Der niederländische Premierminister überstand mit einiger Kaltblütigkeit Skandale – jetzt ist seine Regierungskoalition zerbrochen.
Politisches Drama in den NiederlandenMark Ruttes Rückzug ist ein Einschnitt mit Folgen
Es ist ein Einschnitt im Nachbarland: Der niederländische Premierminister Mark Rutte verlässt nach 13 Jahren im Amt die Politik. So lange wie Rutte hat sich in Den Haag bisher niemand an der Regierungsspitze halten können. Mit Pragmatismus gelang es Rutte, im ohne Fünf-Prozent-Hürde zersplitterten Parlament Koalitionen zu schmieden, mit einiger Kaltblütigkeit überstand er Skandale. Nach nur einem Jahr zerbrach nun sein viertes Kabinett über die Migrationspolitik. Nur einmal hat Rutte es geschafft, eine ganze Wahlperiode durchzuhalten.
Der Langzeit-Premier kam nun einem Misstrauensantrag zuvor: Damit geht er zumindest formal aus eigenem Antrieb. Und er ermöglicht seiner Partei, der rechtsliberalen VVD, unter Umständen weiterzuregieren. Mehrere andere Parteien hatten bereits ausgeschlossen, künftig mit dem so umgänglich wirkenden wie dominant agierenden Historiker zusammenzuarbeiten.
Die nächste Parlamentswahl kann nun den nächsten Einschnitt bedeuten: Die Provinzwahlen im Frühjahr haben die konservativen Populisten der relativ neuen Bauer-Bürger-Bewegung (BBB) gewonnen. Sie profitierte vom Ärger der Landwirte über strengere Regeln für Stickstoffeinbringung in den Boden und webte darum die große Erzählung vom Stadt-Land-Gegensatz, vom „Wir gegen die“, von den angeblich einfachen Bürgern gegen das so genannte Establishment. Ruttes Versuch, die BBB-Protestparolen aufzugreifen, verfing nicht. Stadt-Land-Gegensätze gibt es überall.
Und Klimaschutzmaßnahmen sind oft mit Einschnitten, mindestens aber mit Veränderungen verbunden. Deren Folgen sind direkter spürbar sind als Versäumnisse im Klimaschutz. An den Niederlanden lässt sich ablesen, wie erfolgreiche eine „Wir gegen die“-Strategie sein kann, die Populisten in Deutschland dürften es mit Wonne registrieren. Umso wichtiger ist es, dass Regierungen neben dem Veränderungsbedarf auch dadurch entstehende Ängste adressieren. Und dass allen in der Politik klar ist, dass es wenig bringt, als Echo von Populisten aufzutreten.