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Bestände erholen sichWie der Hase in NRW zum Gewinner des Klimawandels wurde

Lesezeit 5 Minuten
Drei Feldhasen sitzen auf einem Acker

Drei Feldhasen sitzen auf einem Acker. NRW ist Hasenland Nummer eins in Deutschland.

Nordrhein-Westfalen ist Hasenland Nummer eins. Auf einem Quadratkilometer leben im Schnitt 36,5 Hasen.

Die vielen warmen Sommer in Folge, gepaart mit den vergleichsweise milden Wintern, haben großen Teilen der Natur große Schäden bereitet. Einer aber scheint von den höheren Temperaturen und der Trockenheit sogar deutlich profitiert zu haben: der Feldhase.

„Man könnte sagen, dass der Hase ein Gewinner des Klimawandels ist“, sagt Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes (DJV). Denn die Langohren hätten als ursprüngliche Steppenbewohner insbesondere von trockenen und warmen Frühjahren profitiert. Die Monate April und Mai seien die entscheidende Zeit für das Aufwachsen von Junghasen. „Wenn es da trocken ist und auch noch warm, dann ist das optimal“, sagte Reinwald. Empfindlich sind junge Feldhasen dagegen für nasskalte Witterung. Denn eine schützende Höhle – wie etwa Kaninchen – haben Feldhasen nicht.

Entsprechend erholen sich die Hasenbestände in NRW weiter. Das bestätigen die aktuell veröffentlichten Ergebnisse der Hasenzählung aus dem Jahr 2023 des DJV. NRW bleibt demnach unter den Flächenländern das Hasenland Nummer eins.

28 Prozent mehr Hasen als im Vorjahr

Den neuesten Erhebungen der Jäger zufolge leben auf Nordrhein-Westfalens Wiesen und Feldern deutlich mehr Hasen als im Bundesvergleich. Im Frühjahr 2023 waren es durchschnittlich mehr als 30 Hasen je Quadratkilometer. Bei der Herbstzählung wurden auf gleicher Fläche sogar mehr als 36,5 Tiere nachgewiesen (Bundesdurchschnitt: 19 beziehungsweise 21 Hasen je Quadratkilometer). „Sehr erfreulich ist auch die Nettozuwachsrate der Hasen in Höhe von 28 Prozent für das Kalenderjahr 2023 in NRW“, sagte der Sprecher des Landesjagdverbandes NRW (LJV), Andreas Schneider, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Besonders hoch sei die Hasendichte traditionell in den Bördelandschaften Nordrhein-Westfalens, insbesondere Soester Börde und Jülich-Zülpicher Börde, vor den Toren Kölns sowie am Niederrhein und der Westfälischen Bucht. „In diesen Gebieten findet nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch Meister Lampe optimale Bedingungen vor, gerade wenn die Landschaft vielfältig ist und krautreiche Ackerrandstreifen oder Altgrasinseln das Nahrungsangebot verbessern“, so Schneider.

Feldhasen sind in Deutschland nahezu flächendeckend verbreitet, selbst in Waldgebieten und teilweise in urbanen Lebensräumen wie Berlin kommen sie vor. Zwischen den sechs deutschen Großlandschaften gibt es laut Deutschem Jagdverband aber Unterschiede bei den Beständen: Mit im Schnitt 28 Feldhasen pro Quadratkilometer ist der Bestand im nordwestdeutschen Tiefland, also von der dänischen Grenze bis ins nördliche Rheinland, am dichtesten. In den südwestdeutschen Mittelgebirgen sind es 21 Feldhasen. Vergleichsweise wenig zu finden sind die Langohren im nordostdeutschen Tiefland mit im Schnitt sieben Tieren und im Alpenvorland mit neun Tieren je Quadratkilometer.

