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„Ich bin der, den ihr sucht“Mutmaßlicher Angreifer von Solingen nahm Tatwaffe aus Messerblock

Lesezeit 5 Minuten
25.08.2024, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird zu einem Hubschrauber gebracht. Zuvor war der Verdächtige dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt worden, der Haftbefehl erlassen hat. Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird zu einem Hubschrauber gebracht. Zuvor war der Verdächtige dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt worden, der Haftbefehl erlassen hat.

Der mutmaßliche Angreifer von Solingen wurde festgenommen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und Mitgliedschaft bei der Terror-Miliz IS.

Einen Tag nach der Messerattacke auf dem Stadtfest in Solingen mit drei Toten und acht Verletzten gab der Verdächtige Issa al H. entnervt am späten Samstagabend auf. Der mutmaßliche islamistische Attentäter stellte sich einer Polizeistreife mit den Worten „Ich bin der, den ihr sucht“. Widerstandslos ließ sich der 26-Jährige im blutverschmierten T-Shirt festnehmen.

Offenbar war der Syrer stundenlang durch die City umhergeirrt, hatte sich vor dem Großaufgebot der Einsatzkräfte versteckt. Man-Trailer-Hunde wurden auf seine Fluchtspur angesetzt. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Sicherheitskreisen erfuhr, war der Verdächtige zunächst in seine Flüchtlingsunterkunft in der Solinger Innenstadt gelaufen. Dort aber soll sich al H. nicht lange aufgehalten haben.

Attentäter von Solingen: Beamte fanden Messerhülle im Zimmer des Verdächtigen

Ihm war wohl klar, dass die Terror-Fahnder bald in der Unterkunft auftauchen würden. Erneut verschwand er in die Dunkelheit. Bei der Durchsuchung in seinem Zimmer entdeckten die Staatsschützer ein Messerset, aus dem eine Klinge fehlte. Diese Lücke passte zu der Tatwaffe, die sich nahe dem Tatort in einem Mülleimer fand. Die blutbefleckte Klinge hatte der mutmaßliche Terrorist während seiner Flucht zusammen mit seiner Jacke nur drei Minuten vom Tatort entfernt in einen Mülleimer geworfen.

In der Jacke fand sich sein Ausweis. Die Jacke entdeckten die Ermittler erst am Samstagnachmittag. Ein wichtiger Hinweis auf der Suche nach dem mutmaßlichen Attentäter. Allerdings war zunächst nicht klar, ob es sich um den Täter handeln könnte. Letzte Gewissheit verschafften die Man-Trailer-Hunde, die auf die Personen- und Tiersuche spezialisiert sind. Die Tiere verfolgten die Fluchtspur bis zum Asylheim in der Solinger City und schlugen dort an, in dem al H. lebte.

In der Unterkunft nahmen die Ermittler auch einen guten Bekannten des Syrers als Zeugen in Polizeigewahrsam. Er soll al H. am besten gekannt haben. Wie weiter zu erfahren war, soll der Mann sich bei der Ingewahrsamnahme sehr kooperativ gezeigt haben. Er werde alles sagen, erklärte der Heimbewohner den Beamten.

Terrormiliz IS bekannte sich zu Messerangriff in Solingen

Zuvor war ein 15-jähriger Jugendlicher aus Kirgistan festgesetzt worden. Eine Besucherin des Stadtfests will ein Gespräch zwischen dem Schüler und al H. mitbekommen haben. Demnach soll der Syrer seine Mordserie mit folgenden Worten angekündigt haben: „Heute steche ich alle ab.“

Inzwischen hat sich die Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) zu dem Anschlag bekannt. Der Angreifer sei ein Mitglied der Kalifats-Brigaden gewesen und habe die Attacke aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ verübt, hieß es in einer Mitteilung beim IS-Sprachrohr „Amak“ via Telegram.

