AboAbonnieren

NRW-CheckSo denken NRW-Wähler über Wüst, Habeck und die Kanzlerfrage

Lesezeit 10 Minuten
Friedrich Merz (vorn), CDU-Bundesvorsitzender und CDU/CSU Fraktionsvorsitzender im Bundestag, spricht vor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nach der Regierungserklärung zu den Gipfeltreffen von EU und NATO im Bundestag.

Im aktuellen NRW-Check liegt Friedrich Merz' CDU in der Wählergunst vorne. (Archivbild)

Im aktuellen NRW-Check wird deutlich, wie zufrieden die Menschen im Land mit der Arbeit von Ministerpräsident Wüst sind – und wen sie wählen wollen.

Mit Blick auf drängende Probleme für das Leben der Menschen in Nordrhein-Westfalen zweifeln die Bürgerinnen und Bürger an der Lösungskompetenz der Politik. Im „NRW-Check“ sagen 45 Prozent der Befragten, keine Partei werde mit den Problemen fertig. Das ist allerdings auch der niedrigste Wert seit dem Start der Umfrage-Serie vor drei Jahren. Damals – wenige Monate vor der Landtagswahl am 15. Mai 2022 – gaben 55 Prozent der Befragten an, sie trauten keiner Partei die Lösung der Probleme im Land zu. Zeitweilig sank der Wert auf die jetzt erneut erreichten 45 Prozent (März 22). Danach stieg er aber wieder und pendelte seither um die 50-Prozent-Marke.

Eine stetig steigende Tendenz weist die Kompetenz-Kurve der CDU auf. Die größere der beiden Regierungsparteien startete vor drei Jahren bei 18 Prozent. Unterdessen schreibt ihr fast ein Drittel (32 Prozent) der Menschen in NRW am ehesten die Fähigkeit zur Bewältigung der Probleme im Land zu. Die mitregierenden Grünen liegen mehr oder weniger konstant bei einem einstelligen Wert. Zurzeit sind es 7 Prozent. Ein Ausreißer nach oben waren 11 Prozent Kompetenzzuschreibung kurz nach der Regierungsbildung im Spätsommer 2022.

NRW-Check: Wählerinnen und Wähler vertrauen SPD immer weniger

Dagegen hat die SPD als größte Oppositionspartei seit dem Antritt der schwarz-grünen Koalition mit einem schon dramatisch zu nennenden Einbruch zu kämpfen. Sahen im März 2022 noch 16 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die höchste Lösungskompetenz unter allen Parteien bei den Sozialdemokraten, sind es aktuell gerade noch 6 Prozent. Die FDP, die in dieser Frage zu ihren besten Zeiten auf 5 Prozent kam, liegt unterdessen nur noch knapp oberhalb der Nulllinie – bei 1 Prozent.

Beachtlich ist bei der Kompetenz-Zumessung – wie auch in anderen Bereichen der Landespolitik – die überdurchschnittliche Identifikation der CDU-Anhängerschaft mit ihrer Partei. Zwar liegt es nahe, dass die jeweils eigene Klientel ihre Partei für besonders fähig hält. Bei den CDU-Anhängern sind es allerdings rekordverdächtige 82 Prozent. In ihren Augen kann keine andere als die eigene Partei bestehen: SPD, Grüne, FDP und „sonstige Parteien“ (die Umfrage weist die AfD hier nicht eigens aus) kommen bei der Kompetenzzuschreibung durch die Parteigänger der Union auf 0 Prozent. Nur 18 Prozent von ihnen halten keine Partei für fähig, mit den Problemen des Landes fertig zu werden.

AfD-Parteigänger glauben, dass keine Partei mit Problemen fertig wird

Demgegenüber sind die Anhänger von SPD, Grünen und AfD von der Lösungskompetenz ihrer Partei weit weniger überzeugt. Am höchsten liegt der Wert noch bei der AfD (49 Prozent) – mit einem minimalen Streueffekt in Richtung der CDU (5 Prozent) sowie der SPD und der Grünen (jeweils 1 Prozent). Für eine verbreitete generelle Politik-Skepsis spricht die Angabe der AfD-Anhänger, dass keine Partei mit den Problemen des Landes fertig werde.

