Im polnischen Dorf Przewodów nahe der Grenze zur Ukraine sind offenbar zwei russische Raketen eingeschlagen und haben zwei Menschen getötet. Der polnische Sicherheitsrat kommt am Abend zu einer Krisensitzung zusammen.
„Kreml muss sich umgehend erklären“EU-Politiker reagieren auf Raketeneinschlag in Polen
Zwei russische Raketen-Irrläufer sind Berichten zufolge am Dienstag in der polnischen Ortschaft Przewodów an der Grenze zur Ukraine eingeschlagen und haben zwei Menschen getötet. Ein hochrangiger US-Geheimdienstvertreter bestätigte den Vorfall der Nachrichtenagentur AP. Russische Raketen seien über die Grenze zum Nato-Mitgliedsland Polen geflogen, es habe zwei Tote gegeben, hieß es.
Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums in Washington erklärte wiederum, es gebe momentan keine Informationen, um die polnischen Medienberichte zu einem angeblichen russischen Raketeneinschlag zu bestätigen.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki berief am Abend ein Notfalltreffen des Ministerrats für nationale Sicherheit und Verteidigung ein, schrieb sein Regierungssprecher Piotr Müller bei Twitter. Hintergründe nannte er zunächst nicht.
Fotos sollen Einschlagstelle zeigen
Zuvor hatte der polnische Sender Radio ZET unter Berufung auf inoffizielle Quellen berichtet, die beiden Raketen hätten eine Anlage zum Trocknen von Getreide getroffen, zwei Menschen seien gestorben. Polizei, Staatsanwaltschaft und Armee seien vor Ort. Die Feuerwehr habe zwei Explosionen in dem Ort bestätigt. In sozialen Medien veröffentlichte Fotos sollen die Einschlagsstelle zeigen. Darauf ist ein großer Krater zu sehen und ein Treckeranhänger, der umgekippt ist.
Es wäre der erste derartige Vorfall in dem seit fast neun Monaten dauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Polen ist Mitglied der EU und des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato.
Der polnische Regierungssprecher Müller warnte allerdings davor, ungeprüfte Informationen zu verbreiten. Alle Informationen aus dem Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung der polnischen Regierung sollten später auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, kündigte er laut der Nachrichtenagentur PAP an.
Strack-Zimmermann: „Der Kreml muss sich umgehend erklären“
Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb am Abend bei Twitter: „Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und damit NATO-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch ‚verhandeln‘ wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.“
Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks äußerte sich besorgt: „Mein Beileid an unsere polnischen Waffenbrüder. Das kriminelle russische Regime hat Raketen abgefeuert, die nicht nur auf ukrainische Zivilisten abzielten, sondern sie landeten auch auf Nato-Territorium in Polen. Lettland steht voll und ganz hinter seinen polnischen Freunden und verurteilt dieses Verbrechen“, schrieb Pabriks bei Twitter.
„Werden jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen“
Das estnische Außenministerium nannte die Nachrichten aus Polen auf Twitter „äußerst besorgniserregend. Wir beraten uns eng mit Polen und anderen Verbündeten. Estland ist bereit, jeden Zentimeter des Nato-Territoriums zu verteidigen. Wir sind voll solidarisch mit unserem engen Verbündeten Polen.“
Russland hatte am Dienstag mit über 90 Raketen und Marschflugkörpern das Energiesystem der Ukraine angegriffen und schwere Schäden verursacht. Es war ukrainischen Militärangaben zufolge der bislang massivste Angriff auf die Infrastruktur seit Kriegsbeginn vor gut acht Monaten.
Unter anderem wurde Lwiw im Westen des Landes getroffen, das rund 50 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt liegt. (rnd, ap, seb, dpa)