Die SPD zeigt sich überrascht von dem Schritt des Kommunalpolitikers. Fraktionschef Ott vermutet bei Geisel „Langeweile“.
Thomas Geisel seit 40 Jahren in SPDEx-Oberbürgermeister von Düsseldorf schließt sich Partei von Sahra Wagenknecht an
Thomas Geisel, ehemaliger SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, schließt sich der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) an. In einem Schreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, kündigt Geisel an, die BSW-Liste für die Europawahl am 9. Juni gemeinsam mit dem früheren Linken-Bundestagsabgeordneten Fabio de Masi anführen zu wollen. Bis vor Kurzem hatte Geisel noch Ambitionen für politische Ämter in der SPD gezeigt.
Am Montag wird die Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ bei der Bundespressekonferenz ihre offizielle Gründung bekannt geben und ihre Europa-Spitzenkandidaten vorstellen. Neben Sahra Wagenknecht, Fabio de Masi und drei weiteren Unterstützern wird auch Geisel auf dem Podium sitzen.
Geisel: Sozialdemokraten „in der Tradition von Willy Brandt“ seien in der SPD heimatlos
Der Schritt sei ihm nicht leicht gefallen, bekundet Geisel in einem internen Schreiben. „Erst vor knapp einem Monat wurde ich für meine 40-jährige Mitgliedschaft in der SPD geehrt. Ich habe damals gesagt, dass sich jeder darauf verlassen könne, dass ich mein Leben lang Sozialdemokrat bleiben würde.“ Sozialdemokraten „in der Tradition von Willy Brand und Helmut Schmidt“ seien jedoch in der heutigen SPD heimatlos geworden.
Geisel kritisiert in dem Schreiben unter anderem die Wirtschaftspolitik der Grünen und die Sozial- und Gesellschaftspolitik seiner bisherigen Partei. In der Asyl- und Einwanderungspolitik betreibe die SPD „seit bald 30 Jahren eine ideologisch getriebene Politik der Realitätsverweigerung“. Für eine Steuerreform fehle den Sozialdemokraten der Mut und die Fantasie, insbesondere missbilligt der 60-Jährige die Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine. „Meine Entscheidung ist gefallen, und ich würde mich freuen, wenn mir viele von Euch dabei folgen würden“, endet Geisel.
Ott: „Ich vermute, er hat schlicht Langeweile“
Die Düsseldorfer SPD zeigt sich überrascht von dem Schritt: Bisher habe Geisel eine erneute OB-Kandidatur für die SPD angestrebt. „Seine Kandidatur ist weder formal noch inhaltlich mit seiner bisherigen Mitgliedschaft in der SPD vereinbar“, sagte Zanda Martens, Vorsitzende der SPD in Düsseldorf und Bundestagsabgeordnete, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis stehen an der Seite des verbrecherischen Putin-Regimes. Darüber hinaus relativiert sie die Dringlichkeit des Klimaschutzes und diskreditiert Migrantinnen und Migranten sowie Personen, die sich für Toleranz und Gleichberechtigung einsetzen.“
Der Vorstand betone die „unumstrittenen Verdienste von Thomas Geisel um die Landeshauptstadt“, so Martens. Seine bisherige Arbeit bleibe geschätzt. „Daher bedauern wir, dass er sich entschieden hat, seinen politischen Weg nicht mehr als Sozialdemokrat zu gehen.“
Ähnlich äußert sich Jochen Ott, Fraktionschef der SPD im Düsseldorfer Landtag: „Ich habe als Kölner SPD-Chef mit dem Düsseldorfer Oberbürgermeister gut zusammengearbeitet“, sagt Ott dieser Zeitung. „Deshalb bedaure ich natürlich diesen Schritt. Ich vermute, er hat schlicht Langeweile und braucht etwas zu tun. Insofern muss er wissen, dass er sich damit bei einer großen Mehrzahl an Menschen ins Abseits stellt.“ Geisel wollte sich gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ noch nicht äußern und verwies auf die Pressekonferenz am Montag.
Thomas Geisel, 60 Jahre alt, wurde im Jahr 2014 zum Oberbürgermeister von Düsseldorf gewählt. Bei der Kommunalwahl 2020 unterlag Geisel dem CDU-Kandidaten und ehemaligen Kölner Stadtdirektor Stephan Keller. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sorgten seine Äußerungen bezüglich der Kriegsverbrechen in Butscha für scharfe Kritik – auch in den eigenen Reihen.