Noch ausgeprägter (46 Prozent) ist diese Haltung freilich in der Anhängerschaft der SPD. Damit ist deren Zweifel an den Möglichkeiten der Politik insgesamt sogar größer als das Zutrauen zur eigenen Partei (43 Prozent). Ein ähnliches Bild – auf etwas niedrigerem Niveau – ergibt sich bei den Grünen-Anhängern. 39 Prozent halten die eigene Partei am ehesten für kompetent zur Lösung der Probleme in NRW. 13 Prozent billigen dies der CDU zu, 43 Prozent hingegen keiner Partei.

Die kritische Sicht der Bürgerinnen und Bürger auf die Landespolitik konkretisiert sich in zentralen Fragen, die auch auf der Liste der größten Probleme weit oben liegen.

Beim drängenden, viel diskutierten Thema Zuwanderung etwa sind fast drei Viertel der Befragten (72 Prozent) der Ansicht, die Bewältigung gelinge weniger gut oder schlecht. Nur ein Viertel (24 Prozent) schätzt die Bewältigung der Zuwanderung als sehr gut bis gut ein.

Fast vollständig negativ ist hier die Sicht der AfD-Anhängerschaft mit einem Spitzenwert von 97 Prozent. Die Anhängerschaft von SPD und CDU liegt mit 77 Prozent beziehungsweise 69 Prozent in der Nähe des Durchschnitts. Nur bei den Grünen-Anhängern hält die Einschätzung sich die Waage: 47 Prozent beurteilen die Bewältigung der Zuwanderung positiv, 45 Prozent negativ.

Die insgesamt negative Sicht spiegelt sich in der Wahrnehmung und Bewertung der für Integration zuständigen Ministerin. Josefine Paul (Grüne) kommt im Politiker-Ranking des „NRW-Check“ auf den niedrigsten Kompetenzwert (19 Prozent) aller Regierungsmitglieder.

Noch eindeutiger positioniert sind die Menschen in der Frage nach der Situation der Kitas und der Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen.

82 Prozent der Bürgerinnen und Bürger schätzen die Lage der Kitas als weniger gut bis schlecht ein. Nur 7 Prozent sprechen von einer guten bis sehr guten Situation. Diese ausnehmend negative Sicht findet sich gleichermaßen in kinderlosen Haushalten wie in Haushalten mit Kindern (hier noch leicht verstärkt, 89 Prozent), bei den Bewohnern kleiner Ortschaften ebenso wie bei Großstädtern. Auch die Bewertung durch die Anhänger der unterschiedlichen Parteien fällt in dieser Frage fast identisch aus. Leicht über dem Durchschnitt liegt nur der Zufriedenheitswert der CDU-Anhänger (12 Prozent).

76 Prozent der Bürger und Bürgerinnen unzufrieden mit Schulpolitik

Das geradezu vernichtende Urteil zur Kita-Situation legt auch hier einen Zusammenhang mit der schlechten Bewertung von Ministerin Josefine Paul nahe, in deren Ressortverantwortung Kinder und Jugend fallen.

Kaum weniger düster fällt die Sicht der Bevölkerung auf die Schulpolitik aus. 76 Prozent aller Befragten zeigen sich unzufrieden, nur 11 Prozent zufrieden. Noch größer ist die Unzufriedenheit bei den Befragten mit Kindern (78 Prozent).

Aufgeschlüsselt nach der Parteipräferenz, ist die AfD-Anhängerschaft – wie auch bei allen anderen politischen Sachfragen – mit 90 Prozent die unzufriedenste. Überdurchschnittlich zufrieden (20 Prozent) sind nur die Anhänger der CDU, der Partei von Schulministerin Dorothee Feller. In der Bewertung ihrer Kompetenz liegt Feller mit 29 Prozent am unteren Ende der Politiker-Skala.

Alarmierend ist die Einschätzung der Menschen zur Kriminalitätsentwicklung. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) haben den Eindruck, die Kriminalität in NRW habe „in den letzten Jahren zugenommen“. Ein Viertel hält sie für „weitgehend unverändert“, nur 4 Prozent sprechen von einer Abnahme.

