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NS-VergleichPresserat weist Beschwerde gegen „Tagespost“ zurück

Lesezeit 3 Minuten
Der NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann (2.v.l.) vor dem Bezirksgericht in Jerusalem. Eichmann befindet sich, von drei uniformierten Beamten bewacht, auf dem verglasten Platz des Angeklagten. Das Archivfoto stammt vom 11. April 1961.

Der NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann (2.v.l.) vor dem Bezirksgericht in Jerusalem. Das Archivfoto stammt vom 11. April 1961.

Eine Beschwerde gegen den Vergleich des Freiburger Theologen Magnus Striet mit dem NS-Verbrecher Adolf Eichmann in der katholisch-konservativen Zeitung „Tagespost“ wurde vom Presserat für unbegründet erklärt. Der Vergleich sei unglücklich, verstoße aber nicht gegen den Pressekodex.

Der Deutsche Presserat hat eine Beschwerde des Berliner Theologen Georg Essen gegen einen Artikel in der konservativen katholischen Zeitung „Tagespost“ abgewiesen. Essen hatte den darin gezogenen Vergleich zwischen seinem Freiburger Kollegen Magnus Striet und dem NS-Verbrecher Adolf Eichmann als ehrverletzend für Striet erachtet und in dem strittigen Beitrag des katholischen Publizisten Bernhard Meuser auch einen Verstoß gegen die Achtung der Menschenwürde gesehen.

Nach Ansicht des Presserats ist der Vergleich in der Tat unglücklich. Allerdings setze der Autor nicht „das Individuum Striet mit Eichmann gleich“. Vielmehr ziele die von Essen monierte Passage auf Striets Verhältnis zur Kirche ab.

In seinem Artikel über Striet, einen führenden Vertreter liberalen Denkens in der katholischen Theologie, hatte Meuser geschrieben, für Striet sei „die sakramental-hierarchisch verfasste Kirche so ungefähr das, was für Eichmann der Führer war: eine absolutistische Instanz, die (von nichts außer ihrer faktischen Macht legitimiert) ihre Souveränität sichert, indem sie Befehle erteilt und damit eine Welt subalterner, subjektloser Subjekte hervorbringt“.

Presserat sieht keine Abwertung der Person durch NS-Vergleich

Damit, so der Presserat in der Begründung seines Entscheids weiter, werte Meuser nicht Striet als Person ab, sondern bewerte dessen Aussagen. Der Bescheid liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor.

Adolf Eichmann (1906 bis 1962) war ab 1941 der Hauptverantwortliche für die Organisation des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden Europas. Er wurde 1960 vom israelischen Geheimdienst aus Argentinien entführt, in Israel vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt. Im Prozess reklamierte Eichmann für seine Taten einen Befehlsnotstand und erklärte sich im juristischen Sinne für unschuldig.

Da wusste jemand sehr genau, was er tut, indem er mit Eichmann kommt.
Professor Georg Essen

„Tagespost“-Chefredakteur Guido Horst reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme*. Meuser sprach auf Anfrage von einem „öffentlich inszenierten Missverständnis“. Der Presserat habe die Beschwerde offenkundig für so „irrelevant“ gehalten, dass er „es nicht einmal für nötig hielt, mich über den Vorgang in Kenntnis zu setzen, geschweige denn zu befragen“. Inhaltlich äußerte Meuser sich nicht.

Essen bedauerte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass der Presserat sich als Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Medien auf eine rein rechtliche Betrachtung beschränkt habe. Für eine Gesamtbewertung sei das „dürftig“. Die moralische Empörung über Meusers Artikel bleibe bestehen. „Da wusste jemand sehr genau, was er tut, indem er mit Eichmann kommt. Das ist und bleibt verwerflich.“ Es sei „ja schon grotesk, dass ausgerechnet in einer theologischen Debatte um den Begriff der Freiheit elementare Grundvoraussetzung eines freiheitlichen Miteinanders verletzt werden: Anerkennung, Respekt, Toleranz“.

Ihm sei es um ein Zeichen der Gegenwehr und des Protests gegangen, so Essen weiter. „Wer in streitigen Fragen einen anderen in die Nähe von NS-Ideologen und Massenmördern rückt, verlässt die Ebene eines humanen Diskurses.“

*Dieser Passus der Ursprungsversion wurde aktualisiert.