Klüngel-Vorwürfe gegen NRW-JustizministerWie gefährlich wird der Untersuchungsausschuss für Benjamin Limbach?

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01.06.2023, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Minister Benjamin Limbach (Minister der Justiz Nordrhein Westfalen) redet bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf. Bundesinnenministerin Nancy Faeser möchte sich vor Ort über die Arbeitsweise und Ergebnisse der bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft angesiedelten ZeOS informieren und über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern austauschen. Foto: David Young/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

NRW-Justizminister Benjamin Limbach wird Vetternwirtschaft vorgeworfen.

Wurde eine Duz-Freundin des Justizministers bei der Besetzung eines Top-Postens bevorzugt? Die wichtigsten Fragen zu der Affäre.  

Ein Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag soll klären, ob bei der Auswahl für die Besetzung eines Spitzenpostens in der NRW-Justiz alles mit rechten Dingen vorgegangen ist. Die Opposition wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, eine Ex-Kollegin von Justizminister Benjamin Limbach bevorzugt zu haben. Wie gefährlich kann die Aufklärung des Vorgangs für die Beteiligten werden?  

Um welchen Posten geht es?

Der Präsidentenposten am nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) ist seit drei Jahren unbesetzt. Der frühere NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) traf zwar in den letzten Tagen seiner Amtszeit eine Entscheidung, aber nachdem sein Nachfolger Benjamin Limbach ins Amt gekommen war, stoppte der Grüne das Verfahren. Obwohl die Bewerbungsfrist abgelaufen war, ließ er eine neue Bewerberin zu, die schließlich das Rennen machte. Dabei handelt es sich um eine frühere Richter-Kollegin von Limbach. Beide arbeiteten zusammen am Verwaltungsgericht in Köln.

Worin besteht der Klüngel-Vorwurf?

Die von Limbach ausgewählte Kandidatin hatte dem neuen Justizminister im Sommer 2022 zu seiner Berufung gratuliert. Bei dem Gespräch verabredete man sich zu einem gemeinsamen Abendessen in Düsseldorf. Bei dem Treffen soll die Frau ihr Interesse an dem OVG-Posten signalisiert haben. Limbach und Katharina J. duzen sich. Ein „besonderes Näheverhältnis“ bestehe aber nicht, betonte der Justizminister mehrfach.

Wer ist Limbachs Favoritin?

Bei der Bewerberin handelt es sich um eine Frau mit CDU-Parteibuch, die derzeit im NRW-Innenministerium eine Führungsposition bekleidet. Sie war nach ihrer Richterzeit viele Jahre als Lobbyistin für die Katholischen Kirche tätig. Auf den OVG-Posten hatten sich auch zwei Top-Juristen beworben, die gegen das Auswahlverfahren geklagt hatten, weil sie sich für besser qualifiziert hielten als Katharina J. Das Oberverwaltungsgericht stellte aber fest, dass das formal alles richtig gelaufen sei.

Woher rührt der Verdacht der politischen Einflussnahme?

Einer der unterlegenen Bewerber hat darüber berichtet, er sei vom Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling, angerufen worden. Dabei habe man ihm nahegelegt, die Bewerbung zurückzuziehen, sagte der SPD-Abgeordnete Sven Wolf. Auch der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, hatte mit allen Bewerbern gesprochen. Einfluss auf das Verfahren will der CDU-Politiker aber nicht genommen haben.

Der U-Ausschuss ist eine Verzweiflungstat der Opposition
Dagmar Hanses, Rechtsexpertin der Grünen im Landtag

Welchen Deal vermutet die Opposition?

SPD und FDP wundern sich darüber, dass der Grüne Limbach sich so vehement für eine CDU-Frau eingesetzt hat. Die Opposition vermutet, dass die Besetzung des OVG-Postens schon bei den Koalitionsgesprächen von CDU und Grünen eine Rolle gespielt haben könnte – und die Besetzung des Justizministeriums mit einem Grünen daran gekoppelt wurde, den OVG-Job CDU-nah zu vergeben.

Wie ist die Aktenlage?

Vergleichsweise mager. Viele Dokumente zu dem Vorgang gibt es nicht. In anderen Untersuchungsausschüssen kamen aber immer wieder Überraschungen an Licht, wenn der E-Mail-Verkehr der Beteiligten ausgewertet wurde. Die Opposition hofft, dort direkte oder indirekte Hinweise auf eine politische Einflussnahme oder auf die Existenz geheimer Nebenabsprachen bei den Koalitionsverhandlungen zu finden.

Wie gefährlich ist der U-Ausschuss für die Landesregierung?

Die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen halten die Einsetzung für eine „Verzweiflungstat“ der Opposition, die mit ihren Angriffen gegen Limbach bislang ins Leere gelaufen sei. Man versuche, einen „nicht geschehenen Skandal herbeizureden“, sagte Dagmar Hanses von den Grünen. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht der Justiz die Durchführung eines rechtmäßigen Verfahrens bescheinigt. Gleichwohl bleibt ein erhebliches Restrisiko, weil Zeugenaussagen eine unvorhersehbare Explosivkraft entwickeln können. Deswegen wurde offenbar hinter den Kulissen bis zum Schluss versucht, die Einsetzung aus formalen Gründen zu verhindern.  

Was passiert, wenn falsche Angaben und Halbwahrheiten ans Licht kommen?

Der U-Ausschuss lenkt erneut eine hohe mediale Aufmerksamkeit auf den Vorgang. Sollte sich bei den Zeugenvernehmungen herausstellen, dass dem Parlament falsche Angaben gemacht wurden oder nicht die ganze Wahrheit gesagt wurde, kann es für die Beteiligten eng werden. Über eine Entlassung von Limbach würde Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) entscheiden, in dem Fall wäre das aber nur mit Zustimmung von Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) möglich. Theoretisch wäre auch denkbar, dass Limbach selbst seinen Rücktritt anbietet, um Schaden vom Amt abzuwenden. In der vergangenen Legislaturperiode hatte die frühere Umweltministerin Ursula Heinen-Esser  (CDU) ihren Posten geräumt, nachdem herausgekommen war, dass sie dem Untersuchungsausschuss Details einer Mallorca-Reise während der Flut-Katastrophe vorenthalten hatte.

Wie groß ist Limbachs Rückhalt bei den Grünen?

Unterschiedlich. In der Fraktion hat der Minister wichtige Unterstützer, aber es gibt auch Kritik an seinem betont selbstsicheren Auftritt, der meist mit Entourage erfolgt. Limbach gehörte früher der SPD an und war erst 2018 bei den Grünen eingetreten.

Wie lange dauert der U-Ausschuss?

Da wohl nur wenige Akten zur Verfügung stehen, gehen Insider davon aus, dass der Ausschuss seine Arbeit innerhalb von einigen Monaten erledigen kann. Durch den Rückzug ihrer umstrittenen Bewerbung könnte Katharina J. den politischen Druck aus dem Kessel nehmen. Dafür, dass ein solcher Schritt geplant ist, gibt es aber bislang keine Hinweise.

Wann wird die Richterstelle besetzt?

Vorerst nicht. Das hat aber nichts mit dem U-Ausschuss zu tun. Einer der nicht berücksichtigten Bewerber – ein Bundesrichter – hat eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Entscheidung wird abgewartet, solange bleibt der Posten unbesetzt.

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