Einschätzung und Tatsachen gehen bei Kriminalität weit auseinander

Misst man dies an den Daten der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS), so zeigt sich ein gewisser Unterschied zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit. Zwar ist die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten pro 100.000 Einwohner in den Jahren 2022 und 2023 tatsächlich auf zuletzt 7789 gestiegen. Sie liegt damit aber nicht viel höher als 2017 (7677) und erheblich niedriger als im Rekordjahr der vergangenen Dekade, 2015. Für dieses Jahr weist die PKS 8603 erfasste Straftaten pro 100.000 Einwohner aus. Bei der Vorstellung der PKS 2023 wies Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) überdies auf eine Aufklärungsquote von 54,2 Prozent hin – den besten Wert seit mehr als 60 Jahren.

Interessanterweise lasten die Bürgerinnen und Bürger ihre Wahrnehmung steigender Kriminalität im Land nicht dem zuständigen Minister an – im Gegenteil: Im Politiker-Ranking des „NRW-Check“ erreicht Reul schon fast traditionell Spitzenwerte. So ist er nicht nur der bekannteste Landespolitiker nach Ministerpräsident Hendrik Wüst, sondern gilt auch als der Kompetenteste im Kabinett: 76 Prozent schätzen seine Fähigkeiten als gut ein. Reul lässt hier den Regierungschef hinter sich, der auf 68 Prozent kommt, gefolgt von Karl-Josef Laumann (Arbeit, Gesundheit, Soziales) mit 66 Prozent und – in weitem Abstand – Wirtschaftsministerin Mona Neubaur von den Grünen mit 51 Prozent.

In ihrem Alltag fühlen sich die Menschen in NRW überwiegend sicher. Zwei Drittel aller Befragten (67 Prozent) äußern sich in diesem Sinne. Ein Drittel (31 Prozent) fühlt sich weniger oder gar nicht sicher. Das Sicherheitsempfinden vor Ort ist bei Männern und Frauen fast identisch.

Eine deutliche Kluft weist das Stimmungsbild allerdings zwischen den Bewohnern kleinerer und mittlerer Kommunen einerseits, den größeren Städten andererseits auf. Am sichersten fühlen sich die Menschen in Ortschaften mit weniger als 20.000 Einwohnern (84 Prozent). In mittleren Kommunen bis 100.000 Einwohner sind es noch 74 Prozent, in Großstädten bis 500.000 Einwohner sinkt der Wert auf 59 Prozent. In den Metropolen des Landes sagen dann nur noch 53 Prozent, sie fühlten sich sicher. Der Anteil der Menschen mit einem Gefühl der Unsicherheit steigt von 14 Prozent in den kleinen Kommunen bis auf 43 Prozent in Städten mit mehr als einer halben Million Einwohner.

Bemerkenswert ist auch die Spreizung zwischen den Alterskohorten: Am sichersten fühlen sich die jungen Menschen bis 29 (80 Prozent) und die Älteren ab 60 Jahren (70 Prozent). Das Unsicherheitsgefühl liegt in diesen beiden Bevölkerungsgruppen bei nur 19 beziehungsweise 28 Prozent. Hingegen sprechen 41 Prozent der 45- bis 59-Jährigen von einem Gefühl der Unsicherheit an ihrem Wohnort, bei den 30- bis 44-Jährigen sind es 31 Prozent. Sicher fühlen sich die Menschen zwischen 30 und 44 zu 66 Prozent. Bei den 45- bis 59-Jährigen sind es nur mehr 57 Prozent.

In kleine Orten halten 80 Prozent das ÖPNV-Angebot für schlecht

Überwiegend kritisch sehen die Menschen in Nordrhein-Westfalens auch den Verkehr in ihrem Wohnort. Als weniger gut oder schlecht bewertet mehr als die Hälfte sowohl die Lage für die Autofahrer (58 Prozent) als auch das Angebot an Bussen und Bahnen (56 Prozent) wie an Radwegen (53 Prozent). Positiv bewertet wird in der eigenen Kommune nur die Situation für Fußgänger (70 Prozent).

