Polens Außenminister bringt die Stationierung weiterer Bundeswehr-Soldaten in seinem Land ins Gespräch. Doch es könnte ein Kapazitätsproblem geben.
Diplomatischer VorstoßBollwerk gegen russische Bedrohung – Polen buhlt um Bundeswehr-Soldaten
Der polnische Außenminister ließ aufhorchen. „Deutsche Soldaten wären bei uns willkommen“, sagte Radoslaw Sikorski der „Neuen Zürcher Zeitung“ und stellte damit die Idee einer Aufstockung deutscher Truppen in Polen in den Raum.
Ein paar Bundeswehr-Soldaten gibt es dort schon: Ein deutscher General leitet das Joint Force Training Center (JTFC) der Nato in Bromberg (Bydgoszcz), ein weiterer ist Teil der deutsch-dänisch-polnischen Spitze des Multinationalen Korps der Nato in Stettin. Im vergangenen Jahr waren zudem für neun Monate drei Patriot-Flugabwehrsysteme im ostpolnischen Zamosc nahe der ukrainischen Grenze stationiert.
Schluss mit der Dämonisierung
Die Stationierung war von der damaligen polnischen von der rechtsnationalen PiS dominierten Regierung nur zögerlich zugelassen worden – das Schutzbedürfnis nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine musste mit dem antideutschen Kurs der PiS zusammengebracht werden. Und deutsche Uniformen lassen sich in Polen mit dem Überfall von Nazi-Deutschland 1939 assoziieren, der den Zweiten Weltkrieg auslöste.
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Nach der Wahl Ende 2023 wurde die PiS von einem liberaleren Regierungsbündnis unter Ministerpräsident Donald Tusk abgelöst. „Wir haben mit der Dämonisierung des demokratischen Deutschland aufgehört“, sagt dessen Außenminister Sikorski. „Deutschland ist unser Alliierter, wir begrüßen alliierte Kooperation zur Sicherung des Nato-Gebiets.“
Ein Beitrag für die gemeinsame Verteidigung Polens und Deutschlands könne sogar Teil einer „kreativen Lösung“ für die polnische Forderung nach Reparationszahlungen für die Verwüstungen sein, die deutsche Truppen in Polen im Zweiten Weltkrieg angerichtet haben.
Sikorski verwies in diesem Zusammenhang auf die Atomraketen, die Russland in Königsberg an der polnischen Grenze stationiert habe. Diese bedrohten „unsere beiden Länder in gleicher Weise“.
„Hinweis auf den Ernst der Lage“
Absegnen müsste eine Stationierung der Bundestag. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), bewertete den Vorstoß Sikorskis als Hinweis auf den Ernst der Lage – und gleichzeitig als Zeichen für das neue Vertrauen Polens in Deutschland. Es zeige sich, „wie dramatisch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Bedrohungslage für ganz Europa verändert hat“, sagte Roth dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Für unsere Partner in Mittel- und Osteuropa ist der russische Imperialismus eine existenzielle Bedrohung. Noch vor wenigen Jahren wäre der Gedanke an eine Stationierung von Bundeswehr-Soldatinnen und -Soldaten in Polen kaum vorstellbar gewesen. Der Vorschlag ist daher ein immenser Vertrauensbeweis gegenüber Deutschland, aber er unterstreicht auch die deutlich gewachsenen Erwartungen an Deutschland.“
Der Vizefraktionschef der FDP, Michael Link, zeigte sich offen für eine Stationierung deutscher Soldaten an der polnischen Ostgrenze. Darüber sollten „wir für die Zukunft ernsthaft nachdenken“, sagte Link dem RND. Antideutsche Ressentiments seien dabei nicht zu erwarten. Dies zeigten bereits die Erfahrungen mit den Patriot-Staffeln und mit den Nato-Stützpunkten.
Kaum Kapazitäten, Streitkräfte zu verlegen
Davon geht auch der Vorsitzende der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Paul Ziemiak (CDU), aus: „Polens Bedrohung liegt im Osten, nicht in der Bundeswehr. Kritisiert wird eher, wenn Deutschland sich zu wenig engagiert“, sagte er dem RND. Die Verlegung deutscher Soldaten sei eine interessante Idee, allerdings derzeit kaum umsetzbar. „Es wäre zu begrüßen, wenn die Regierungen von Polen und Deutschland gemeinsam prüfen, im Zusammenhang mit der Stärkung der Nato-Ostflanke, Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte nach Polen zu verlegen. Allerdings gibt es dafür derzeit kaum Kapazitäten.“
Ähnlich klingt auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die den Blick auf ein anderes Engagement der Bundeswehr lenkt: „Wir konzentrieren uns zurzeit auf die Brigade in Litauen.“ Ab Ende 2027 sollen in Litauen knapp 5000 Bundeswehr-Soldaten dauerhaft stationiert werden, um das Land gegen einen russischen Angriff zu schützen.
Ein Angriff Russlands auf Polen nicht auszuschließen
Sikorski warnte, es sei nicht auszuschließen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nach der Ukraine auch Polen angreife. Schließlich wolle er „das russische Imperium wiederherstellen“ und Polen sei einst eine russische Kolonie gewesen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versicherte dazu beim Antrittsbesuch Tusks vergangene Woche: „Die Sicherheit Polens ist auch unsere Sicherheit. Dafür fühlen wir uns verantwortlich.“