Protest gegen VatikanTheologen wehren sich gegen Segnungsverbot für Homosexuelle
Köln – Vor 30 Jahren protestierten Hunderte von Theologieprofessoren in der „Kölner Erklärung“ gegen die autoritäre Art, mit der Papst Johannes Paul II. seinen Wunschkandidaten Joachim Meisner als Erzbischof von Köln durchdrückte. 2011 ging es in einem „Theologen-Memorandum“ um die schleppende Aufarbeitung des Missbrauchskandals. Jetzt erhebt die Wissenschaft erneut ihre Stimme. Binnen kurzem haben sich mehr als 230 Professorinnen und Professoren aus dem deutschsprachigen Raum zum Protest gegen das römische Segnungsverbot für schwule und lesbische Paare zusammengetan.
Die Glaubenskongregation hatte vorige Woche solche Feiern strikt untersagt. „Gott segnet die Sünde nicht und kann sie nicht segnen“, heißt es zur Begründung. Zudem sieht Rom die Gefahr einer Verwechslung mit dem Brautsegen bei der Eheschließung, die in der katholischen Kirche als Sakrament gilt und heterosexuellen Paaren vorbehalten ist.
Die Erklärung des Vatikans „ist von einem paternalistischen Gestus der Überlegenheit geprägt und diskriminiert homosexuelle Menschen und ihre Lebensentwürfe“, heißt es in der Stellungnahme der Theologen. „Von dieser Position distanzieren wir uns entschieden. Wir gehen demgegenüber davon aus, dass das Leben und Lieben gleichgeschlechtlicher Paare vor Gott nicht weniger wert sind als das Leben und Lieben eines jeden anderen Paares.“ Dem römischen Dokument mangele es an theologischer Tiefe und argumentativer Stringenz. Das Lehramt untergrabe seine eigene Autorität, indem es „wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und nicht rezipiert“. Die Theologen stellen sich zudem hinter Seelsorgerinnen und Seelsorger, die gleichgeschlechtliche Paare – wie schon bisher – segnen und nach angemessenen gottesdienstlichen Formen suchen. Eine Resolution mit der Ankündigung „Wir segnen weiter“ fand bisher 2000 Unterstützer. Dem Vernehmen nach ist eine bundesweite Aktion geplant.
„Diskussionsverweigerung ist keine Lösung“
Der Münsteraner Ökumene-Experte Thomas Bremer, Sprecher der Initiative, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, es sei heutzutage in der Kirche schlicht nicht mehr möglich, ein Thema durch Verbote vom Tisch zu fegen. „Diskussionsverweigerung ist keine Lösung.“ Den Rückmeldungen der Unterzeichnenden sei anzumerken, dass sie „den römischen Autoritarismus und die fortgesetzten Störmanöver gründlich satt“ hätten. Der römische Vorstoß ziele ganz offensichtlich darauf, laufende Reformprozesse auf dem „Synodalen Weg“ zu behindern und der katholischen Kirche in Deutschland „an den Karren zu fahren“.
Die Position der Glaubenskongregation sei auch inhaltlich grundfalsch. „Die Behauptung, die Ehe zwischen Mann und Frau sei etwas grundsätzlich anderes, ist nicht haltbar, sobald man sich von der Fixierung der Ehe auf Nachkommenschaft löst und stattdessen auf die Verwirklichung von Werten wie Verantwortung, Solidarität, Verlässlichkeit, Dauerhaftigkeit und wechselseitige Zuneigung abhebt.“ All das sei auch in homosexuellen Paarbeziehungen lebendig. „Ihnen dann den Segen zu verweigern, ist diskriminierend“, so Bremer. Zu den Mitunterzeichnern gehören renommierteste Fachvertreter wie die Dogmatiker Peter Hünermann (Tübingen), Michael Seewald (Münster) und Julia Knop (Erfurt), die Sozialethiker Marianne Heimbach-Steins (Münster) und Bernhard Emunds (Frankfurt), die Liturgiewissenschaftler Gunda Werner (Graz) und Benedikt Kranemann (Erfurt) oder der Kirchenhistoriker Hubert Wolf (Münster).
Der Bochumer Pastoraltheologe Matthias Sellmann warf dem Vatikan vor, mit einer Verbotshaltung „schuldhaft“ jener Kirchenspaltung Vorschub zu leisten, vor der Rom insbesondere die deutsche Kirche ständig warne. Das jüngste Papier reihe sich „wie auf einer Perlenschnur unheilvoller Erklärungen“ auf, schrieb Sellmann auf katholisch.de. Verbote wie das der vorigen Woche „provozieren Unverständnis, Enttäuschung, Zorn und Widerstand – gegen den Inhalt wie gegen den Stil.“
An der Kirchenbasis machten sich direkt nach Bekanntgabe der römischen Erklärung Formen pastoralen Ungehorsams breit. Kölner Pfarreien hissten demonstrativ die Regenbogenfahne. Laienvertreter befestigten das Symbol der Schwulen-und-Lesben-Bewegung am Gitter vor dem Nordportal des Kölner Doms. Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine postete auf Facebook ein Foto mit Regenbogenflagge und der Forderung, die Kirche müsse „offen sein für Menschen jeder sexuellen Orientierung“. Für ihn sei „nur vorstellbar, dass Gott zwei Menschen, die einander lieben, mit liebenden Augen ansieht und segnet“.