Auch in dieser Frage unterscheiden sich Großstädter erheblich von den Bewohnern kleinerer Städte und Gemeinden. Mit zunehmender Größe der Kommune wächst der Unmut der Einwohnerschaft. Generell am zufriedensten sind die Menschen in Ortschaften mit weniger als 20.000 Einwohnern. Sie hadern lediglich mit dem ÖPNV, dessen Angebot 80 Prozent für schlecht halten. Umgekehrt erachten die Menschen in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln zu 49 Prozent für gut. Besonders negativ fällt das Urteil über die Situation für Autofahrer in den Metropolen mit mehr als 500.000 Einwohnern aus: 79 Prozent sagen hier, die Lage sei schlecht. Nur 14 Prozent halten sie für gut.

Großstadtbewohnende in NRW sind unzufrieden mit der lokalen Politik

Ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Ortsgröße und Zufriedenheit ergibt sich in der Frage nach der Arbeit der kommunalen Spitzenpolitiker und der Verwaltung. Insgesamt fällen die Menschen in Nordrhein ein positives Urteil: 51 Prozent sind mit ihren Oberbürgermeistern oder Bürgermeisterinnen zufrieden, 38 Prozent äußern sich unzufrieden. Die Arbeit der Verwaltung halten 48 Prozent für gut, 41 Prozent sind gegenteiliger Meinung.

In den kleinen Ortschaften schnellen die Positiv-Werte nach oben: Bei 62 Prozent liegt hier die Zufriedenheit mit Bürgermeister oder Bürgermeisterin. Die Gemeindeverwaltung steht mit 67 Prozent Zufriedenheit in den Augen der Bevölkerung sogar noch besser da. Diese Werte verschlechtern sich in den größeren Städten. Am deutlichsten ist das in den Großstädten des Landes mit mehr als 500.000 Einwohnern, unter ihnen Köln: Hier wird die Arbeit der Oberbürgermeister nur von 41 Prozent der Befragten positiv beurteilt, ein gleich großer Anteil der Menschen ist unzufrieden. Die Sicht auf die Verwaltung in den Metropolen ist noch negativer: 43 Prozent Unzufriedenen stehen lediglich 37 Prozent Zufriedene gegenüber.

Ein knappes Vierteljahr vor der geplanten Bundestagswahl am 23. Februar hat der „NRW-Check“ die Bürgerinnen und Bürger des Landes auch nach ihrer Kanzlerpräferenz gefragt. Zum ersten Mal in der Wahlgeschichte der Bundesrepublik haben vier Parteien eigene Kandidaten für das Amt des Regierungschefs benannt, obwohl dieser nicht direkt vom Volk gewählt wird.

„Sonntagsfrage“: Habeck fast so beliebt wie Merz

Bei den Wählerinnen und Wählern in NRW reicht der Kandidat der Grünen, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, mit 23 Prozent fast an den Oppositionsführer im Bundestag, Friedrich Merz (CDU), als Kandidat der CDU/CSU (27 Prozent) heran. Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) liegt mit 11 Prozent weit abgeschlagen dahinter – und gleichauf mit der AfD-Kandidatin Alice Weidel. Mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten in NRW (28 Prozent) gaben an, sie würden sich bei einer Direktwahl des Kanzlers bzw. der Kanzlerin für keinen der genannten Kandidaten entscheiden.

Habeck verdankt sein gutes Abschneiden im Verhältnis zum führenden Merz vor allem einem außerordentlich starken Rückhalt in der eigenen Klientel. 87 Prozent der Grünen-Anhängerschaft würden Habeck ihre Stimme geben. Merz dagegen kommt in der CDU-Anhängerschaft nur auf 74 Prozent. Noch schlechter steht Olaf Scholz da: Unter den SPD-Sympathisanten hat er nur die Unterstützung von 57 Prozent. Hingegen geben 22 Prozent der SPD-Anhänger an, sie würden stattdessen für Habeck stimmen. Für Alice Weidel als Kanzlerin würden sich 74 Prozent der AfD-Anhänger entscheiden. Immerhin 13 Prozent gäben ihre Stimme lieber dem Unionskandidaten Merz.

Während Habeck überdurchschnittlich bei den Wählerinnen punkten kann (27 Prozent Unterstützung von Frauen, nur 19 Prozent von Männern), kommt Merz besonders gut bei den Männern an: Bei ihnen erreicht er 32 Prozent. Frauen würden ihn nur zu 23 Prozent wählen.