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Polizist verprügelte MannDienstgruppenleiter wegen Strafvereitelung angeklagt

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Schild am Eingang einer Polizeiwache in Mülheim

Im Herbst 2020 war bekannt geworden, dass Polizeibeamte in NRW rechtsextremistisches Material in Chatgruppen verbreitet hatten.

Ein Polizist verprügelte bei einem Einsatz in Mülheim an der Ruhr einen Mann und vertuschte den Vorfall mithilfe einer Kollegin. Eine weitere Polizistin meldete die Geschehnisse ihrem Vorgesetzten – der handelte nicht.

Die Affäre schlug hohe Wellen: Polizeikommissar Peter M. , der in einer Chatgruppe mit Kollegen der Wache Mülheim/Ruhr reihenweise rechtsextreme WhatsApp-Posts einstellte, soll bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt den anfangs verdächtigen Deutsch-Kosovaren Abaz L. (alle Namen geändert) gefesselt und dann auf ihn eingeschlagen haben. Als eine junge Polizistin die unrechtmäßige Prügelattacke auf den Migranten ihrem Vorgesetzten meldete, versprach dieser den Dienstgruppenleiter des Prügelpolizisten zu informieren, um ein Strafverfahren einzuleiten. Doch nichts geschah. Und so fertigte der Beamte M. mit Hilfe einer Kollegin ein falsches Einsatzprotokoll. Den Ermittlungen zufolge sollen die beiden Dienstgruppenleiter die Vertuschungsaktion gedeckt haben.

Stattdessen wurde Abaz L. wegen Widerstandes gegen Vollzugsbeamte angeklagt. Erst der Prozess gegen den Deutsch-Kosovaren zerstörte das Lügengebilde. Denn zum ersten Mal sagte jene Kollegin aus, die bereits kurz nach dem Einsatz ihren Vorgesetzten über die unrechtmäßige Polizeigewalt unterrichtet hatte. Das Opfer wurde freigesprochen. Kommissar M. am 7. Juni 2021 zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Kölner Stadt-Anzeiger hatte die Polizei-Affäre enthüllt.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Duisburg auch die beiden Dienstgruppenleiter wegen gemeinschaftlicher Strafvereitelung im Amt angeklagt. Wie ein Sprecher des Amtsgerichts Mülheim/Ruhr dieser Zeitung mitteilte, sollen die leitenden Polizisten „Absprachen getroffen haben, kein Strafverfahren gegen den Polizeikommissar einzuleiten“. Im Falle eines Schuldspruchs sieht der Gesetzgeber eine Geld- oder alternativ eine Haftstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vor.

Polizistin berichtete Vorgesetzten unter Tränen von die Tat

Der Prozess steht und fällt unter anderem mit der Aussage der Belastungszeugin. „Ohne den mutigen Schritt meiner Mandantin wäre dieser Skandal stillschweigend unter den Teppich gekehrt worden“, betont Anwalt Christoph Arnold. „Das beweist einmal mehr, dass die Polizei zum allergrößten Teil auf dem Boden von Recht und Gesetz steht.“ Ursprünglich sollte seine Klientin am 6. Dezember zum Verhandlungsauftakt in den Zeugenstand treten. Allerdings bleibt fraglich, ob das Verfahren dann starten kann, da der Richter erkrankt ist. Michael Emde, einer der beiden Verteidiger, erklärte: „Ich hoffe, dass die Hauptverhandlung die tatsächliche Wahrheit erbringen wird. Mein Mandant bestreitet die Vorwürfe aufs Schärfste.“

In ihrer Vernehmung hatte die Beamtin berichtet, wie sie nach dem Einsatz das Büro ihres Dienstgruppenleiters aufgesucht hatte. Unter Tränen habe sie seinerzeit das Geschehen geschildert: Wie man in die Wohnung gegangen sei. Wie Kommissar Peter M. den Verdächtigen an die Wand gedrückt und gefesselt habe. Der Polizist machte den Delinquenten dafür verantwortlich, die Tochter misshandelt zu haben. Gleich mehrfach prügelte M. auf den wehrlosen Mann ein. Aus einer Platzwunde blutend, musste sich Abaz L. auf die Couch im Wohnzimmer setzen. Als er kurz aufstand, soll M. erneut zugeschlagen haben. Dabei soll der Beamte äußerst gereizt reagiert und gebrüllt haben: „Ist es bei Euch üblich, dass Ihr Eure Frauen schlagt?“

Die Polizeikommissarin fertigte noch am selben Abend einen Vermerk an. Die Aktennotiz machte es komplizierter, das Ganze zu vertuschen. Deshalb regte sich auch Peter M. in einer sichergestellten Chat-Nachricht über den Vorgang auf. Seine Streifenkollegin stimmte ihm zu: Das sei einfach bescheuert. In der Folgezeit deckte ihn die Kollegin mit einer Falschaussage. Als das Komplott aufflog, suchte die Beamtin ihr Heil in einem Geständnis. Über ihre Anwälte räumte die Kommissarin ihre Lügen ein. Auch sie kam milde davon. Das Amtsgericht Mülheim/Ruhr verhängte einen Strafbefehl: Sieben Monate auf Bewährung wegen Strafvereitelung im Amt und falscher uneidlicher Aussage, lautet der Richterspruch.