Asylbewerber sollen Leistungen künftig nicht mehr als Bargeld ausgezahlt bekommen. Warum das in NRW nicht nur Zustimmung findet.
Vorwurf der DiskriminierungKölner Flüchtlingsrat lehnt Bezahlkarte harsch ab
Ein Teil der staatlichen Leistungen für Asylbewerber in Deutschland wird künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte bereitgestellt und nicht mehr als Bargeld ausgezahlt. 14 von 16 Bundesländern einigten sich dazu auf gemeinsame Standards für ein Vergabeverfahren, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Wie der hessische Ministerpräsident und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein (CDU) am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte, gehen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern eigene Wege, wollen die Bezahlkarte aber ebenfalls einführen. Solche Bezahlkarten soll unter anderem Schutzsuchenden die Möglichkeit nehmen, Geld aus staatlicher Unterstützung in Deutschland an Angehörige und Freunde im Herkunftsland zu überweisen. „Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheidet jedes Land selbst“, teilte Rhein mit.
Die Bezahlkarte ohne Kontobindung sei grundsätzlich in allen Branchen einsetzbar, aber nicht im Ausland. Auch Karte-zu-Karte-Überweisungen und sonstige Überweisungen im In- und Ausland seien nicht vorgesehen. Leistungsberechtigte sollen den Stand ihres eigenen Guthabens einsehen können. „Mit einer Bezahlkarte werden Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich“, sagte der Co-Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). Das minimiere den Verwaltungsaufwand der Kommunen. „Gleichzeitig wollen wir den Menschen mit Bleibeperspektive die Aufnahme einer regulären Arbeit erleichtern, sie sollen möglichst rasch aus dem Transferleistungsbezug herauskommen“, sagte er.
Josefine Paul befürwortet die Karte solange sie unbürokratisch verwendet werden kann
Josefine Paul, Flüchtlingsministerin in NRW, befürwortet die Einführung der Bezahlkarte, schränkt aber ein, dass Kommunen nicht durch neue Bürokratie belastet werden dürfe. „Ziel muss es sein, die Verwaltungen zu entlasten und ein diskriminierungsfreies Verfahren für Geflüchtete zu gewährleisten“, sagte Paul dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Auch der Kölner Sozialdezernent Harald Rau hält die Einführung einer Bezahlkarte grundsätzlich für richtig, betont aber auch, dass „kein weiterer Verwaltungsaufwand“ entstehen dürfe. „Die flächendeckende Einführung bedarf noch diverser administrativer Schritte. Wir müssen nun erstmal abwarten, welche Vorgaben das Land NRW zur konkreten Ausgestaltung macht“, sagte Rau dieser Zeitung.
Scharfe Kritik kam unterdessen von Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. „Wir verurteilen die Einführung einer Bezahlkarte. Sie ist nicht nur ein Eingriff gegen das Selbstbestimmungsrecht schutzbedürftiger Personen und Ausdruck einer Diskriminierung, sondern führt zu zahlreichen Nachteilen für Geflüchtete“, sagte Prölß dieser Zeitung. Es bestünde die Gefahr, dass Betroffene von Außenstehenden als Geflüchtete identifiziert und diskriminiert werden. „Es wird sich im Übrigen erneut als Illusion erweisen, dass sich durch die Bezahlkarte die Zahl der Geflüchteten verringern wird“, sagte Prölß.
FDP warnt vor neuem Bürokratiemonster
Marc Lürbke, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion in Düsseldorf, kritisierte, dass die Landesregierung „vor wenigen Monaten noch unsere Pläne, Bezahlkarten einzuführen, dreist abgelehnt“ habe. „Wir freuen uns über den Sinneswandel. Die grüne Flüchtlingsministerin Josefine Paul darf jetzt bloß kein neues Bürokratiemonster schaffen, mögliche Schlupflöcher für Bargeldauszahlungen müssen konsequent geschlossen werden“, sagte Lürbke dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Auch Serap Güler, Bundestagspolitikerin aus Köln, begrüßte die Entscheidung. „Kommunen sind mit der aktuellen Situation überfordert, auch in Köln. Gleichzeitig nimmt die Akzeptanz der Bevölkerung für die Aufnahme weiterer Geflüchteter zunehmend ab. Deshalb müssen wir jegliche Anreize für eine ungeordnete Migration nach Deutschland senken“, sagte Güler dieser Zeitung.
Kritik an den Plänen der 14 Bundesländer kommt von der Linken in NRW. „Die Umstellung auf Sachleistungen für alle Asylbewerber ist schwer umzusetzen, erzeugt Bürokratie und wird den Personen mit Bleibeperspektive nicht gerecht“, sagte Landesparteivorsitzender Sascha Wagner. „Wer aus Syrien oder Afghanistan vor Verfolgung flieht, macht seine Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, davon nicht abhängig. Eine Politik der Abschreckung, die aus migrationspolitischen Gründen in die Grundrechte Einzelner eingreift, ist verfassungswidrig“, so Wagner weiter.