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Olympia-Attentat von 1972Hinterbliebene lehnen Millionen-Entschädigung ab

Lesezeit 3 Minuten
München 1972 Entschädigungen

Ein bewaffneter Polizeibeamter im Trainingsanzug sichert am 05.09.1972 im Olympischen Dorf in München den Block, in dem Terroristen die israelischen Geiseln festhalten. (Archivbild)

München – Wenige Wochen vor dem Gedenken zum 50. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats von 1972 ist ein Streit über weitere Entschädigungszahlungen eskaliert. Nach Bekanntwerden eines neuen Angebots der Bundesregierung sagte die Sprecherin der Opferfamilien, Ankie Spitzer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch: „Die Summe, die uns angeboten wurde, ist beleidigend.“

Spitzer drohte mit dem Fernbleiben der Angehörigen von den Gedenkfeiern am 5. September in München. Bei dem Attentat war ein palästinensisches Kommando in das Olympiagelände eingedrungen und hatte Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen. Bei der Geiselnahme und einer missratenen Befreiungsaktion starben insgesamt elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist.

Höhe des neuen Entschädigungsangebot blieb geheim

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums kündigte am Mittwoch in der „Süddeutschen Zeitung“ neue Entschädigungszahlungen an. Es sei entschieden worden, „die gravierenden Folgen für die Hinterbliebenen der Opfer in immaterieller und in materieller Hinsicht erneut zu artikulieren“. Dies sei das Ergebnis einer „Neubewertung“ des Olympia-Attentats und seiner Folgen durch die Bundesregierung „in den vergangenen Wochen“.

Über die Höhe des deutschen Entschädigungsangebots machte der Ministeriumssprecher dem Bericht zufolge keine Angaben. Derzeit liefen „vertrauensvolle Gespräche mit den Vertretern der Opferfamilien“. Die „erneuten finanziellen Leistungen“ sollten gemeinsam vom Bund, dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München erbracht werden.

Botschafter Steffen Seibert soll Angebot überbracht haben

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zufolge stellte der neue deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, am vergangenen Freitag in der Botschaft in Tel Aviv den Opferfamilien das neue deutsche Angebot vor.

Demnach beinhaltet das Angebot laut Bundesinnenministerium eine umfassende historische Aufarbeitung und eine Öffnung der Archive „sowie ein Angebot weiterer Anerkennungsleistungen an die Hinterbliebenen der Opfer des Attentats“.

München 1972: Hinterbliebene „verärgert und enttäuscht“

Spitzer sagte zu dem Angebot: „Wir sind verärgert und enttäuscht.“ Sollte es dabei bleiben, würden die Angehörigen nicht zur Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Attentats Anfang September nach München kommen. Nach Angaben der Opferfamilien sieht der deutsche Vorschlag eine Gesamtleistung von zehn Millionen Euro für alle Hinterbliebenen vor.

Dabei sollten aber frühere Leistungen aus den Jahren 1972 und 2002 in Höhe von insgesamt rund viereinhalb Millionen Euro angerechnet werden. Spitzer sagte, dies entspreche aber nicht internationalen Standards in ähnlichen Fällen. „Wir wollten nie öffentlich über Geld reden, aber nun sind wir gezwungen, es zu tun.“

Israels Präsident schaltet sich nun ein

Zusammen mit den Familien soll nach den bisherigen Plänen auch Israels Präsident Jitzchak Herzog nach Deutschland reisen. Bis zum 15. August soll dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zufolge nun bei Regierungsgesprächen zwischen Deutschland und Israel nach einer Lösung für die Entschädigungsfrage gesucht werden.

Juristisch waren die Hinterbliebenen bereits vor gut 20 Jahren mit ihrer Forderung nach höheren Leistungen gescheitert. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte der „Süddeutschen Zeitung“, die Gedenkveranstaltung solle „Anlass für eine klare politische Einordnung der Geschehnisse des Jahres 1972“ sein.

Dazu gehöre auch die Einsetzung einer Kommission deutscher und israelischer Historikerinnen und Historiker „zur umfassenden Aufarbeitung der Ereignisse“. (afp)