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Mutmaßlicher Hochstapler aufgeflogenNRW-Schulministerium prüfte Uni-Abschlüsse von Ahmet Ü. nicht

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Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat (r), unterhält sich am Dienstag (10.07.2007) vor Beginn einer Pressekonferenz in Berlin mit Ahmet Ünalan vom Rat der Türkeistämmigen Staatsbürger (RTS). Die beiden türkischen Verbände wollen den Integrationsgipfel am Donnerstag (12.07.2007) boykottieren. Sie begründeten ihre Drohung mit den Verschärfungen im gerade verabschiedeten Zuwanderungsrecht. Foto: Tim Brakemeier dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++

Ahmet Ü. (l.) kurz vor dem Integrationsgipfel 2007 in Berlin neben dem damaligen Vorsitzenden der türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat.

Ahmet Ü. war eine Koryphäe als Islamberater, stieg in den Behörden NRWs schnell auf. Diese könnten fahrlässig gehandelt haben.

Einst galt er im Landesschulministerium als Koryphäe für Islamfragen. Auch hatte Ahmet Ü. eine veritable akademische Karriere vorzuweisen: Hochschulabschluss, Doktortitel, einen gut dotierten Job als Lehrer. Später dann war der ministerielle Islamberater gar im Begriff, zu habilitieren. Niemand schöpfte Verdacht, dass der Deutsch-Türke seinen beruflichen Aufstieg mit gefälschten Zeugnissen bewerkstelligt haben soll. Wie berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Duisburg den 46-Jährigen wegen Betruges, Urkundenfälschung und Titelmissbrauchs angeklagt. Sein Anwalt Andreas Kerkhof wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Er kündigte aber, dass sich sein Mandant im Strafprozess zunächst schweigend verteidigen werde.

Schulbehörden in NRW saßen mutmaßlichem Hochstapler auf

Die Hauptverhandlung wird sicherlich auch ein heikles Thema beleuchten: Wie konnte es geschehen, dass Schulbehörden als auch das Ministerium über zwei Jahrzehnte auf einen mutmaßlichen Hochstapler hereinfielen? Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wurden die vorgelegten Uni-Abschlüsse nie überprüft. Auch nicht als Ahmet Ü. als angestellter Pädagoge 2008 für ein Jahr an das damalige Ministerium für Schule und Weiterbildung abgeordnet wurde. Zwei Jahre später avancierte er zum Studienrat im Beamtenstatus.

2013 kehrte der Islamexperte dann in das Haus der grünen Schulministerin Silvia Löhrmann zurück. „Bei der Abordnung als pädagogischer Mitarbeiter an das damalige Ministerium für Schule und Weiterbildung … gab es keinen Anlass, die Echtheit der größtenteils bereits beim zuständigen Schulamt und der Bezirksregierung als Einstellungsbehörden vorliegenden Unterlagen infrage zu stellen“, hieß es am Mittwoch aus dem Ministerium.

Ahmet Ü. stieg in der NRW-Behörde schnell auf

Vielmehr stieg der Islamberater an seiner neuen Arbeitsstelle ungewöhnlich schnell auf. Binnen vier Jahren beförderte die Bezirksregierung Düsseldorf, zuständig für die Personalangelegenheiten, den Ministerberater in zwei Schritten zum Studiendirektor mit A-15-Besoldung (aktuell gut 6400 Euro brutto). Eine steile Karriere.

Mit ministerieller Empfehlung wechselte der vermeintliche Doktor der Politikwissenschaft an die Universität Duisburg-Essen. Bis 2019 arbeitete der zweifache Familienvater nur noch drei Stunden monatlich als pädagogischer Mitarbeiter für das Ministerium. Danach schloss man zwei Werkverträge, die jeden Monat mit 1000 Euro vergütet wurden. Nachdem Fälschungsvorwürfe im Sommer 2021 aufgetaucht waren, lösten beide Vertragsparteien in der Ära der FDP-Ministerin Yvonne Gebauer den Kontrakt auf.

In der Vergangenheit wurde dem Angeklagten besondere Nähe zum umstrittenen türkischen Moscheeverein Ditib nachgesagt, was dieser bestreitet. Auch soll Ahmet Ü. im Beirat der Behörde für Auslandstürken des Erdogan-Regimes gesessen haben.

Mitgliedschaft in islamischer Organisation „nicht bekannt“

Im Schulministerium zumindest waren „eine Mitgliedschaft oder Funktion bei einer der islamischen Organisationen nicht bekannt.“ Vielmehr habe es zu den Aufgaben des Beraters gehört, vorbereitende Gespräche mit verschiedenen islamischen Verbänden zu führen und zu ihnen den Kontakt zu halten.

Inzwischen muss sich die ohnehin wegen der schweren Abi-Panne angezählte CDU-Ministerin Dorothee Feller mit einer peinlichen Berater-Affäre befassen, die gar nicht in ihre Amtszeit fällt. Im Schulressort heißt es denn auch, dass man nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Ahmet Ü. gemeinsam mit der Bezirksregierung alles Notwendige unternommen habe, um zur vollständigen Aufklärung des Falles beizutragen. Darüber hinaus werde man den Prozessverlauf intensiv verfolgen, um zu klären, ob sich hieraus „etwaiger Handlungsbedarf für die Zukunft ergibt“.