Der CDU-Kreisverband Oberberg hat ein Parteiausschlussverfahren gegen ein Mitglied eingeleitet, das bei dem Treffen nahe Potsdam vor Ort war.
„Correctiv“-RechercheFotos zeigen Mitglieder der Werteunion aus Oberberg bei Treffen von Rechtsextremen
Ein Treffen, das geheim bleiben sollte, und ein „Masterplan“, der eine rassistische und verfassungsfeindliche Agenda offenbart: Ein am Mittwoch veröffentlichter Artikel des Recherchezentrums „Correctiv“ könnte nicht nur für die AfD ungemütlich werden. Er zeigt auch, wie wenig Abstand zu der in weiten Teilen rechtsextremen Partei manche wahren, die sich bislang noch am rechten Rand der CDU tummeln.
Am 25. November 2023 hatten sich laut „Correctiv“-Recherchen gut zwei Dutzend Menschen in einem Gasthaus nahe Potsdam getroffen. Eines der zentralen Themen war dann, wie man Geflüchtete, Migranten und sogar Deutsche mit Migrationsgeschichte aus dem Land kriegen könnte. Hauptreferent des Treffens war demnach Martin Sellner, zentrale Figur der rechtsextremen Identitären Bewegung aus Österreich. Sellner soll einen „Masterplan“ zur sogenannten Remigration vorgestellt haben. Das Schlagwort wird von der AfD und in der rechtsextremen Szene als Euphemismus für die millionenfache Abschiebung und Vertreibung von Migranten aus Deutschland verwendet.
„Offensichtlich verfassungswidrig“
Das Treffen sei aus zwei Gründen bemerkenswert, sagt „Correctiv“-Chefredakteur Justus von Daniels dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Zum einen zeigt es die enge Vernetzung von Martin Sellner, einem der führenden Köpfe der Identitären Bewegung, mit AfD-Politikern. Eigentlich gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD gegenüber der Identitären Bewegung.“
Der zweite Grund seien die Inhalte des vorgestellten „Masterplans“: „Nach dem völkisch-rassistischen Weltbild, das dort vertreten wurde, geht es dabei auch um Menschen mit deutschem Pass. Die Teilnehmer suchen offensichtlich nach Kriterien, wie man Deutsche aufteilen kann – in Menschen, die in deren Weltbild passen und solche, die das nicht tun.“ Das sei „offensichtlich verfassungswidrig“, sagt von Daniels.
Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy bestätigte auf X (früher Twitter), dass sie an dem Treffen teilgenommen hat. Dass ein „Geheimplan gegen Deutschland“ ausgearbeitet worden sei, sei aber eine „infame Lüge“. „Richtig ist, dass sich die AfD für eine Remigration einsetzt“, schreibt sie weiter.
Laut Correctiv drei CDU-Mitglieder unter den Teilnehmern
Nicht nur AfD-Politiker nahmen „Correctiv“ zufolge an dem Treffen teil, sondern auch drei Mitglieder der CDU. Der erste im Bunde ist der Jurist Ulrich Vosgerau, der als Privatdozent an der Uni Köln lehrte. Er ist zwar Mitglied der CDU, war allerdings auch schon im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und hat als Anwalt sowohl die Partei als auch die Stiftung vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.
Bei einer anderen Teilnehmerin des Treffens mit CDU-Parteibuch handelt es sich gleichzeitig um ein Mitglied der Werteunion. Der Verein steht am rechten Rand der Unionsparteien und ist keine offizielle Parteigliederung. Der Vorsitzende des Vereins, der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, will noch in diesem Monat darüber abstimmen lassen, ob aus dem Verein eine eigene Werteunion-Partei in Konkurrenz zu CDU und CSU werden soll.
Simone Baum aus dem oberbergischen Engelskirchen ist NRW-Landesvorsitzende der Werteunion, Michaela Schneider aus Morsbach ihre Stellvertreterin. Beide nahmen laut „Correctiv“-Recherche am Potsdamer Treffen teil. Simone Baum ist laut eigenen Angaben in einem Youtube-Video des Vereins Gründungsmitglied der Werteunion. Sie saß von 2014 bis 2020 für die CDU-Fraktion im Rat der Gemeinde Engelskirchen. Michaela Schneider ist zudem auch Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) – anders als die Werteunion eine offizielle Vereinigung von CDU und CSU. Schneider soll jedoch nicht Mitglied der CDU sein. Ein CDU-Sprecher bestätigte, dass dies möglich sei. Aus der MIT soll sie am Freitag ausgetreten sein, damit kommt sie einem eventuellen Ausschluss zuvor.