Mutmaßlicher Täter von Solingen: Keine konkreten Hinweise aus IS-Mitgliedschaft

Bisher fanden sich keine konkreten Hinweise, dass der Syrer ein IS-Mitglied sein soll. Weder ist ein Treueid belegt, noch haben die Terror-Garden ein Bekennervideo veröffentlicht. Die hiesigen Strafverfolger gehen davon aus, dass es sich um einen Terroristen handelte, der sich selbst radikalisierte und dann den Anschlag durchgeführt hat.

Der Angriff habe einer „Gruppe von Christen“ gegolten. Am Sonntagmorgen hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren übernommen. Unter anderem wird gegen den Tatverdächtigen wegen Verdachts der IS-Mitgliedschaft ermittelt, teilte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts mit. Issa al H. stammt laut „Spiegel“ aus der syrischen Provinz Deir al-Sor. Nach Informationen dieser Zeitung aus Sicherheitskreisen reiste der Syrer 2022 in Deutschland ein und erhielt einen subsidiären Schutzstatus.

Verdächtiger 26-Jähriger sollte abgeschoben werden

Da er aber über Bulgarien zugewandert war, sollte er nach Sofia abgeschoben werden. Nach den sogenannten Dublin-Regeln des europäischen Asylsystems wäre Bulgarien für ihn zuständig gewesen. Der Termin im vergangenen Jahr stand schon fest. Doch al H. tauchte unter, blieb ein halbes Jahr verschwunden, ehe er sich wieder bei den Behörden meldete. Zuletzt bezog er in Solingen ein Zimmer in einem ehemaligen Finanzamt, das zu einer Geflüchtetenunterkunft umgebaut worden war. Noch ist unklar, warum der mutmaßliche Dreifachmörder bis heute in Deutschland bleiben durfte.

Am Sonntag wurde dem Beschuldigten Issah al H. am Bundesgerichtshof in Karlsruhe der Haftbefehl verkündet.

Es geht unter anderem um dreifachen Mord und der Mitgliedschaft beim in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Nach der Haftvorführung soll der Terrorverdächtige nach NRW zurückgebracht werden, um eine Aussage zu machen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll der Beschuldigte bereits nach seiner Festnahme seine Aussagebereitschaft bekundet haben.

NRW-Vizefraktionschef Gregor Golland (CDU) versteht nicht, „warum der Mann nach seinem Wiederauftauchen nicht umgehend in Abschiebehaft genommen und nach Bulgarien zurückgebracht wurde“. Der innenpolitische Sprecher im Düsseldorfer Landtag forderte erneut, „endlich ausreisepflichtige Migranten konsequent abzuschieben.“ An die Ampel-Koalition gerichtet, mahnte Golland: „Dies ist eine Frage des politischen Willens“.

NRW-Politiker fordern mehr Konsequenz bei Abschiebungen

Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsopposition in NRW, schlug noch härtere Töne an: „Der Terroranschlag in Solingen ist ein widerwärtiger Angriff auf uns alle und unsere freiheitliche Art zu leben. Es ist unerträglich, dass ein Asylmigrant, der in Deutschland Schutz und Sozialleistungen erhalten hat, sich dann mit brutalster Messergewalt gegen unsere freie Gesellschaft wendet.“

Solingen müsse daher auch ein Wendepunkt in der Asylpolitik hin zu endlich mehr Steuerung, echter Kontrolle und klarer Konsequenz sein, resümierte der liberale Abgeordnete. „Wir dürfen einer zunehmenden Radikalisierung des politischen Islams bei uns nicht länger einfach ungeschützt Tür und Tor öffnen.“

Nach den bisherigen Erkenntnissen hatte der syrische Terrorverdächtige al H. seinen Opfern gezielt in den Hals gestochen. Offenbar schien der Islamist sehr erfahren im Umgang mit dem Messer. Ob er durch den IS 2022 als sogenannter Schläfer nach Deutschland geschickt wurde, müssen die weiteren Ermittlungen erweisen. Den deutschen Sicherheitsbehörden war der Tatverdächtige bisher nicht als Extremist bekannt.