Fünf ehemalige Helfer der Wuppertaler Tafel wurden angeklagt. Der Ex-Tafelchef soll die Machenschaften gebilligt haben.
Lindt-Schokolade und FFP2-MaskenLeitende Mitarbeiter der Wuppertaler Tafel sollen Spenden verkauft haben
Es war eine ehrenamtliche Küchenmitarbeiterin, die den Strafverfolgern den Tipp zu den kriminellen Machenschaften bei der Wuppertaler Tafel gab. Denn die Helferin hatte sich zunächst erfolglos dem damaligen Tafelchef Wolfgang Nielsen anvertraut. Als sie den Verdacht äußerte, dass der Kantinenchef Sachspenden für eigene Zwecke abzweigte, soll der Vorsitzende sie aus dem Büro geworfen haben. Also ging die Frau im Jahr 2021 zur Polizei und erstattete Strafanzeige.
Nach mehreren Durchsuchungen und aufwendigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal den inzwischen abgetretenen Tafelgründer Nielsen (73), den einstigen Kantinenleiter, seine Schwester, einen weiteren Bruder sowie den Ex-Lagerhallenchef wegen diverser Delikte vor dem Schöffengericht angeklagt. Es geht um Unterschlagung, Untreue, Hehlerei, Geldwäsche und Subventionsbetrug.
Betrug bei Wuppertaler Tafel: Verkäufe mal über Ebay, mal direkt
Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Justizkreisen erfuhr, soll allein der Kantinenleiter Majid S. (36) durch den illegalen Handel mit unterschlagenen Lebensmitteln 100.000 Euro eingestrichen haben. Seine mutmaßlichen Komplizen sollen meist fünfstellige Beträge für sich abgezogen haben. Die Gewinne tauchten in keiner Steuererklärung auf. Die Angeklagten sollen die Ware über zwei Vertriebswege veräußert haben: Zum einen über falsche Accounts via Ebay, zum anderen über Barverkäufe. Zunächst verfrachteten sie die unterschlagenen Spenden wohl in ihre Wohnungen, um sie dann abzusetzen.
Tafelgründer Nielsen soll diese Geschäfte laut Staatsanwaltschaft gebilligt haben. Laut Zeugen soll er sogar dabei geholfen haben, die veruntreuten Spenden entsprechend für seine Mitarbeiter abfahrbereit zu verpacken. Nach wie vor rätseln die Ermittler über die Motive des Tafel-Gründers. Nielsen selbst hat nicht von den kriminellen Machenschaften seiner Mitarbeiter profitiert.
Tafelgründer Nielsen wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet
Der Ehrenamtler Nielsen ist ein dekorierter Mann. Als Frührentner avancierte er zum 1. Vorsitzenden der Wuppertaler Tafel. Im Jahr 2006 wurde ihm der Landesverdienstorden NRW verliehen, der Bundesverdienstorden folgte. Aktiv im Landes- und Bundesvorstand erklärte Nielsen in einem Interview: „Gerade dieser Orden verpflichtet zum Weitermachen. Als eine sehr niederschwellige Einrichtung bieten wir vielen, die einen neuen Sinn in ihrem Leben und eine Aufgabe im Alltag suchen, quasi einen kostenlosen Therapieplatz. Ich sage immer: Wenn du Hunger oder ein Problem hast, geh’ zur Tafel, da wirst du satt. Denn Teilen führt zusammen.“
Worte, die aus jetziger Sicht zynisch klingen. Laut Anklage teilte Nielsen mutmaßlich in rechtswidriger Weise. Das veruntreute Warenangebot umfasste teure Lindt-Pralinen genauso wie allerlei andere Lebensmittel. So berichtete ein Zeuge, dass vor Weihnachten ein Gönner Gänse gespendet habe. Das Geflügel sei aber nie bei den Tafel-Kunden angekommen. Das Portfolio der Tafel-Angeklagten reichte von FFP2-Masken bis hin zu Reinigungsmitteln. Zudem soll etwa die mitangeklagte Schwester des Kantinenchefs nebenbei zu Unrecht 9000 Euro Corona-Hilfe kassiert haben. Einer der fünf Angeklagten ist bereits wegen 13 Straftaten aktenkundig. Er saß schon drei Jahre wegen eines Raubüberfalls im Gefängnis.
Der Skandal kündigte sich an, als der Beirat der Wuppertaler Tafel zum Jahresbeginn 2021 zurückgetreten war. Das Gremium hatte auf eine „organisatorische Neuausrichtung“ des Vereins gepocht, da Nielsen offenbar wie ein Alleinherrscher trotz der Gerüchte über mafiöse Strukturen sein Vetorecht beanspruchte. Aber erstmal geschah nichts. Erst als die erste Razzia gegen den Tafel-Kantinenchef im April 2021 publik wurde, trat Nielsen zurück. Ein neuer Vorstand unter dem Grünen-Politiker Peter Vorsteher versuchte den Scherbenhaufen aufzusammeln und den Verein auf professionelle Füße zu stellen. Dabei galt es, die Tafel wieder in seriöse Bahnen zu lenken.
Jörg Sartor, Chef der Essener Tafel, zeigt sich über die Vorgänge entsetzt: „Das ist ein Schlag ins Kontor. So ein krimineller Vorgang untergräbt das Urvertrauen in die Arbeit der Tafeln. Schließlich kommen die Ärmsten der Armen zu uns. Ich kann nur an die Spender appellieren, uns nicht den Rücken zu kehren. Bei solchen Leuten handelt es sich nur um einige, wenige schwarze Schafe.“ Gegen aktuell bei der Wuppertaler Tafel beschäftigte Personen besteht laut zuständiger Staatsanwaltschaft kein Verdacht.
Das Gros der Angeklagten hatte bereits nach den Razzien Verteidiger eingeschaltet. Einzig Ex-Tafel-Chef Nielsen verzichtete zunächst darauf. Offenbar schien er sich keiner Schuld bewusst zu sein. Zu den Vorwürfen wollte sich Nielsen schon während der Ermittlungen gegenüber der Polizei nicht äußern.