänger der Grauen Wölfe solche Aufträge in die Tat umsetzt und Kritiker bedroht oder angreift.“
Grüne: Auftritt sei „brandgefährlich und inakzeptabel“
Auch Berivan Aymaz, Sprecherin für Internationales der Grünen Landtagsfraktion in NRW, kritisiert den Auftritt des AKP-Politikers scharf. „Es ist brandgefährlich und absolut inakzeptabel, dass ein türkischer AKP-Abgeordneter in einer Neusser Moschee zur Vernichtung von politischen Gegnern aufgerufen hat, die er pauschal als Anhänger der PKK und Gülen-Bewegung diffamiert“, so die Vizepräsidentin des Landtags. Rechtsnationale Kräfte und auch Regierungspolitiker aus der Türkei würden immer wieder unverhohlen mit Gewalt gegenüber Regimekritikern und religiösen Minderheiten drohen – gerade zu Zeiten des Wahlkampfes. „Politik und Sicherheitsbehörden müssen besonders sensibilisiert sein, auch gegenüber rechtsnationalen türkischen Strukturen vor Ort, damit die Sicherheit von Kritikern des türkischen Regimes und anderer bedrohter Personen gewährleistet wird.“
Zu lange seien türkischstämmige Menschen jedoch von der deutschen Politik mit der Propaganda der AKP alleine gelassen worden, kritisiert Güvercin. Als die DITIB in den 80er Jahren gegründet wurde, sei man in Deutschland noch glücklich gewesen, dass die Türkei sich um ihre Staatsangehörigen im Ausland kümmere. „Diese Menschen wurden von der Politik nicht als deutsche Bürger wahrgenommen“, kritisiert der gebürtige Kölner. „Auch heute muss die Regierung selbstbewusster Richtung Ankara signalisieren: Das sind unsere Bürger.“