Baum und Schneider wollen gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ weder bestätigen noch dementieren, dass sie an dem Treffen teilgenommen hatten. Beim RND meldet sich ein Pressesprecher der Werteunion telefonisch. „Von einer Teilnahme der beiden Damen an einem derartigen Treffen ist uns nichts bekannt“, sagt er. Auch ihm gegenüber hätten Baum und Schneider die Frage, ob sie an dem Treffen teilgenommen hätten, nicht kommentieren wollen.
Nun zeigen Fotos Simone Baum und Michaela Schneider beim Treffen der Rechtsextremen. Simone Baum ist im Veranstaltungssaal zu sehen, fotografiert wurde sie durch ein Fenster. Michaela Schneider hingegen wurde abgelichtet, als sie den Veranstaltungsort betrat und später wieder verließ. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlicht die Fotos in Kooperation mit „Correctiv“.
CDU grenzt sich von der Werteunion an
Die Bundes-CDU verurteilte das Potsdamer Treffen und übte scharfe Kritik. „Das ist völlig inakzeptabel, entsetzlich, menschenverachtend“, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann dem TV-Sender „Phoenix“. „Die Justiz muss tätig werden, die Sicherheitsbehörden, und knallharte Konsequenzen müssen gezogen werden.“ Zur Teilnahme von Mitgliedern von Werteunion und CDU sagte er: „Wir prüfen im Moment, ob Mitglieder der Werteunion zugegen waren. Sollte dies so sein – und vieles spricht dafür – werden wir harte Konsequenzen ziehen. Die Sicherheitsbehörden müssen aktiv werden und wir werden das unterstützen.“ Es ist wahrscheinlich, dass die CDU dann ein Ausschlussverfahren gegen die Mitglieder veranlasst, dieses müsste vom entsprechenden Kreisverband eingeleitet werden.
Ein solches hat der oberbergische CDU-Kreisverband am Freitag gegen ein Mitglied eingeleitet. Den Namen dürfe er nicht nennen, sagte der Vorsitzende Carsten Brodesser. Das CDU-Mitglied, das an dem Potsdamer Treffen teilgenommen haben solle, habe bis zur nächsten Vorstandssitzung der Landespartei am 26. Januar Zeit, sich zu äußern.
„Die in den Berichten geschilderten Vorgänge sind abstoßend und widerlich“, sagte der Generalsekretär der NRW-CDU, Paul Ziemiak. „Für die CDU Nordrhein-Westfalen ist klar: Wer das teilt oder unterstützt, verstößt erheblich gegen die Grundsätze unserer Partei.“ Solches Gedankengut werde in der CDU nicht toleriert.
Simone Baum ist nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zudem Mitarbeiterin der Stadt Köln. Stadtsprecher Alexander Vogel wollte das mit Hinweis auf Datenschutzvorschriften nicht kommentieren, betonte aber: „Die Stadt Köln distanziert sich eindeutig von jeglichen rechtsradikalen Initiativen.“ Sie verfolge einen klaren Kurs, der Vielfalt, Inklusion, Respekt, Integrität und die Achtung ethischer Grundsätze fördere. „Wir werden den Sachverhalt, auch in Bezug auf die natürlich erforderliche Verfassungstreue unserer Mitarbeitenden, prüfen.“
Die Werteunion ist in der CDU und CSU stark umstritten. Das CDU-Präsidium hatte bereits vergangenes Jahr beschlossen, dass eine Mitgliedschaft in der Werteunion unvereinbar mit einer in der CDU sei. Einen bindenden Beschluss kann aber nur ein Parteitag treffen. Der nächste findet im Mai statt. Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, bekräftigte nun seine Forderung nach einem solchen Beschluss. „Das Treffen in Potsdam zeigt, welches verstörende Weltbild auch in der Werteunion grassiert“, sagte Winkel. „Ob durch Parteineugründung der Werteunion oder Unvereinbarkeitsbeschluss unsererseits – es ist Zeit, dass sich die CDU von diesem Freak-Haufen verabschiedet.“ Gegen Werteunion-Chef Maaßen läuft derzeit ein Parteiausschlussverfahren. Sollte er tatsächlich eine Partei gründen, würde er laut Statut der CDU automatisch ausgeschlossen.