Mutmaßliche chinesische Spione aus Düsseldorf und Hessen sind in Deutschland angeklagt. Wie groß ist die Gefahr für die deutsche Wirtschaft? NRW-Verfassungsschutzchef Jürgen Kayser beurteilt die Lage.
Bedrohung durch Spionage„Wenn ihr unsere Investitionen wollt, erwarten wir, dass ihr Kritik an China vermeidet“

In Düsseldorf sind mutmaßliche chinesische Spione angeklagt.
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Herr Kayser, der Generalbundesanwalt hat mutmaßliche chinesische Spione aus Düsseldorf und Hessen am 20. Dezember 2024 wegen der Tätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst angeklagt. Die deutschen Unternehmer sollen dem chinesischen Geheimdienst militärisches Know-How für die maritimen Streitkräfte beschafft haben. Die Machthaber in Peking sind gerade im Bereich der Wissenschafts- und Wirtschaftsspionage hierzulande erfolgreich, ist Deutschland eines der großen Zielobjekte?
Jürgen Kayser: Die Bedrohungslage durch China ist im Bereich der Spionageabwehr sehr hoch, wobei Peking eine andere Strategie als Moskau verfolgt. China will sich bis zum Jahr 2050 als weltweite Vormacht in Wirtschaft und Wissenschaft etablieren. Das kommunistische Regime will dann zum Weltführer avancieren. Darauf sind auch die Aktivitäten chinesischer Auslandsagenten ausgerichtet. Die Nachrichtendienste sind auch aufgrund der Gesetzgebung in ihrer Heimat mit enormen Befugnissen ausgestattet. Im Prinzip muss jeder chinesische Staatsangehörige auch im Ausland den heimischen Nachrichtendiensten zuarbeiten, wenn er das kann. Insofern zielen chinesische Dienste hier in Deutschland darauf ab, relevante Technologie im Bereich Wissenschaft und Wirtschaft sowie in Bezug auf Rüstungsgüter auszuforschen. All diese Erkenntnisse sollen Peking helfen, sein Ziel für 2050 zu erreichen.
Beschränken sich die Nachforschungen nur auf diese Felder?
Nein. Darüber hinaus klären die chinesischen Nachrichtendienste in Deutschland auch chinesische Dissidenten auf. Dabei setzen die Spione diverse Druckmittel ein, unter anderem Familienangehörige in der Heimat. Druckmittel kommen aber auch auf ganz anderen Feldern zum Einsatz, beispielsweise gegenüber deutschen Kommunen. Tenor: Wenn ihr unsere Investitionen wollt, erwarten wir, dass ihr uns Einfluss gewährt und Kritik an China vermeidet. Die Chinesen gehen hier subtiler vor als die Russen.
In der Vergangenheit warnte die deutsche Spionageabwehr davor, dass die deutsche Wirtschaft in die Fallen chinesischer Spionage hineinfallen würde. So werden auf Messen in Shanghai oder anderswo deutsche Firmen-Vertreter angesprochen und eingeladen. Tage später können die Chinesen dann über deren manipulierte Handys Vorstandssitzungen in Deutschland abhören. Ist das Problem immer noch virulent?
Die Gefahrenlage bezüglich der Zusammenarbeit mit China ist auch im Bereich der Wirtschaft deutlich angestiegen. Das heißt dennoch nicht, dass jede Firma komplett für diese Gefahrenlage sensibilisiert ist. Es gibt da etliche Einzelfälle, in denen man sich noch etwas mehr Schutzmaßnahmen wünschen würde. Insgesamt aber stellen wir fest, dass die Anfragen bei uns zum Wirtschaftsschutz spürbar zugenommen haben. Generell gilt auch nicht die Devise, dass jegliche wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China ausgesetzt werden sollte. Dennoch sollte man sich nicht in wirtschaftliche Abhängigkeiten begeben.
Wie problematisch einseitige Abhängigkeit ist, sollte die sogenannte Energiemangellage jedem vor Augen geführt haben. Größtmögliche Resilienz sollte auch hier das Ziel sein.
Russland, China, das sind die Hauptproblemfaktoren, was aber ist mit dem Iran, der im Nah-Ost-Konflikt mit Israel eine entscheidende Rolle spielt und zuletzt auch in NRW und Deutschland Attentäter für Anschläge auf jüdische Einrichtungen beauftragt haben soll. So soll der inzwischen mutmaßlich im Iran getötete Hells-Angels-Boss Ramin Yektaparast aus Mönchengladbach entsprechende Attacken auf eine Synagoge in Bochum in Auftrag gegeben haben. Inwieweit ist das Mullah-Regime oder deren Revolutionsgarden hierzulande aktiv?
Neben Russland und China ist Iran der dritte Staat, der auch hier in Deutschland massiv mit nachrichtendienstlichen Methoden agiert. Beim Iran bestehen unterschiedliche Zielrichtungen. Die eine ist der Technologietransfer. Insbesondere durch Unternehmen, die vielleicht beim Ausbau des entsprechenden Atomprogramms helfen können. Aber der Hauptangriffsvektor Teherans sind Oppositions-Kreise in Deutschland. Da werden Iraner angesprochen, mit dem Hinweis, dass ihren Angehörigen in der Heimat etwas zustoßen könnte, sollten sie nicht kooperieren und Informationen aus Oppositionellen-Zirkeln liefern. Zudem haben iranische Agenten jüdische Einrichtungen in Deutschland im Visier. Und zwar für den Fall einer weiteren Eskalation des Nahostkonflikts, um dann möglicherweise auch Anschläge hierzulande verüben zu können.
Hat sich nach dem hiesigen Verbot der durch den Iran gesteuerten Hisbollah-Miliz im Libanon die Bedrohungslage verschärft?
Bisher sind keine weiteren zunehmenden Aktivitäten festzustellen. Die Operationen der iranischen Nachrichtendienste bewegten sich in den vergangenen drei oder vier Jahren auf einem sehr hohen Niveau. Insbesondere zu jenem Zeitpunkt im Jahr 2023, als die oppositionellen Proteste in Teheran und anderswo ihren Höhepunkt erlebten. Da haben wir auch in Deutschland viele geheimdienstliche Aktivitäten gesehen.