AfD-Politiker und Rechtsextreme fantasieren über einen Vertreibungsplan. Zwei Menschen aus Köln, die von „Remigration“ betroffen wären, äußern sich.
Nach Correctiv-EnthüllungSo reagieren Menschen, die von den „Remigrationsplänen“ betroffen wären
Im November vergangenen Jahres nahmen AfD-Politiker und Rechtsextreme in Potsdam an einer Versammlung teil, bei der Martin Sellner, eine führende Figur der rechtsextremen Identitären Bewegung, seine Ansichten darlegte. Dies wurde vom Recherche-Netzwerkes Correctiv nach einer eingehenden Recherche aufgedeckt. Sellner bestätigte, dass es dabei auch um das Thema „Remigration“ ging – ein rechtes Modell zur Rückführung von Migranten. „Remigration“ wurde gerade zum „Unwort des Jahres“ 2023 gewählt.
Bei der geheimen Versammlung präsentierte Sellner das Konzept eines Vertreibungsplans. Für ihn gebe es drei Gruppen, die Deutschland verlassen sollten: Asylwerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“, also auch Deutsche mit Migrationshintergrund. Allein die ersten beiden Gruppen umfassen laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes 13 Millionen Menschen.
Marjan Garakani besitzt die deutsche und iranische Staatsangehörigkeit. Ende der 80er-Jahre ist sie aus dem Iran nach Frankreich geflüchtet, 1990 kam sie nach Deutschland, seit 2000 hat sie den deutschen Pass. Der Rechtsruck in Deutschland und die Vorgänge bei dem geheimen Treffen von Rechtsextremen bereite ihr Sorgen. „Es wird immer Geflüchtete geben, und es gab eine Zeit, etwa von 2010 bis 2020, in der die Situation recht gut für uns war. Wir hatten zwar immer wieder Probleme mit Rechtsextremen, aber es war noch nie so intensiv wie jetzt“, sagt Garakani dem „Kölner Stadt-Anzeiger".
Im Gespräch erzählt die 62-Jährige, dass sie von den in Potsdam thematisierten „Remigrationsplänen“ schockiert und gleichzeitig nicht überrascht gewesen sei. „Leider habe ich gedacht, dass dieser Punkt irgendwann kommen wird. Ich kenne viele Deutsche, die sich sehr geändert haben, die früher demokratisch eingestellt waren und jetzt teils sehr rechte Werte teilen.“
Denjenigen, die heimlich „Remigrationspläne“ entworfen haben, möchte sie sagen: „Eine Rückkehr in den Iran ist für uns nicht möglich. Wir würden dort hingerichtet werden, weil wir uns aktiv gegen den Iran gestellt haben.“ Es schockiere sie, dass gerade Deutsche wieder einen Plan hegen, Menschen zu vertreiben.
Auf die Frage, wie sie auf die bevorstehenden Landtagswahlen im Osten blickt, antwortet Garakani: „Bei dem, was ich zur AfD gehört und gelesen habe, bekommt man Angst. Ich bin Fotografin und war einmal beruflich in Chemnitz. Dort waren sie so heftig gegen Ausländer, das war schrecklich. Ich habe meinen Mund dort nicht aufgemacht, ich habe mich nicht getraut.“
Dabei befördern Demokraten aus ihrer Sicht die Entwicklung ungewollt: „Die Demokraten in Deutschland haben in den letzten Jahren nicht genug Widerstand geleistet. Der AfD und rechtsextremen Gruppen wurde zu viel Bühne gegeben, während diejenigen mit demokratischen Überzeugungen nicht genug unternommen haben. Ich habe das Gefühl, das geheime Treffen ist eine Konsequenz daraus.“
Hany, der nicht mit seinem Nachnamen genannt werden möchte, ist mit seiner Schwester vor dem Krieg in Syrien geflüchtet. Vor zwei Jahren kam der 33-Jährige nach Deutschland und erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung. Geht Hany studieren, kann er die Genehmigung verlängern. Nach seinem Deutschkurs möchte er Logistik studieren.
Syrer mit Aufenthaltsgenehmigung hat Angst vor Verurteilung
Als er die Nachrichten zu dem geheimen Treffen von Rechtsextremen las, überkam ihn ein Angstgefühl. „Ich war sehr überrascht, dass es hier in Deutschland Menschen gibt, die diese schlimmen Ideen in ihren Köpfen haben. Nach dem Lesen der Nachrichten habe ich Angst. Angst, irgendwann einmal jemanden zu treffen, der dieses rechte Gedankengut teilt und mich dann verurteilt, weil ich Syrer bin.“
Er sei nach Deutschland gekommen, um ein stabiles und vor allem sicheres Leben zu führen. In seiner Heimat Syrien herrscht Krieg. „Ich finde es schade, dass viele Menschen sich nicht einmal vorstellen wollen, wie es wäre, wenn sie aufgrund von Krieg aus Deutschland fliehen müssten.“
Wie Marjan Garakani kann auch Hany sich nicht vorstellen, in ein anderes Land zu gehen. Deutschland habe ihm viel gegeben und das möchte er zurückgeben. „Ich möchte hier studieren und arbeiten; Steuern zahlen und der Gesellschaft helfen, die mir geholfen hat. Es ist umso erschreckender, dass es Menschen gibt, die mich trotz meiner Bereitschaft und Dankbarkeit aus Deutschland vertreiben wollen.“