Zu viele Kinder in NRW werden mit mangelnden Deutschkenntnissen eingeschult. Experten fordern dringend eine Kitapflicht.
NRW schneidet schlecht abJedes dritte Kind mit Migrationshintergrund besucht keine Kita
Nordrhein-Westfalen ist beim Bildungsmonitor 2024 des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) erneut auf dem drittletzten Platz gelandet. Die Studienautoren legen diesmal aber an einer besonders wichtigen Stelle den Finger in die Wunde: Die Politik habe zu wenig im Blick, dass mangelnde Deutschkenntnisse die schulischen Leistungen von immer mehr Kindern belasten. Laut den Studienautoren haben derzeit 40 Prozent der zugewanderten Kinder keinen Elternteil mit guten deutschen Sprachkenntnissen.
Die schlechten Deutschkenntnisse bei Schuleintritt liegen auch daran, dass immer weniger Kinder mit Migrationshintergrund eine Kita besuchen. Bei den Drei- bis Sechsjährigen sank die Zahl innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 87 Prozent auf 69 Prozent. Das heißt: Knapp ein Drittel hat in NRW im Jahr vor der Einschulung keine Kita besucht.
Immer mehr Erstklässler in Köln müssen wiederholen
Wer die Kölner Schullandschaft anschaut, sieht die fatalen Effekte dieses Trends: So stieg in Köln der Anteil der Kinder, die die erste Klasse wiederholen müssen, auf 8,5 Prozent. In einigen Schulen in sozialen Brennpunkten lag sie sogar bei 20 Prozent. Hauptursache sind mangelnde Deutschkenntnisse. Der überwiegende Teil der Kinder, der an seiner Schule wiederhole, habe keine Kita besucht, sagt Ulrich Becker, Schulleiter der „Grundschule IM Süden“ in Meschenich. Auch die Schulleiterin der „James-Krüss-Grundschule“ in Köln-Ostheim, Christiane Hartmann, fordert seit langem ein oder besser zwei verpflichtende Kita-Jahre für alle Kinder. Dort müsse die verbindliche Sprachförderung ansetzen. Auch mit der Einrichtung eines in die Grundschule integrierten Vorschuljahres würde sie gerne experimentieren. Der Integrationsexperte Ahmad Mansour forderte ebenfalls eine Kitapflicht bei Sprachdefiziten.
Die SPD im Landtag will ebenfalls ein verpflichtendes Vorschuljahr in der Kita für gezielte Sprachförderung. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hatte zuletzt deutlich gemacht, dass sie die Überlastung der Grundschulen mit Integration und Sprachförderung sieht: „Wenn ein nennenswerter Teil der neu eingeschulten Kinder nicht gut genug Deutsch spricht und versteht, um im Unterricht mitarbeiten zu können, können unsere Lehrkräfte das allein auf Dauer nicht auffangen.“
Das Schulministerium wird daher in diesem Herbst erstmals nach einem neu entwickelten standardisierten Verfahren alle künftigen Erstklässler testen, um den Förderbedarf zu ermitteln. Wer die Förderung dann umsetzen soll, bleibt allerdings offen. Hamburg hingegen testet standardmäßig alle Kinder bereits mit viereinhalb Jahren per Sprachstandserhebung. Ab dem fünften Lebensjahr setzt eine obligatorische Förderung in der Kita ein. Das Bundesland hat bildungspolitisch einen deutlichen Aufstieg hingelegt: War man vor zehn Jahren noch bei den Letztplatzierten, so ist Hamburg nun in der Spitzengruppe auf Platz drei.