PatientengeheimnisSo verhält es sich mit der ärztlichen Schweigepflicht

Ärzte müssen sich zurück halten - auch wenn ein Patient eine Straftat begeht.
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Berlin – Der Ärztepräsident regierte sofort. Kaum sickerten die Vorschläge von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zur Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in die Öffentlichkeit durch, reagierte Frank Ulrich Montgomery und erteilte derartigen Forderungen eine klare Absage: Das Patientengeheimnis werde als Grundrecht durch die Verfassung geschützt und sei Voraussetzung für das „unerlässliche Vertrauensverhältnis“ zwischen Patient und Ärzten, so der oberste Mediziner der Republik. Er wies zugleich darauf hin, dass das geltende Recht schon heute Ausnahmen zulässt - auch zur Terrorabwehr.
Die ärztliche Schweigepflicht ist sowohl im Strafgesetzbuch als auch in den Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Bei Verstößen muss der Arzt daher mit einer strafrechtlichen Verfolgung und auch mit berufsrechtlichen Sanktionen rechnen. Der Umfang der Schweigepflicht ist sehr weit gefasst. Der Geheimhaltung unterliegen nicht nur alle Fakten, die sich auf den Gesundheitszustand des Patienten beziehen, also Diagnosen, Befunde oder Röntgenbilder. Auch geäußerte Meinungen, Empfindungen oder Erzählungen des Patienten gehören dazu. Die Schweigepflicht gilt über den Tod hinaus und auch gegenüber Angehörigen oder anderen Medizinern.
Bestimmte ansteckende Krankheiten müssen gemeldet werden
Von der Schweigepflicht darf nur in sehr eng begrenzten Fällen abgewichen werden. So sind die Mediziner per Gesetz verpflichtet, ausgewählte Daten zum Beispiel an die Kassenärztlichen Vereinigungen zu übermitteln. Auch im Falle bestimmter ansteckender Krankheiten besteht eine Meldepflicht. Die Schweigepflicht gilt zudem dann nicht, wenn der Patient den behandelnden Arzt ausdrücklich davon entbindet.
Die dritte Fallgruppe gilt rechtlich als besonders schwierig. Nach der geltenden Rechtslage dürfen die Ärzte von der Schweigepflicht abweichen, wenn der „rechtfertigende Notstand“ nach Paragraf 34 des Strafgesetzbuches greift. Danach kann das Interesse an der Abwehr konkreter Gefahren für Leib, Leben oder Gesundheit im Einzelfall höherwertiger sein als das Geheimhaltungsinteresse des Patienten.
Partner von HIV-Erkrankten kann informiert werden
Die Bundesärztekammer betont allerdings, dass der Arzt die Informationen erst offenlegen muss, wenn er ganz konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass ein Patient eine Gefahrensituation tatsächlich auch herbeiführen wird. Außerdem muss er (erfolglos) versucht haben, den Patienten umzustimmen.
So wäre ein Arzt zum Beispiel berechtigt, den Partner eines HIV-erkrankten Patienten über dessen Infektion zu informieren, wenn sich der Erkrankte selbst weigert. Auch eine Meldung an die Verwaltungsbehörde wäre erlaubt, wenn ein Patient Auto fährt, obwohl er damit aufgrund seiner Erkrankung (zum Beispiel Alkoholsucht oder Epilepsie) sich und andere gefährdet.
Straftat muss nicht gemeldet werden
Erfährt der Arzt hingegen von einer Straftat seines Patienten, fiele das unter die Schweigepflicht. Der Arzt darf sich gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nur dann offenbaren, wenn die Gefahr besteht, dass der Patient künftig Straftaten begehen wird. In juristischen Kommentaren wird aber eingeschränkt, eine Verletzung der Schweigepflicht sei nur dann gerechtfertigt, wenn es sich tatsächlich um schwerste Taten gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder die innere und äußere staatliche Sicherheit handelt.