Nabu kritisiert Intensivierung der Landwirtschaft

Lange Zeit war es nicht gut um die Hasen der Region bestellt. Neben einer Reihe natürlicher Feinde hat vor allem der Mensch den Rückgang des heimischen Hasenbestandes zu verantworten. „Die Intensivierung der Landwirtschaft mit dem Verlust von Strukturelementen und fehlender Nahrung ist hauptsächlich für den schlechten Zustand der heimischen Hasenpopulation verantwortlich“, heißt es vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Denn auch wenn nasse Jahre und Beutegreifer den Feldhasen ebenfalls zu schaffen machten, könnten sie diese Verluste bei guten Lebensraumbedingungen ausgleichen.

Entscheidend für das Wohl der Hasen sind geeignete Lebensräume. Die nordrhein-westfälischen Jäger und viele Landwirte wollen diese verberssern. Mit dem Projekt Lepus NRW betreiben beide Gruppen gemeinsam Artenschutz in NRW. Das Wort Lepus steht einerseits für den wissenschaftlichen Gattungsnamen des Feldhasen, andererseits für die Art und Weise, wie ihm geholfen werden kann (Lepus steht für Lebensräume erhalten, planen und schützen).

Von den lebensraumverbessernden Maßnahmen der Landwirte und Jäger sollen auch viele andere bedrohte Tierarten, die mit dem Feldhasen in direkter Nachbarschaft leben, profitieren. Dazu zählen auch viele seltene Arten, vor allem Bodenbrüter wie Feldlerche, Kiebitz oder Brachvogel.

Der Fuchs, wie andere Beutegreifer, muss zum Schutz des Niederwildes intensiv bejagt werden
Andreas Schneider, Landesjagdverband

Aus Sicht der Jäger ist auch eine intensive Bejagung der Feinde des Hasen und der Bodenbrüter zum Schutz wichtig. So wurden laut amtlicher Statistik im zurückliegenden Jagdjahr 49.000 Füchse in NRW erlegt. „Der Fuchs, wie auch andere Beutegreifer, muss gerade im Offenland unserer Bördelandschaften und Tiefebenen zum Schutz des Niederwildes und seltener geschützter Wiesenbrüter intensiv bejagt werden“, heißt es vom LJV.

Die Zahl der natürlichen Feinde des Hasen ist dabei groß. So dezimieren nicht nur der heimische Fuchs und verschiedene Marderarten die Hasenbestände. Mit Marderhund und Waschbär sind in den vergangenen Jahren ortsfremde Raubtiere hinzugekommen, sie sind so genannte Neozoen. Verschiedene Rabenvogelarten erbeuten zusätzlich die Junghasen.

Jäger zählen alljährlich im Frühjahr und im Herbst die Hasen durch sogenannte Scheinwerfertaxationen. Im Scheinwerferlicht kann man Hasen durch die Reflexion der Augen sicher von anderen Wildarten unterscheiden. „Nach festgelegten wissenschaftlichen Standards werden die Ausgangsdaten in Referenzrevieren erhoben und anschließend von unabhängigen Wildbiologen ausgewertet“ so LJV-Sprecher Schneider. So entstehe ein bundesweiter Datenbestand.

Ein Jäger bei der halbjährlichen Feldhasenzählung.

Ein Jäger bei der halbjährlichen Feldhasenzählung

Feldhasen waren ursprünglich in Mittel- und Osteuropa, der Türkei und Teilen Zentralasiens (Kasachstan) zu Hause. Im Zuge der Kolonialisierung wurden sie von Siedlern auch ins südliche Südamerika, nach Neuseeland, Südschweden, Großbritannien und in Teile Australiens gebracht. Diese Ausbürgerung erfolgte, um Hasen dort jagen zu können.

Feldhasen sind ursprünglich Steppenbewohner und lieben offene und halboffene Landschaften. Dennoch bewohnen Hasen auch die nordrhein-westfälischen Wälder. Jäger sprechen dann von Waldhasen. Dies ist jedoch keine eigene Art. Die Namensunterscheidung kommt daher, dass im Wald lebende Hasen in der Regel größer und schwerer sind als die im Feld lebenden Artgenossen.